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# taz.de -- Erste Frau als WM-Schiedsrichterin: Geübte Vorreiterin
> Stéphanie Frappart leitet das Spiel der Deutschen gegen Costa Rica. Sie
> ist die erste Frau, die bei einer Männer-WM pfeift. Nicht alle finden das
> gut.
Bild: Respektsperson: Stéphanie Frappart als Vierte Offizielle beim Spiel Mexi…
Doha taz | 42 der insgesamt 64 WM-Partien werden absolviert sein, wenn sich
draußen in al-Khor, eine Stunde nördlich von Doha, eine kleine Revolution
in der langen Turniergeschichte ereignen wird. Nach mehr als 92 Jahren
WM-Fußball wird erstmals eine Frau auf dem Rasen anwesend sein, wenn zwei
Männerteams gegeneinander spielen.
Das Spiel zwischen Deutschland und Costa Rica am Donnerstagabend (20 Uhr,
ARD) wird von der Französin Stéphanie Frappart geleitet. Endlich, dürften
manche Beobachter sagen. Denn es war schon etwas seltsam, dass vor dem
Turnier erstmals Frauen in das Team One berufen wurden, die zunächst jedoch
allenfalls als Vierte Offizielle zum Einsatz gekommen waren.
Im Fifa-Jargon ist „Team One“ die offizielle Bezeichnung für das Ensemble
aus insgesamt 129 Unparteiischen bei diesem Turnier, dem sechs Frauen
angehören. Drei von ihnen sind dafür qualifiziert, WM-Partien zu leiten:
Salima Mukansanga (Ruanda), Yoshimi Yamashita (Japan) und eben die
Französin Frappart, die nun für einen Moment im Fokus der Fußballwelt
stehen wird. Angst macht ihr das nicht. „Ich war die erste Schiedsrichterin
in Frankreich, die erste in Europa, jedes Mal die Erste. Ich weiß damit
umzugehen“, sagte sie vor Turnierbeginn dem englischen Sportportal The
Athletic.
Die 38 Jahre alte Unparteiische pfiff schon über 50 Spiele auf hohem
europäischen Männerniveau in der Ligue 1, sie war zweimal in der Champions
League und in sechs Europa-League-Partien im Einsatz. Eine geeignetere
Kandidatin für diesen historischen WM-Moment gibt es damit nicht, zumal sie
auch unter Spielern einen guten Ruf hat.
Pierre Bouby, ein ehemaliger Mittelfeldspieler des Zweitligaklubs US
Orléans, sagte einmal über Frappart: „Sie ist die beste Schiedsrichterin
in der Ligue 2. Ihre Stimme ist leise, aber sie hat Charisma und
Persönlichkeit. Sie ist diplomatisch, und man kann mit ihr reden. Sie
versucht nicht, sich in den Mittelpunkt zu stellen.“
Zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel hatte [1][Pierluigi Collina, der Chef der
Fifa-Schiedsrichterabteilung,] schon angedeutet, dass die Nominierung einer
Frau für eines der Spiele kommen würde, auch wenn die Funktionäre dann
recht lange zögerten. Die erstmalige Berufung von Frauen ins Team One sei
„der Beweis dafür, dass die Qualität und nicht das Geschlecht“
ausschlaggebend sei, hatte er gesagt. „Sie verdienen es, dabei zu sein,
weil sie konstant sehr gute Leistungen erbringen.“
## Spielen und pfeifen
Die Erste, die die ganz große Bühne betritt, ist nun Frappart, die ihre
Liebe zum Fußball als Zuschauerin bei den Amateurspielen ihres Vaters
entdeckte. „Samstags spielte ich selbst, sonntags pfiff ich Spiele, seit
ich 13 war“, sagt sie, „aber als ich anfing, Sport zu studieren, war das
irgendwann zu viel Sport.“ Also konzentrierte sie sich auf die Arbeit mit
der Pfeife, die mit der Berufung für das finale Gruppenspiel der Deutschen
gekrönt wird – eine Partie, die ganz gut passen könnte.
Denn zumindest die meisten Spieler der DFB-Elf haben bereits Erfahrungen
mit Schiedsrichterinnen gemacht. [2][Bibiana Steinhaus-Webb hat etliche
Bundesligapartien geleitet], eine Frau auf dem Platz ist nichts Neues für
Thomas Müller, Manuel Neuer oder Niklas Süle.
Der ehemalige Weltklasseschiedsrichter Urs Meier ist sich dennoch relativ
sicher, dass hinter der Einladung der Frauen zu dieser WM eher strategische
Überlegungen stecken als fachliche. Als Meier Anfang der Woche auf Frappart
angesprochen wurde, fragte er sich in seinem Podcast: „Wenn sie in
Frankreich selbst noch nicht die Nummer zwei oder die Nummer drei ist,
warum bietet man sie dann auf? (…) Es ist nicht das Leistungsprinzip.“
In Meiers Augen hätten eher auf internationalem (Männer-)Niveau erfahrenere
Leute wie der Deutsche Deniz Aytekin berufen werden sollen, um die Qualität
der Schiedsrichterarbeit möglichst hoch zu halten. Wobei Meier schon
findet, dass die Leistungen der Unparteiischen bislang sehr gut sind.
Grobe Fehler sind selten, die Videoassistenten arbeiten relativ
unauffällig. „Auch die Linie, die gefahren wird zwischen dem Schutz der
Spieler und dem Bemühen, die Spiele laufen zu lassen, ist eine gute
Mischung“, so Meier. Das heißt allerdings, dass die Latte für Frappart
relativ hoch liegt. Aber das ist sie ja gewohnt als Frau, die sich seit
vielen Jahren sich in einer Männerdomäne behaupten muss – nicht nur
gegenüber den Spielern, sondern auch im Kampf gegen Vorurteile.
30 Nov 2022
## LINKS
[1] /Lange-Nachspielzeiten-bei-der-WM/!5894122
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## AUTOREN
Daniel Theweleit
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