# taz.de -- Klimagipfel COP 27 in Ägypten endet: Schadensersatz – und viel S… | |
> Der Weltklimagipfel in Scharm al-Scheich einigt sich mit zwei Tagen | |
> Verspätung auf eine Abschlusserklärung. Mit vielen Lücken und einem | |
> Lichtblick. | |
Bild: Hart gerungen, mittelmäßiges Ergebnis: COP-Verhandler | |
SCHARM AL-SCHEICH taz | In vielen Gesichtern paart sich die Erleichterung | |
mit Erschöpfung und Hunger: Die Weltklimakonferenz [1][COP 27 im | |
ägyptischen Scharm al-Scheich] ist am frühen Sonntagmorgen zu Ende | |
gegangen. Nach zwei durchverhandelten Tagen und Nächten fiel im Plenarsaal | |
„Nofretete“ endlich der Hammer. Ein großes Live-Publikum hatten die | |
Regierungen und ihre Diplomat:innen dafür nicht mehr. Der Gipfel hätte | |
planmäßig am Freitagabend enden sollen. Viele der zivilgesellschaftlichen | |
und medialen Beobachter:innen waren im Laufe des Samstags abgereist. | |
Stunde um Stunde verzögerte sich das Abschlussplenum. In der hart | |
umkämpften Abschlusserklärung steht nun wieder drin, dass die Regierungen | |
sich zu dem Ziel bekennen, die Erderhitzung bei 1,5 Grad gegenüber | |
vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Sie wiederholen auch die Feststellung | |
aus ihrer letztjährigen Erklärung, dass dafür die Kohlenutzung | |
heruntergefahren werden muss. | |
Das bedeutet aber auch, dass die wenigen Ölländer sich wieder durchgesetzt | |
haben. Nicht beschlossen wurde nämlich, dass ein Abschied von fossilen | |
Energieträgern im Allgemeinen nötig ist. Dieser Vorschlag von Indien fand | |
sich trotz breiter Unterstützung schon in keinem der vorab kursierenden | |
Beschlussentwürfe. | |
Die ägyptische Gipfelpräsidentschaft, die selbst zum Abschluss von | |
Gas-Deals am Rande der Verhandlungen aufrief, hatte ihn trotz breiter | |
Unterstützung schlicht nicht aufgenommen. Strikt gegen die Formulierung | |
waren auch Ölländer wie Saudi-Arabien. | |
## “Hoffnung und Frustration liegen nahe beieinander“ | |
Scharm al-Scheich löste sich damit nicht vom alten Ritual der Klimagipfel: | |
Die 200 Staaten streiten sich darum, ob in Abschlusserklärungen stehen | |
darf, was ohnehin alle wissen. Ein Ausstieg aus der Nutzung von Kohle, Gas | |
und auch Öl ist schließlich die logische Konsequenz aus dem 1,5-Grad-Ziel. | |
“Hoffnung und Frustration liegen nahe beieinander“, sagte | |
[2][Bundesaußenministerin Annalena Baerbock] (Grüne) kurz nach Abschluss | |
der Verhandlungen. | |
Die ägyptische Präsidentschaft ging bei der Navigation der Verhandlungen | |
intransparent vor. Lange legte sie überhaupt keine Beschlussentwürfe vor, | |
an denen sich die Verhandler:innen hätten entlanghangeln können. Als es | |
dann zum Ende der zweiten Verhandlungswoche endlich welche gab, ähnelten | |
diese eher losen Ideensammlungen als professionellen Verhandlungstexten. | |
Das änderte sich kurz vor Gipfelende. | |
Denkbar ist, dass die Expert:innen des UN-Klimasekretariats Ägypten | |
unter die Arme gegriffen haben. Das Abschlussplenum musste auf Bitte der | |
Schweiz unterbrochen werden: „Wir haben keine Zeit bekommen, die | |
Abschlusserklärung zu lesen“, beklagte dessen Landesvertreter. | |
Auch sonst waren die Rahmenbedingungen auf dem Gipfel schwierig: In der | |
ersten Verhandlungswoche beschwerten sich Teilnehmer:innen etwa über zu | |
teures Essen und ständig leere Wasserspender. Ein kleines, trockenes | |
Sandwich kostete an den Essensständen umgerechnet mehr als 10 Euro. | |
## Die am schlechtesten organisierte Weltklimakonferenz | |
Ägypten reagierte und bot ab der Mitte des Gipfels einen Rabatt auf Essen | |
sowie kostenlose Limonaden an. Während der Tag und Nacht laufenden | |
Abschlussverhandlungen wurde das Gelände inklusive der allermeisten | |
