# taz.de -- Neue Regierung in Italien: Roms Gruselkabinett | |
> So seriös sie sich geben mag – die Wahl ihrer MinisterInnen enthüllt | |
> Melonis Absichten. Frauen, Queers und Flüchtenden stehen harte Zeiten | |
> bevor. | |
Bild: Auf zur ersten Kabinettssitzung: Italiens neue Ministerpräsidentin Giorg… | |
Giorgia Meloni ist am Ziel. Die neue Ministerpräsidentin Italiens übernahm | |
am Sonntag die Amtsgeschäfte von ihrem Vorgänger Mario Draghi. Es ist eine | |
radikale Wende: Nach Draghi, dem Chef einer von fast allen Parteien | |
getragenen Notstandsregierung, der Person gewordenen Garantie für die | |
Zuverlässigkeit Italiens in Europa, kommt jetzt die Anführerin einer stramm | |
rechten Koalition, die Chefin der postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI | |
– Brüder Italiens) ans Ruder. | |
Doch trotz ihres Triumphs, trotz des klaren Wahlsiegs vor vier Wochen und | |
der dann erfolgten [1][schnellen Regierungsbildung], vermeidet Meloni jedes | |
Triumphgeheul. Auf ihrem Spielplan steht nicht die Inszenierung einer | |
radikal rechten Wende, sondern ein vor allem für das internationale | |
Publikum, für Europa, für die Finanzmärkte komponiertes Stück: Rom bleibt | |
seriös und zuverlässig. | |
Zwar scheiterte Meloni mit ihrem Ansinnen, Schlüsselpositionen wie das | |
Außen- und das Finanzministerium an parteilose Technokraten mit | |
internationalem Renommée zu vergeben – niemand ihrer Wunschkandidaten fand | |
sich bereit; stattdessen kamen ihre Koalitionspartner von Forza Italia und | |
der Lega in den beiden Ressorts zum Zug. | |
Doch anders als sein Parteichef [2][Silvio Berlusconi] ist der neue | |
Außenminister Antonio Tajani ein Mann, der sich – als früherer EU-Kommissar | |
und EP-Präsident – den Ruf erarbeitete, klar proeuropäisch und in der | |
Ukrainekrise antirussisch positioniert zu sein. | |
## Alphamännchen in die Schranken gewiesen | |
Auch der neue Finanzminister Giancarlo Giorgetti von der Lega kann geradezu | |
als Gegenentwurf zu seinem [3][Parteichef Matteo Salvini] gelten: als | |
Politiker nicht des harten, ja hetzenden Auftritts, sondern als immer den | |
Kompromiss suchender Mann der leisen Töne, der sich nicht umsonst seiner | |
Freundschaft zu [4][Mario Draghi] rühmt. | |
Erfolgreich war Meloni auch damit, ihre beiden Koalitionspartner, die | |
Alphamännchen Berlusconi und Salvini, in die Schranken zu weisen. | |
Berlusconi wollte seiner Partei den Zugriff aufs Justiz- und aufs | |
Wirtschaftsministerium sichern. Die Justiz interessiert ihn, weil immer | |
noch Prozesse gegen ihn laufen, die Wirtschaft, weil das Ressort auch für | |
die Medien – und damit für sein TV- und Verlagsimperium zuständig ist. | |
Berlusconi ging leer aus. | |
Nicht gut lief es auch für Salvini, der gern das Innenministerium ergattert | |
hätte, um aus dieser Position das Revival seiner Politik der „geschlossenen | |
Häfen“ gegen Flüchtlinge und NGOs zu bringen, die er schon in seiner Zeit | |
als Innenminister in den Jahren 2018-19 umgesetzt hatte. Stattdessen wird | |
mit dem Präfekten Matteo Piantedosi jetzt ein Technokrat Chef des | |
Innenressorts. | |
## Kein Grund sich zu entspannen | |
Den Ball flach halten: Dies scheint, wie schon im Wahlkampf und direkt nach | |
dem Wahlsieg jetzt auch bei der Kabinettsbildung Melonis Richtschnur zu | |
sein. Radikal rechte Akzente setzt sie jedoch auch – dort, wo keine | |
unmittelbare Gefahr für Italiens Stabilität droht. So berief sie Eugenia | |
Roccella zur Ministerin für „Familie, Geburten, Gleichstellung“. | |
Die stramme Katholikin fiel vor allem mit ihrem Kampf gegen eingetragene | |
Lebenspartnerschaften und gegen die legale Abtreibung – in ihren Worten: | |
„Abtreibung ist kein Recht“ – auf. Die LBGTQI-Verbände sind entsetzt. Au… | |
der neue Bildungsminister Giuseppe Valditara verfolgt einen allzu klaren | |
Kurs. Auf sich aufmerksam machte er als Autor von Büchern wie „Immigration | |
– die große humanitäre Farce“ oder: „Das römische Reich, zerstört von… | |
Immigranten“. | |
Kein Grund also, sich entspannt zurückzulehnen: Giorgia Meloni mag auf | |
Samtpfoten daher kommen, sie mag eisern entschlossen sein, international | |
Schäden zu vermeiden, doch ihre reaktionäre Agenda bleibt intakt. | |
23 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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