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# taz.de -- Schiedsrichterin Steinhaus hört auf: Vorzeigefrau im Keller
> Der Abgang von Bibiana Steinhaus macht ein großes Problem im
> Schiedsrichterwesen sichtbar. Eine Chance hat nur, wer sich an das
> Männersystem anpasst.
Bild: Blumen zum Abschied: DFL-Chef Christian Seifert bedankt sich bei Bibiana …
Als Bibiana Steinhaus im September 2017 als erste Frau ein Spiel der
Fußball-Bundesliga leitete, glaubte der gastgebende Klub Hertha BSC, er
habe sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Denn von Anfang an bot die
Frage „Was hältst du von Bibiana Steinhaus?“ den Fußballeliten die
Möglichkeit, ihre Aufgeschlossenheit, Toleranz und Modernität unter Beweis
zu stellen. Hertha ist das nur leidlich geglückt. Man verkaufte zur
Premiere von Steinhaus Karten zum halben Preis, ausschließlich an Frauen
und zwar genau 250 der 74.000 möglichen Tickets.
Zum Abschied am Mittwoch in München wurde Steinhaus noch einmal die ganz
große Bühne bereitet. Man teilte ihr das Supercup-Finale zwischen Bayern
München und Borussia Dortmund zu und überschüttete sie mit Komplimenten.
„Sensationell gut“ habe sie [1][ihre Sache in der Bundesliga] gemacht,
lobte Bayern-Coach Hansi Flick. DFB-Präsident Fritz Keller bedauerte ihr
frühzeitiges Karriereende, hob ihre Persönlichkeit und ihre Pionierrolle in
einer Männerdomäne hervor und erklärte: „Ich hoffe dennoch sehr, dass
[2][viele weitere Schiedsrichterinnen] den Profi- genauso wie den
Amateurfußball bereichern werden.“
Mit Bibiana Steinhaus verliert der deutsche Männerfußball ein lieb
gewonnenes Feigenblatt. Dass die 41-Jährige von der Bildfläche verschwindet
und künftig nur noch als Videoschiedsrichterin in den berüchtigten Kölner
Keller hinuntersteigen wird, lässt den Ligabetrieb wieder altbacken und
rückständig aussehen. Riem Hussein und Katrin Rafalski pfeifen lediglich in
der Dritten Liga.
## Systemkonformer Haarschnitt
[3][In einem Podcast] erzählte die sehr wortgewandte Steinhaus jüngst, dass
sie in ihrer Schiedsrichterinkarriere nie die Frauenkarte spielen wollte.
Um nicht aufzufallen, ließ sie sich in den ersten Jahren gar die Haare kurz
schneiden. Sie passte sich dem Männersystem an. Ihr Leitmotiv war, nur die
Leistung, nicht das Geschlecht solle zählen.
Dass ihr aber trotz Bestnoten in den Bewertungsbögen der Zweiten Liga lange
Zeit der Aufstieg nach ganz oben verwehrt wurde, ertrug sie mit
erstaunlicher Gelassenheit. Sie habe sich damals bereit gefühlt, erzählte
sie einst, die anderen seien es eben noch nicht gewesen. Hätte Steinhaus
aus ihrem Leistungsdenken Forderungen abgeleitet, wäre das ihrer Karriere
vermutlich nicht gut bekommen.
Es fällt auf, auch andernorts in dieser Branche sind Frauen nicht
aufgestiegen, weil sie laut dafür gekämpft haben und Diskriminierungen im
System problematisiert hätten, sondern weil man an ihnen nicht mehr
vorbeikam. Die ZDF-Reporterin Claudia Neumann hielt einmal ausdrücklich
fest, sie sei keine Feministin.
Wenn DFB-Präsident Fritz Keller nun Bibiana Steinhaus zum Vorbild kürt, hat
das etwas Zweischneidiges. Denn ihr Aufstieg war nur möglich, weil sie in
einer von Männern dominierten Welt die Ruhe bewahrte und wartete, bis
endlich einmal ihre Leistungen anerkannt wurden. Dem DFB sollte eher daran
gelegen sein, sich von dieser Kultur der Gönnertums zu lösen, als auf
anpassungsfähige Steinhaus-Nachfolgerinnen zu hoffen. Diese sind derzeit
ohnehin weit und breit nicht in Sicht.
Ein erster Schritt wäre es vielleicht, die Schiedsrichterkommission, die
über Auf- und Abstiege der Kolleg:innen entscheidet, um Bibiana Steinhaus
zu bereichern. In diesen mächtigen Elitezirkel hat es bislang auch noch
keine Frau geschafft. Der deutsche Nationalspieler İlkay Gündoğan schrieb
einst mit feiner Ironie zum Debüt von Bibiana Steinhaus: „Es haben also
alle Angst, dass eine Frau ihre Sache nicht so gut macht wie die Männer,
über die sie sich jede Woche aufregen?“
1 Oct 2020
## LINKS
[1] /Fussball/!5199141
[2] /Karriere-als-Schiedsrichterin/!5464970
[3] https://teamlisa.podigee.io/
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Kolumne Press-Schlag
Schiedsrichter
Frauen
Fifa
American Pie
Kolumne Erste Frauen
Schwerpunkt Rassismus
Schiedsrichter
Fußball
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