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# taz.de -- Konzert von Love Machine in Berlin: Meine Männerfantasien
> Mit Wet Beard und Belly Show: Ein Auftritt der Band Love Machine im Urban
> Spree bezeugt Schwerstarbeit im Umgang mit toxischer Männlichkeit.
Bild: Die Band Love Machine post mit einer Schlange aus Stoff
Irgendwann im Sommer lief mir ein sonniger Penis über den Weg. Ja, Sie
haben richtig gehört, und so was gibt's nicht nur in Berlin, sondern sogar
in Düsseldorf. Die dort ansässige Band Love Machine wagte es, sich den
neuzeitlichen Anspruch, Männer sollen mal ihre Körper und Gefühle erkunden,
auf eigene Weise anzueignen.
Denn was macht man, wenn man der toxischen Pädagogik des Patriarchats
entkommen möchte und trotzdem Rocker ist? In ihrem Song Solar Phallus
überwiegen statt Härte und Kraft Metaphern des fluiden Berauschenden: „Das
Blut fließt in das Meer“. Applaus, Applaus!
Im Video lassen sie eine Frau lippensynchron den Text performen, während
die Bandmitglieder in hautengen Glitzeranzügen zu sehen sind. Ich fühlte
mich also eingeladen, meinen Männerfantasien nachzugehen und dieses
Universum Love Machine auszukundschaften; um ein Universum handelt es sich,
denn angefangen hat alles als Krautrockband, mit Songtiteln wie Sun
Paradox, Starhship Traffic, Earth Again und To the Universe.
An einem Samstag im November stellten sie im [1][Urban Spree in Berlin]
ihre neue Platte Alles OK vor. Neugierig betrachte ich das Publikum. Wie
viel Spielraum hat man, Männlichkeit ästhetisch neu zu definieren? Wäre ich
ein Mann, hätte ich gewiss einen Schnauzer… glaube ich.
## Kriege, Konsum und Grenzregime
Die Männer der Love Machine gehen auf die Bühne und machen die Beine breit:
Rocker, die Nerds spielen, die Hippies sein wollen,… oder andersherum. Zwar
nicht barfuß, wie noch auf dem ersten Albumcover zu sehen, aber wer möchte
schon in dunklen Kaschemmen die Bühne vorher staubsaugen, um nicht wie die
kleine Meerjungfrau mit blutigen Füßen dazustehen.
Die neue Platte ist politischer, nicht mehr so verträumt psychedelisch wie
zu ihren Anfängen, sondern endzeitdurchgedreht. Es geht nicht mehr um
Sonne, Mond und Sterne, sondern um Kriege, Konsum und Grenzregime: „Zeit
und Geld … wohin damit, wenn mir hier nichts gefällt.“
Endlich zieht der Sänger sein T-Shirt aus, lässt Kaskaden von Bier über
sein Gesicht und den Rauschebart laufen und bietet uns eine Wet Beard und
Belly Show. Man merkt, dass er sich ins Publikum hinein kuscheln möchte,
als er sich auf dem bier-sintflutlichen Boden herum rollt.
## Von allen guten Geistern verlassen
In ihrem Video zum Song Hauptbahnhof sehen wir einen Mann durch die von
Sexshops beleuchteten Straßen laufen, einsam und verunsichert. Dabei wird
nicht der Fehler begangen, eine Szene mit halbnackter Frau reinzuquetschen,
um mit ein bisschen Sexyness die Stimmung zu heben, sondern unser Blick
konzentriert sich auf den von allen guten Geistern des Patriarchats
verlassenen Mann, den keine Frau mehr errettet.
Ohne ihre Videos, in denen Männlichkeit immer gebrochen ist, im Licht einer
Rockhallen-Diskokugel, sind Gesten und Körpereinsatz der Band auf der Bühne
immer noch Rockergesten.
Aber was soll man machen: Es ist nicht ihre Schuld, wenn man die Energie,
die sie auf die Bühne bringen, unbedingt männlich liest. Bewundernd muss
ich sagen, dass die Band elegant zwischen heiligem Krautrock-Ernst und
Spinal Tap-Spassband hin- und herchargiert, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu
verlieren.
Sie hatten es nicht leicht mit einem von Corona eingerosteten Publikum und
man wünscht sich die Band fast in einem kleineren Raum, ebenerdig, während
Schweiß und Bier von Band zu Publikum hin- und herspritzt und am Ende von
der Decke tropft. „I tried my best to beee, what you want me to beee“,
schreit der Sänger am Ende wiederholt ins Mikro und man möchte ihm „Happy
Wife, Happy Life“ mit Lippenstift auf den von Haaren wundervoll umrankten
Bauch schreiben.
Also, ich als feministische Männerversteherin war bestens unterhalten und
gebe das Prädikat: geil.
18 Nov 2022
## LINKS
[1] /Berlins-Spielplatz-der-Subkultur/!5870041
## AUTOREN
Sarah Diehl
## TAGS
Ausgehen und Rumstehen
Musik
Konzert
Männlichkeit
Feminismus
Schwerpunkt Stadtland
Musik
Coronaleugner
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