# taz.de -- Horrorfilm in Dixiklo: Dicke Luft im Innenraum | |
> Lukas Rinkers Spielfilmdebüt „Ach du Scheiße!“ bringt äußerst | |
> blutrünstigen Horror in ein Baustellen-Dixi-Klo. Das ist bekloppt und | |
> sehr witzig. | |
Bild: Jetzt braucht der Architekt Frank Lamm starke Nerven | |
Mit dem Gebrauch von Fäkalsprache ist es so eine Sache. Wie man sich dazu | |
als Journalist stellt, ist Haltungsfrage. Ausnahme wäre ein Zitat, in dem | |
ein Kraftwort sinnvoll nicht zu umgehen ist. Bei einem Film wie „Ach du | |
Scheiße!“ etwa. Als Titel ein Witz, wie ihn jemand irgendwann einmal machen | |
musste. | |
Das Langfilmdebüt des deutschen Regisseurs Lukas Rinker spielt mit diesem | |
Ausruf erstaunten Missfallens in erwartbarer Form. Immerhin ist der Ort der | |
Handlung ein Dixi-Klo. In dem erwacht der Architekt Frank Lamm | |
(professionell panisch: Thomas Niehaus) zu Beginn, ohne recht zu wissen, | |
warum. | |
Kurz zuvor war noch die Achtzigerjahre-Band Münchener Freiheit mit ihrem | |
Hit [1][„Ohne dich“] zu hören gewesen, dazu tanzte eine halbnackte Frau mit | |
Bauarbeiterhelm (Erotikmodel Micaela Schäfer), doch diese Bilder erweisen | |
sich als feuchter Traum: An der Klowand hängt über Franks Kopf ein | |
ebensolches Bauarbeiter-Pin-up-Foto. | |
## Autsch, ein Arm ist aufgespießt | |
Franks echte Lage ist weniger angenehm. Das Klo ist umgekippt, durch die | |
untere Wand hat sich eine verrostete Metallstange gebohrt, wie sie auf | |
Baustellen oft aus Betonfundamenten ragen. Diese Stange hat Franks Arm | |
aufgespießt, was unschön anzusehen ist, seinen Bewegungsraum stark | |
einschränkt und für wiederkehrende Schmerzensschreie des Protagonisten | |
sorgt. Hinzu kommt, dass ihm rasch klar wird, dass er auf einer Baustelle | |
feststeckt, auf der bald gesprengt werden soll. | |
Aus der Ferne hört man Blasmusik und die Mikrofonansprache eines Mannes | |
(diabolisch jovial: Gedeon Burkhard), der sich als Horst und als | |
Bürgermeister in spe des Örtchens Blasstetten vorstellt. Vor allem aber | |
plant dieser Horst ein Luxushotel auf dem Grund, der für Frank zur Falle | |
geworden ist. | |
In wenigen Minuten droht die Sprengung des alten Gebäudes, das dafür | |
weichen soll. Horst fragt über Mikrofon wiederholt nach Frank, dem | |
Architekten des Projekts, der sich aus den bekannten Gründen nicht | |
bemerkbar machen kann. | |
## Probleme beim Umweltschutz | |
Wie Rinker in flüchtigen Rückblenden erzählt, lag bei Frank schon längst | |
einiges andere im Argen. Für seine Arbeit hat er seine Freundin Marie (Olga | |
von Luckwald) vernachlässigt, was Horst für seine Zwecke ausnutzen will. | |
Und mit Horst gab es am Vorabend eine Auseinandersetzung, die für Frank in | |
der gegenwärtigen misslichen Position endete. Zudem sind bei dem Bauprojekt | |
anscheinend nicht alle rechtlichen Dinge geklärt, besonders beim | |
Umweltschutz. | |
Seinen beengten Innenraum verlässt der Film praktisch nie, ohne dass der | |
Einfall überreizt wirken würde, was eine Leistung für sich ist. Damit | |
variiert Rinker Ideen wie die des [2][Horrorthrillers „Buried“ (2010) von | |
Rodrigo Cortés], der in einem Sarg unter der Erde spielt. Und wie Frank in | |
seiner Not sich so gut es geht zu helfen versucht und dabei immer | |
erfinderischer wird, liefert genug krasse Situationskomik, wie das von | |
schwarzem Humor getragene Drehbuch überhaupt für einige gute Pointen sorgt. | |
Weniger elegant gelingt Rinker die zum Finale angestrebte Eskalation. Da | |
wird in Sachen Drastik zwar leidlich das Körperverletzungspotenzial von | |
Baustellengerät ausgeschöpft, der um Plausibilität ohnehin nur begrenzt | |
bemühten Geschichte hilft dieser Wille zur Derbheit jedoch kaum. | |
Andererseits: [3][Ist der eigentliche Horror nicht das Klo selbst], dieses | |
Gehäuse aus durchscheinend mattem Plastik, im schlechtesten Fall versifft, | |
ein Raum, den man allein aus olfaktorischen Gründen so schnell wie möglich | |
wieder verlassen möchte, wenn es sich denn nicht vermeiden lässt, ihn zu | |
betreten? Lukas Rinker hat dessen Genretauglichkeit jedenfalls überzeugend | |
erprobt. | |
21 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=SoZ8naG0sj0 | |
[2] /Klaustrophobie-im-Horrorfilm/!5133261 | |
[3] /Kolumne-Psycho/!5541220 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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