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# taz.de -- Geschönte Sicht auf die Dinge: Alles halb so wild!?
> Der taz Panter FC freut sich über Spiele ohne Eigentor, Medien bejubeln
> den verpassten Erdrutschsieg der Republikaner. Irgendwas ist immer gut.
Bild: „Republikaner verpassen Erdrutschsieg“. Ja, und die Demokraten haben …
Was lange zehrt, wird endlich gut. All die Mühe scheint sich doch zu
lohnen. Noch nie konnte ich so glücklich Bilanz ziehen wie in dieser
schönen Woche. Denn das, wofür wir jahrelang im Schweiße unseres
Altensackgesichts und Seite an Seite mit starken Frauen gekämpft haben,
geht wundersamerweise in Erfüllung.
Die optimistische Weltsicht und die in der Satzung von 2018 verankerte
Überlebenseinstellung des taz Panter FC setzt sich auf ganzer Linie durch.
Was wurden wir belächelt und mitleidig aufgemuntert, die müden Schultern
schmerzten schon vom Klopfen.
Und nun, siehe da, betrachten plötzlich alle die Welt wie wir nach einem
0:10. Immerhin die ersten zehn Minuten ohne Gegentreffer überstanden und
kein einziges Eigentor im ganzen Spiel! Keine Verletzten! Und deutlich
besser als in der Vorsaison beim 0:12! Wadenkrämpfe ja, Weinkrämpfe nein!
So halten es jetzt auch die bisher stets zu traurigem Jammern aufgelegten
Medienschaffenden in Deutschland. Was auch immer passiert, und sei es noch
so niederschmetternd, irgendwas ist trotzdem gut und liefert Grund zur
freudigen Erleichterung.
## Das aufgeregte TV-Publikum darf aufatmen
Gewinnt beispielsweise eine Partei, die lügt, betrügt und von einem
rechtsradikalen Narzissten angeführt wird, nicht ganz so hoch wie vorher
befürchtet, lässt der neue Politsender ProSieben das aufgeregte Publikum
aufatmen: „Trumps Republikaner verpassen Erdrutschsieg“. Ja, und die
Demokraten haben diesmal kein Eigentor geschossen!
Okay, bei ProSieben sind sie halt sehr bescheiden, da wurden sogar
stolpernde Kanzlerkandidatinnen von ihren FragestellerInnen begeistert für
ihre Anwesenheit beklatscht. Aber die neue positive Haltung teilen alle.
„Rote Welle bleibt aus“, entwarnt Zeit Online metaphorisch Bezug nehmend
auf die republikanischen Vereinsfarben, die seltsamerweise sozialistisch
aussehen, aber das Gegenteil bedeuten. Es gibt „Kein Chaos, keinen
Durchmarsch“, beruhigt tagesschau.de, dafür „ein ermutigendes Signal“ (l…
Tagesspiegel).
## Es hätte ja schlimmer kommen können
Auch in der taz rollt „Keine Trump-Lawine“. Am schönsten bringt es das
Schweizer Journal 21 auf den Punkt: „Die rote Welle ist kein Erdrutsch“.
Und es stimmt ja, bisher floss kein Blut, nichts stürzte ein und alles
hätte schlimmer kommen können.
Ob der aufstrebende, smarte Trump-Rivale Ron DeSantis sogar noch
gefährlicher sein mag als der irre Alte, werden wir früh genug erfahren.
Ich verdränge auch lieber noch ein bisschen, dass der Vorletzte Panter FC
am Montag auf den Tabellensiebten trifft. Und wo wenig Hoffnung ist, hilft
jeder kleinste Schimmer, auch wenn man keine blasse Ahnung hat, was er
verheißt.
Verständlicherweise freuten sich diese Woche viele über den ukrainischen
Landgewinn in Cherson. Nicht nur die Frankfurter Rundschau sah darin einen
„neuen Rückschlag für Russland“. Auch wenn Putins Rückzug vielleicht nur
eine fiese Falle ist, um per Staudammsprengung den ganzen Landstrich zu
überfluten. Aber die Meldung machte doppelt Mut, denn so erfuhr man auch,
dass die gute alte FR offenbar ebenfalls weiter durchhält.
So können wir es alle schaffen! Auch innenpolitisch jagt in dieser
segensreichen Woche eine gute Nachricht die nächste: „Regierung erwartet
2023 Rückgang der Inflation“, frohlockt ntv.de, relativiert das im
Kleingedruckten leicht, behält aber auch da die pantereske Contenance: „Die
Inflation bleibt hoch, soll im kommenden Jahr aber nicht so dramatisch
ausfallen wie befürchtet.“ Nur 7,4 Prozent, na dann.
## 50 Euro mehr – besser als nix
Wer sich trotz allem weiter finanzielle Sorgen machen muss, wird mit
kleinen Tricks getröstet: Hartz IV heißt seit Donnerstag offiziell Twix,
und 50 Euro mehr ist besser als nix.
Summa summarum könnte es keine schönere Stimmung geben, um voller
Zuversicht [1][die wochentaz zu starten], den taz-Gründungsauftrag in neuer
Form weiterzuerfüllen – und die Suche nach einem Atomendlager kritisch zu
begleiten. Die dauert nach neuester Verlautbarung doch noch länger als bis
2031. Gut! Wir haben also einen langfristigen Daseinszweck, vielleicht
nicht für ewig, aber länger als befürchtet.
12 Nov 2022
## LINKS
[1] /Egal-war-gestern/!vn5891036
## AUTOREN
Lukas Wallraff
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Kolumne Der rote Faden
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