# taz.de -- Basketballerin aus Belarus: Dank einer Großen aus dem Exil | |
> Alena Leutschanka ist eine der Symbolfiguren der Protestbewegung in | |
> Belarus. Nun hat die Basketballerin ihre Karriere beendet. | |
Bild: Alena Leutschanka im Trikot der Auswahl von Belarus bei der WM 2010 | |
Es waren Worte, wie sie nur eine wahre Größe des Sports wählen kann, wenn | |
sie abtritt. Es war ein großes Dankeschön an den Basketballsport, den Alena | |
Leutschanka da formuliert hat. „Lieber Basketball“, so beginnt sie, „wir | |
sind uns begegnet, als ich zehn Jahre alt war. Es war vielleicht keine | |
Liebe auf den ersten Blick, aber als ich gemerkt habe, dass sie echt ist, | |
waren wir 28 Jahre lang unzertrennlich. Du hast ein junges Mädchen aus | |
einer kleinen Stadt in Belarus träumen lassen.“ | |
Nun spielt sie also nicht mehr, und in ihrer Heimat denken viele Menschen | |
dabei nicht allein an ihre sportlichen Erfolge, ihre zwei Meisterschaften | |
in Russland, [1][das Finale der US-Profiliga WNBA], das sie 2010 mit | |
Atlanta Dream erreicht hat, und den dritten Platz mit der Auswahl von | |
Belarus bei der EM 2007, seit der sie als eine der weltbesten Spielerinnen | |
auf der Center-Position galt. Für sie ist Leutschanka auch deshalb eine der | |
größten Sportlerinnen der Gegenwart, weil sie für mehr stand als für Sport. | |
Sie ist eine der Ikonen der Widerstandsbewegung, die sich nach den | |
gefälschten Präsidentschaftswahlen im August 2020 formiert hat. Sie ist auf | |
die Straße gegangen, bei Protestzügen vorneweg marschiert. Ihre | |
Popularität hat sie dabei nicht vor dem Zugriff durch die Sicherheitskräfte | |
geschützt. Am 30. September 2020 ist sie verhaftet und für 15 Tage | |
weggesperrt worden, weil sie sich an den Protesten gegen Staatschef | |
Alexander Lukaschenko beteiligt hatte. | |
Zuletzt stand Leutschanka bei Panathinaikos Athen in Griechenland unter | |
Vertrag. Gespielt hat sie nur noch selten. Immer wieder hatte sie mit | |
Verletzungen zu kämpfen. Das ist nun vorbei. Dennoch wird sie in | |
Griechenland bleiben. „Als ich vor zwei Jahren ins Flugzeug gestiegen bin, | |
hätte ich nicht gedacht, dass dieses Land mir einmal so nah sein wird“, | |
meint sie nun. Ihr gehe es, wie es so vielen Menschen aus Belarus gehe, die | |
im Exil gelandet seien. Ja, ihr gehe es gut und doch denke sie immer wieder | |
an die politische Situation in Belarus und den Krieg Russlands gegen die | |
Ukraine, an dem ihr Heimatland mitwirkt. | |
## Risiko in Hochform | |
In einem längeren Interview für den Youtube-Kanal TschestnOK, erklärt | |
Leutschanka noch einmal, wie sie zur Kämpferin für Freiheit und Demokratie | |
geworden ist, warum sie ihre Karriere ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu | |
dem sie in Hochform war, aufs Spiel gesetzt hat. „Das war in diesem Moment | |
für mich einfach die richtige Entscheidung. Ich habe erst mal nicht über | |
die Folgen nachgedacht.“ | |
Und so gehörte sie schnell zu den prominentesten Unterzeichnerinnen jenes | |
offenen Briefes von Sportlerinnen und Sportlern, die Wahlfälschungen | |
angeprangert und die massive Polizeigewalt im Land kritisiert hatten. Sie | |
war Mitgründerin von „SOS-BY“, der Vereinigung „Freie Sportler:innen von | |
Belarus“. Bis heute setzt sie sich für Menschen aus dem Sportbetrieb ein, | |
die in Konflikt mit den Sicherheitsbehörden in Belarus geraten. | |
So machte sie Anfang Oktober auf das Schicksal des ehemaligen Torhüters der | |
belarussischen Fußballnationalmannschaft Wasil Chamutowski aufmerksam. Der | |
wurde jüngst wegen der Beteiligung an den Protesten 2020 verhaftet. | |
Chamutowski, der als Torwarttrainer in Bukarest arbeitet und seit zwei | |
Jahren im Exil lebte, war in seine Heimat zurückgekehrt, um sich einer | |
Operation am Knie zu unterziehen. Nach der Einreise wurde der kritische | |
Athlet umgehend in Gewahrsam genommen. Leutschanka tut von Griechenland aus | |
alles, damit auch im Westen die Erinnerung an die Proteste in Belarus vom | |
Sommer 2020 nicht in Vergessenheit gerät. | |
Und die kritische Sportszene in Belarus tut in diesen Tagen nach dem | |
Karrierenende von Leutschanka alles, um die Bedeutung der Basketballerin | |
für die Protestbewegung im ganzen Land noch einmal zu unterstreichen. | |
[2][Die Aufbruchstimmung, die damals herrschte] und von der auch wegen des | |
Kriegs gegen die Ukraine nur noch so wenig zu spüren ist, wird da noch | |
einmal in Erinnerung gebracht. In den Social-Media-Kanälen der Belarussian | |
Sports Solidarity Foundation, einer NGO, die kritische Sportler, die aus | |
dem System gedrängt worden sind, unterstützt, wird an Zitate von | |
Leutschanka aus den Protesttagen erinnert. „Wir sind auf die Straße | |
gegangen und haben unsere Nachbarn kennengelernt“, ist einer dieser | |
unvergessenen Sätze, der den Zusammenhalt der Communities in dieser Zeit so | |
gut auf den Punkt bringt. | |
Auch ihre Abschiedssätze werden in die belarussische Sportgeschichte | |
eingehen, ihr Dankeschön an den Basketball: „Danke dafür, dass du mich ein | |
Leben lang geformt hast, mir beigebracht hast, wie man steht und wie man | |
aufsteht. Danke dafür, dass du es mir ermöglicht hast, die Welt zu sehen, | |
Freunde kennenzulernen und dafür, dass du mir beigebracht hast, dass | |
Sportlerin zu sein wichtiger ist, als einfach nur Sport zu treiben. Nun | |
trennen sich unsere Wege, aber ich weiß, dass wir uns eines Tages | |
wiedersehen werden.“ | |
23 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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