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# taz.de -- Russischer Abzug aus Cherson: Das Narrativ vom Rückzug
> Die „historische Mission der Befreiung“ umsetzen: Russische Offizielle
> beschreiben die jüngste Niederlage der russischen Armee als Zeitgewinn.
Bild: Zur Lage: Surowikin (l.), Kommandeur der russischen Armee, und Verteidigu…
Moskau taz | Cherson, war da was? Das russische Staatsfernsehen ist
schmallippig, wenn es um den [1][Rückzug der russischen Streitkräfte aus
der einzigen Gebietshauptstadt der Ukraine] geht, die sie seit Februar
überhaupt erobert hatten. Der Abzug vom wichtigen Brückenkopf in der
Südostukraine ist nicht die Hauptmeldung in den Nachrichtensendungen. Fast
beiläufig erscheinen da die Berichte über den „glatten Rückzug“, stets m…
dem Zusatz, Cherson sei laut russischer Verfassung russisch. Auch der
Kremlsprecher Dmitri Peskow meint, „gesetzlich“ sei ja „alles definiert�…
Nach Fake-Referenden hatte der russische Präsident Wladimir Putin Cherson
und drei weitere ukrainische Regionen im Oktober zu Subjekten der
Russischen Föderation erklärt. Die jüngste Niederlage aber lässt er lieber
andere verkünden: In einem inszenierten Fernsehauftritt erklärt Sergei
Surowikin, der Kommandeur der russischen Armee in der Ukraine, dem
russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu, die Lage am rechten Ufer
des Flusses Dnipro sei „aussichtslos“. Bereits bei seiner Ernennung vor
einem Monat hatte Surowikin davon gesprochen, „schwierigste Entscheidungen“
nicht auszuschließen.
Die Armee wie auch die Bevölkerung in Russland waren so auf den Rückzug
vorbereitet worden, [2][zumal Truppen und Befehlsstäbe tagelang verlegt]
und Menschen, die Besatzungsverwaltung, Museen, Archive und selbst der Zoo
ans linke Dniproufer evakuiert worden waren. Bezahlt wird nun wieder in
der ukrainischen Währung Hrywnja – und nicht mehr mit russischem Rubel.
Es war kein plötzlicher Abgang wie vor einigen Wochen in Charkiw. So fiel
auch die Reaktion gedämpfter aus als nach der dortigen russischen
Niederlage. Selbst Militärblogger, Propagandist*innen und „Feldherren“
wie der Tschetschenienführer Ramsan Kadyrow und der Gründer der
Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, reagierten eher gelassen. Es war
nicht mehr die große Wut auf die Militärführung zu spüren, sondern nur noch
von einem notwendigen Schritt die Rede.
## Die gewohnte Realitätsverweigerung
Die Propagandist*innen stricken derweil an der Legende, der Rückzug
sei eine militärische Notwendigkeit, um Menschenleben zu retten. „Es war
eine schwierige, aber eine richtige Entscheidung“, sagte Dmitri Kisseljow,
der Leiter der staatsnahen russischen Medienholding Rossija Segodnja, in
seinem Wochenrückblick „Westi Nedeli“ am Sonntag. „Das Naziregime in der
Ukraine rührt sich noch, aber unsere Methoden, das Land im Dunkeln zu
lassen, funktioniert. Die Zeit spielt für uns“, sagte er gewohnt zynisch
und ließ Bilder aus dem abendlichen Kiew einblenden, das nicht beleuchtet
ist. Sein grobschlächtiger Propagandakollege Wladimir Solowjow wiederholte
in seiner Abendsendung bei Rossija 1 die Worte von einer „schwierigen
Prüfung in diesem Krieg des Westens gegen Russland“.
Nach der Behebung von Fehlern, meinte er, werde Russland nach Cherson
zurückkehren – „und nicht nur dorthin“ –, „um unsere historische Mis…
erfüllen und die Ukraine zu befreien“. Es ist die gewohnte
Realitätsverweigerung, getränkt mit Menschenverachtung. „Wir werden mit
ihnen bis zum letzten Geschoss kämpfen, und ich hoffe, dass uns diese
Geschosse nie ausgehen“, raunte die RT-Chefin Margarita Simonjan bei
Solowjow.
Der Fall Cherson, bei dem die Russen behaupteten, Russland sei „für immer“
hier, zeigt, wie irrsinnig die Anerkennung der Gebiete als russisch war und
wie wenig solche vermeintlichen Gewissheiten überhaupt zählen. Das aber
interessiert weder die Propagandist*innen noch die russische
Bevölkerung. Die meisten Menschen halten sich weiterhin an ihre
Überzeugung, die Führung werde schon wissen, was sie tue. Und wenn Cherson
nun aufgegeben werde, dann sei auch das richtig oder laufe eben „nach
Plan“, wie ihnen der Kreml seit Februar – nicht ohne Erfolg – einzubläuen
versucht.
15 Nov 2022
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## AUTOREN
Inna Hartwich
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