# taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Blicke nach Brasilien und Korea | |
> Ein Programm im Filmmuseum Potsdam widmet sich der bedrohten Cinemateca | |
> Brasileira. Und im Babylon ist das 4. Korea Independent Filmfestival zu | |
> Gast. | |
Bild: „Parasite“ (2019), Regie: Bong Joon-ho | |
Der 27. Oktober ist der UNESCO Welttag des audiovisuellen Erbes, den das | |
Filmmuseum Potsdam (in Zusammenarbeit mit dem Masterstudiengang | |
Filmkulturerbe der Filmuniversität Babelsberg) zum Anlass nimmt, den Blick | |
mit zwei Programmen in Richtung Brasilien zu lenken. Denn die Cinemateca | |
Brasileira, die größte Filmsammlung in Lateinamerika, ist gleich zweifach | |
bedroht. | |
Zum einen brannte 2021 ein Lagerhaus der Cinemateca in São Paulo ab und | |
zerstörte viele analoge Filmkopien. Zum anderen tobt in Brasilien ein | |
Kulturkampf, den die extrem rechte Regierung des Noch-Präsidenten Bolsonaro | |
unter anderem dadurch befeuert, dass sie Kulturinstitutionen die | |
Finanzierung entzieht. Die Cinemateca musste zwischenzeitlich für fast zwei | |
Jahre geschlossen werden. | |
Der Film „lost+found – Fernanda Coelho“ von Diogo Cavour und Thiago Ortman | |
porträtiert eine Archivarin der Cinemateca Brasileira, die dort mehr als 30 | |
Jahre tätig war und von ihrer Arbeit sowie der Geschichte des Archivs | |
erzählt. Im Kurzfilm „Digital Ashes“ bezieht sich der Medienkünstler Bruno | |
Christofoletti Barrenha wiederum direkt auf die verschiedenen Feuer, die | |
die Cinemateca im Lauf der Jahre heimsuchten. | |
Hier sind digitale Fragmente zu sehen, deren analoge Quellen bei Bränden | |
zerstört wurden. Im Anschluss an das Filmprogramm gibt es ein Gespräch mit | |
der Archivwissenschaftlerin Fabiana Ferreira. Ein zweites Kurzfilmprogramm | |
(Beginn 20.30 Uhr) beschäftigt sich mit Regisseurinnen in der | |
Militärdiktatur während der Zeit von 1964 bis 1985 (27. 10., 18.30 Uhr & | |
20.30 Uhr, [1][Filmmuseum Potsdam]). | |
Einen der besten Filme der letzten Jahre drehte Bong Joon-ho mit „Parasite“ | |
(2019), der jetzt noch einmal für einige Termine im Babylon Mitte zu sehen | |
ist. Darin erzählt der südkoreanische Regisseur von den unterschiedlichen | |
Welten zweier Familien, die in einem Haus aufeinander treffen. | |
Die vierköpfige Familie Kim ist arm, Vater und Mutter leben mit ihren | |
beiden inzwischen erwachsenen Sprösslingen in einer heruntergekommenen | |
Souterrainwohnung, sie alle schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durchs | |
Leben. Die ebenfalls vierköpfige Familie Park hingegen ist reich, sie | |
bewohnt ein tolles Architektenhaus. Die Kameraeinstellungen betonen die | |
Symmetrie und das Platzangebot, alles ist hell, großzügig und chic designt. | |
Doch dann bekommt der Sohn der Kims einen Job als Englischlehrer der | |
halbwüchsigen Tochter der Parks und bringt kurzerhand auch den Rest seiner | |
Familie dort als Bedienstete unter. Mit bitterbösem Humor seziert die | |
Satire das Sozialgefälle der Gesellschaft, betont dabei in der Inszenierung | |
das Oben und Unten: etwa die unter Straßenniveau gelegene Wohnung der Kims, | |
bei der im Sturzregen die Welt untergeht, oder den Keller im Haus der | |
Parks, den die Reichen nie betreten und in dem sich schon bald versteckte | |
Räumlichkeiten und weitere Geschichten eröffnen. | |
Mit der Zeit wird dann immer unklarer, wer hier eigentlich die | |
titelgebenden „Parasiten“ sind: die Armen, die sich bei den Reichen | |
eingenistet haben? Die Reichen, die mit sorgloser Blödheit und | |
selbstverständlicher Überheblichkeit auf Kosten der Gesellschaft leben? | |
Oder wird das Haus immer wieder von wechselnden Parasiten befallen (27. | |
10., 22.30 Uhr, 29. 10., 22.45 Uhr, 31. 10., 20 Uhr, 1. 11., 22.15 Uhr, | |
[2][Babylon Mitte])? Man könnte „Parasite“ auch als eine Art hochrangiges | |
Begleitprogramm interpretieren, denn vom 1. bis 10. November findet im | |
Babylon Mitte auch das [3][4. Korea Independent Filmfestival] statt, das | |
mit Lee Woo-Jungs „Snowball“ eröffnet wird, einer Adaption des | |
gleichnamigen Romans der Schriftstellerin Lim Sol-ah, die von drei | |
18-jährigen Freundinnen erzählt, die mit unterschiedlichen Konsequenzen aus | |
ihrem bisherigen Leben ausbrechen. Der Film lief bereits auf dem Festival | |
von Busan, wo er gute Kritiken bekam (1. 11., 19 Uhr, 3. 11., 19.30 Uhr, | |
[4][Babylon Mitte]). | |
27 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.filmmuseum-potsdam.de/Spielplan-index.html | |
[2] https://babylonberlin.eu/ | |
[3] https://kulturkorea.org/de/veranstaltungen?kategorien=22 | |
[4] https://babylonberlin.eu/ | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
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