Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Stromversorgung in Lwiw: Gedankenströme in der Dunkelheit
> Kein Licht, kein Handy, keine Nachrichten, dafür aber Spazierengehen in
> der Innenstadt: Eindrücke aus dem westukrainischen Lwiw.
Bild: Lwiw nach einem Stromausfall am 15. November
Ein Bekannter aus Mariupol hat mir erzählt, wie er fast einen Monat lang im
Bombenschutzraum verbracht hat. Seine Stadt wurde dem Erdboden
gleichgemacht, es gab keinen Strom und keine Heizung, kaum Wasser und
Essen.
Aber das, was ihm und seiner Familie am meisten gefehlt habe, seien
Informationen gewesen. Als es in Lwiw nach russischen Raketenangriffen
einen halben Tag weder Strom noch Telefonverbindungen gab, spürten die
Menschen hier zum ersten Mal seit Kriegsbeginn, was es bedeutet,
voneinander und von der restlichen Welt abgeschnitten zu sein.
Ich wanderte durch die Stadt in der Hoffnung, irgendwo Handyempfang zu
haben, um Mitteilungen zu verschicken und die Nachrichten zu lesen.
Als ich nach erfolgloser Suche wieder nach Hause kam, nahm ich zum ersten
Mal nach Jahren den Hörer des nutzlosen, wie es mir lange schien,
Festnetztelefons zur Hand.
## Am Abend vor der Oper
Abends kamen viele Lwiwer auf den Platz vor der Oper. Licht gab es nur von
den vorbeifahrenden Autos. Es war ein bisschen unheimlich. Etwas
aufmunternd wirkte ein Saxofonspieler und die Gastfreundschaft eines
Buchhändlers, der die Leute noch nach Ladenschluss in sein Geschäft ließ.
Dort gab es aus auch für ihn unerfindlichen Gründen noch Strom und sogar
Internetzugang.
An diesem Abend wurden Stromversorgung und Mobilfunkverbindungen wieder
hergestellt. Aber die russischen Angriffe gingen weiter.
Die Behörden bitten immer wieder darum, [1][Strom zu sparen], besonders in
den Hauptverbrauchszeiten morgens und abends. Jedes Mal, wenn ich jetzt das
Licht oder den Wasserkocher einschalten will, frage ich mich: „Ist das
wirklich gerade nötig?“ Man warnt uns davor, dass lange Abschaltungen
möglich sein können.
Wenn der Strom ausfällt, solle man Taschenlampen und Kerzen vorrätig haben.
Zum Heizen benutzen manche Menschen in Lwiw Gasöfen, die noch aus der
Habsburger Zeit stammen. Einige von ihnen können alternativ auch mit Holz
beheizt werden. Zum Kochen gibt es Gasflaschen und Gasherde.
Im Internet wird darüber nachgedacht, Zelte in den Wohnungen aufzustellen,
wenn es sehr kalt wird. Von Panik ist dennoch nichts zu spüren.
Man trauert um die Toten und Verletzten, man ist müde und gereizt wegen all
der Unvorhersehbarkeiten – bei der Arbeit und zu Hause. Aber die Empörung
überwiegt, und sie wächst mit jeder neuen Gemeinheit der Angreifer. Und
ebenso überwiegt der hartnäckige Glaube an den Sieg des Lebens und des
Guten.
„Es passiert nichts Schlimmes, auch wenn man [2][mal ein paar Monate ohne
Strom aushalten muss]“, sagt mir Irina, die aus dem besetzten Cherson
geflüchtet ist, und hier jetzt als Lehrerin und Freiwillige arbeitet.
„Ich glaube daran, dass ich wieder nach Hause komme – und darum kann ich
ruhig schlafen.“
Aus dem Russischen [3][Gaby Coldewey]
Finanziert wird das Projekt von der [4][taz Panter Stiftung].
Ein Sammelband mit Tagebüchern ist im Verlag [5][edition.fotoTAPETA]
erschienen.
16 Nov 2022
## LINKS
[1] /Energieversorgung-in-der-Ukraine/!5893141
[2] /-Nachrichten-im-Ukrainekrieg-/!5881205
[3] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[4] https://shop.taz.de/product_info.php?products_id=245248
[5] https://www.edition-fototapeta.eu/
## AUTOREN
Rostyslav Averchuk
## TAGS
Kolumne Krieg und Frieden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Strom
Energieversorgung
Internetzugang
Lwiw
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kolumne Krieg und Frieden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kolumne Krieg und Frieden
Kolumne Krieg und Frieden
Kolumne Krieg und Frieden
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ukrainische Gesellschaft und der Krieg: Kämpfen als einzige Option
Wie hat sich die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges
verändert? Einige persönliche Gedanken aus ukrainischer Perspektive.
Stromausfall in der Ukraine: Seine eigene Arzthelferin sein
Wenn in der Ukraine der Strom ausfällt, ist es nicht einfach nur dunkel.
Auch medizinische Versorgung funktioniert nicht mehr. Ein
Erfahrungsbericht.
Zerstörte Stromversorgung in Kiew: Leben mit dem Blackout
Russland zerbombt gezielt die Stromversorgung der Ukraine. In Kiew hat man
gelernt, mit den Ausfällen umzugehen – am besten in der Pizzeria.
Ukrainer lehnen Russisch ab: Zur eigenen Sprache überwechseln
Der Krieg entfremdet Ukrainer und Russen sehr schnell voneinander. Immer
mehr russischsprachige Ukrainer wollen jetzt kein Russisch mehr sprechen.
Unabhängigkeitstag in der Ukraine: Ohne Heizung und Strom
An diesem Mittwoch feiert die Ukraine ihre Unabhängigkeit. Doch mehr als
das bewegt die Menschen die Frage, ob sie den nächsten Winter überstehen.
Neue Volkslieder in der Ukraine: Die eigene Stimme wiederfinden
Seit Beginn des Kriegs haben Musiker in der Ukraine neue Lieder
geschrieben. Diese verdrängen die englischen und russischen Songs aus den
Charts.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.