Essensstände allerdings schon abgebaut. In der Wüstenstadt Scharm | |
al-Scheich ist das ein besonderes Problem, denn die Wege zum nächsten | |
Geschäft sind kilometerweit und das Leitungswasser kann man nicht trinken. | |
Viele in den Fluren sprechen von der am schlechtesten organisierte | |
Weltklimakonferenz, die es je gab. | |
Trotz aller Widrigkeiten hat die Konferenz einen Durchbruch erzielt: Es | |
wird einen Fonds geben, aus dem bei Schäden und Verlusten durch den | |
Klimawandel geschöpft werden kann. Das ist eine jahrzehntealte Forderung | |
armer Länder, besonders der kleinen Inselstaaten. | |
Wenn durch die Klimakrise beispielsweise eine Flut ganze Landstriche mit | |
sich reißt oder eine Dürre die Ernte ausfallen lässt, sollen arme Länder | |
Zugriff auf die internationalen Mittel haben. Die Industriestaaten haben | |
bei dem Thema traditionell blockiert. Sie haben Angst, dass Zahlungen | |
juristisch als Schuldeingeständnis gewertet werden könnten und eine Haftung | |
für die ganze Klimakrise nach sich ziehen könnten – was praktisch | |
unbezahlbar wäre. | |
Erstmals stand das Thema in Scharm al-Scheich auf der Tagesordnung einer | |
Weltklimakonferenz. Von Anfang an wurde dazu festgehalten, dass es nicht um | |
Haftungsfragen gehe. Dennoch traten die Verhandlungen anderthalb Wochen auf | |
der Stelle. Die USA waren strikt gegen eine Zahlungsverpflichtung. | |
Deutschland ließ mit Unterstützung der anderen G7-Staaten einen „Globalen | |
Schutzschirm gegen Klimarisiken“ an den Start gehen, bei dem es um die | |
Etablierung von Versicherungen gegen Klimaschäden geht. Das löste | |
grundsätzlich Lob, aber auch Verwirrung aus: Sollte es sich vielleicht um | |
ein Alternativprogramm und damit eine implizite Absage an einen Fonds für | |
den Katastrophenfall handeln? | |
## Eigener Vorschlag der EU | |
Erst kurz vor Ende der Konferenz kam die EU mit einem eigenen Vorschlag zu | |
einem Fonds – und brachte die große Geopolitik auf den Klimagipfel. Sie | |
störte sich an der üblichen Unterteilung der Staaten in Industrie- und | |
Entwicklungsländer. Nach der müssen Erstere zur Klimafinanzierung | |
beitragen, Letztere haben Anspruch auf Zahlungen. | |
Bundesaußenministerin Baerbock gehört zu den lautstarken Kritiker:innen | |
dieser Logik. Das Geld solle nicht an die gehen, „die nur noch auf dem | |
Papier Entwicklungsländer sind“, sagte sie noch am Freitagnachmittag. | |
Deutlicher Adressat: China, mittlerweile Wirtschaftsmacht und weltgrößter | |
Emittent – aber laut der Klimarahmenkonvention von 1992 kein Industrieland. | |
Mit ihrem Vorhaben sind Baerbock und der Rest der EU in Scharm al-Scheich | |
vorerst gescheitert. Die Frage wird in ein Komitee ausgelagert, das die | |
Details zu dem Fonds im kommenden Jahr klären soll. Auch wenn vieles noch | |
vage ist: Dass es überhaupt einen Fonds geben soll, sorgt bei | |
Klimaschützer:innen aus dem Globalen Süden für seltenes Lob nach einer | |
Weltklimakonferenz. „Die COP 27 hat erreicht, was keine andere COP vorher | |
erreicht hat“, sagte Mohamed Adow, Chef von Power Shift Africa. | |
Beim Eingrenzen künftiger Schäden und Verluste, also beim eigentlichen | |
Klimaschutz, kam hingegen nur eine schwache Einigung zustande. UN-Chef | |
António Guterres kritisierte die Regierungen deshalb scharf. Die Welt | |
befinde sich „auf der Autobahn in die Hölle“, hatte er schon zum Auftakt es | |
Gipfels gesagt. Dieses Urteil revidierte er nach Abschluss der | |
Verhandlungen nicht. „Der Planet ist in der Notaufnahme“, sagte der | |
Portugiese. „Wir müssen die Emissionen dramatisch verringern. Das | |
anzugehen, hat die Klimakonferenz versäumt.“ | |
20 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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