# taz.de -- Fußball-Schiedsrichter vor dem Abgang: Letzte Pfiffe | |
> Manuel Gräfe hat die Altersgrenze für Schiedsrichter erreicht. Er würde | |
> gerne weiterpfeifen, doch der DFB verweist den unbequemen Referee des | |
> Feldes. | |
Bild: Fingerzeig: Manuel Gräfe gibt die Richtung vor | |
KÖLN taz | Nachdem Manuel Gräfe am vergangenen Samstag die | |
Bundesliga-Partie zwischen dem SC Freiburg und der TSG Hoffenheim | |
abgepfiffen hatte, wollte kaum jemand über das Endergebnis von 1:1 | |
sprechen. Viel mehr ging es um die Zukunft des Unparteiischen. Freiburgs | |
Christian Günter meinte: „Der Herr Gräfe ist einer der besten | |
Schiedsrichter in Deutschland, wenn nicht sogar der beste. Und ich glaube, | |
da muss man mal drüber nachdenken, ob so jemand nicht auch ein bisschen | |
länger noch Schiedsrichter sein darf.“ | |
Hintergrund: Manuel Gräfe ist 47 und hat damit die Altersgrenze für | |
DFB-Schiedsrichter erreicht. Er selbst hat in den vergangenen Tagen gesagt, | |
er würde gern noch eine Saison dranhängen, und beim DFB seine Bitte | |
offiziell hinterlegt. Doch während eines digitalen Gipfeltreffens mit den | |
DFB-Schiedsrichter-Offiziellen um Chef Lutz Michael Fröhlich wurde Gräfe | |
und den ebenfalls aus Altersgründen ausscheidenden Markus Schmidt und Guido | |
Winkmann die DFB-Entscheidung mitgeteilt: Es bleibt dabei, im Sommer ist | |
Schluss. | |
Beim DFB ist man der Meinung, mit 47 seien die Durchschnittswerte bei | |
Fitness und Reaktionsvermögen so stark eingeschränkt, dass die Referees dem | |
Bundesliga-Tempo nicht mehr gewachsen sind. Gräfe will sich damit nicht | |
abfinden. Gegenüber der „Sportschau“ sagte er: „Die Schiedsrichterei hat | |
sich in den letzten Jahren in vielen Bereichen rund um das Feld wie zum | |
Beispiel beim Trainerstab, den Physiotherapeuten sowie der Administration | |
positiv weiterentwickelt und auch dadurch hat sich die körperliche | |
Leistungsfähigkeit der Schiedsrichter verbessert. Bis jetzt fühle ich mich | |
persönlich fit und konnte selbst dem Tempo aller schnellen Top-Spiele | |
dieser Saison problemlos folgen.“ | |
Nach Ansicht des 1,97 Meter großen Referees, der seit 2004 | |
Bundesliga-Spiele leitet, wäre eine flexiblere Handhabung der Altersgrenze | |
zeitgemäß: „Es geht meines Erachtens letztlich darum, dass die aktuell | |
Besten auf dem Platz stehen.“ Dass der Berliner einer der Besten ist, | |
dürfte unstrittig sein. Die Bundesliga-Profis haben ihn und Deniz Aytekin | |
in den vergangenen Jahren regelmäßig zu den mit Abstand besten Referees der | |
Liga gewählt. | |
## Steile Karriere | |
Gräfe sagt von sich selbst, er sei ein „Gerechtigkeitsfanatiker“. In der | |
Jugend war er Defensivspieler an der Seite Robert Kovacs für den Berliner | |
Stadtteilklub Rapide Wedding. Er habe sich häufig geärgert über die | |
fehlende Fußballkompetenz vieler Schiedsrichter und ihr arrogantes | |
Verhalten. Also wählte er für sich nach der A-Jugend den Job an der Pfeife, | |
absolvierte einen Trainerschein und begann ein Studium, Geschichte und | |
Sport. Aber immer wichtiger wurde eines: die Schiedsrichterei. | |
1999, mit 26, wurde er DFB-Schiedsrichter, zwei Jahre später pfiff er | |
Zweitligaspiele, ab 2004 Bundesliga. Von 2007 an durfte er für die Fifa | |
international ran. 2010/11 wurde Gräfe vom DFB als „Schiedsrichter des | |
Jahres“ ausgezeichnet. Gräfe hatte die Karriereleiter des DFB bis zur | |
Spitze erklommen. Das hat sich ausgezahlt. Aktuell verdient ein | |
Bundesliga-Schiedsrichter im Jahr bis zu 150.000 Euro. | |
Aber: Gräfe wurde nie liebstes Kind des DFB. Das begann, als er 2005 das | |
Treiben des damals aufstrebenden Schiedsrichters Robert Hoyzer im | |
Wettskandal aufgedeckt hat. Er recherchierte die wesentlichen Fakten um | |
Hoyzers Bestechlichkeit, die auch Schiri-Kollege Felix Zwayer belasteten. | |
Auch dieser soll Bestechungsgelder angenommen haben. Als Zwayer später nach | |
abgesessener Sperre vom DFB auffällig protegiert wurde, fragte Gräfe im | |
Tagesspiegel: „Wie kann ein Mann mit solch einer Vergangenheit diese | |
Karriere machen?“ 2017 kritisierte Gräfe [1][in einem Interview] mit der | |
gleichen Zeitung die damaligen Schiri-Chefs Helmut Krug und Heribert | |
Fandel, warf ihnen Mauschelei und Intransparenz bei der | |
Schiedsrichter-Auswahl vor. | |
[2][Das Echo in der Branche war gewaltig], die Dinge wurden neu | |
strukturiert, neuer Chef wurde Lutz Michael Fröhlich. Gedankt wurde Gräfe | |
aber mitnichten – ganz im Gegenteil. Als der [3][Videoassistent] im Kölner | |
Keller eingeführt wurde, hat man Gräfe für den eigentlich prädestinierten | |
Job nicht berücksichtigt. | |
Nun scheint es, als sei man beim DFB nicht traurig, Gräfe endlich | |
loszuwerden. Am 22. Mai wird er sein letztes Bundesligaspiel pfeifen. Wenn | |
sich nicht doch noch die Bundesligaprofis mit ihren Appellen durchsetzen. | |
Es gibt auch rechtliche Bedenken gegen die Altersgrenze. Ulf Baranowsky, | |
Chef der Spielergewerkschaft VDV, sagt: „Nicht nur im Sport sind | |
Altersbeschränkungen im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz | |
problematisch. Eine solche Regel widerspricht auch dem Leistungsprinzip.“ | |
Die Geschichte scheint noch nicht ganz zu Ende zu sein. | |
28 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesspiegel.de/sport/bundesliga-schiedsrichter-manuel-graefe-e… | |
[2] /Konflikt-unter-Fussball-Schiedsrichtern/!5435945 | |
[3] /Videobeweis-in-der-Bundesliga/!5461823 | |
## AUTOREN | |
Olaf Jansen | |
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