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# taz.de -- Chancenaufenthaltsrecht im Bundestag: Union ätzt gegen Aufenthalts…
> Die Ampel will geduldeten Ausländern schneller eine Bleibeperspektive
> geben. Union und AfD kritisieren den Entwurf, der Linken geht er nicht
> weit genug.
Bild: Gibt Menschen eine Chance: Bundesinnenministern Nancy Faeser (SPD)
Berlin dpa | Das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht, das geduldeten
Ausländern [1][eine langfristige Bleibeperspektive eröffnen soll], stößt
bei der Opposition auf breiten Widerstand. Während CDU/CSU und AfD am
Mittwochabend bei der ersten Lesung im Bundestag vor Fehlanreizen und
Asylmissbrauch warnten, gehen der Linken [2][die Pläne der Ampel-Koalition]
nicht weit genug.
Von dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen integrierte Ausländer
profitieren, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland
leben. Wer am 1. Januar fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig
geworden ist, bekommt den Plänen zufolge ein Jahr Zeit, um die
Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen – dazu
gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen
Lebensunterhalts.
„Wir wollen, dass Menschen, die gut integriert sind, auch gute Chancen in
Deutschland haben“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und sprach von
einem „Neustart in der Migrationspolitik“. Der FDP-Politiker Stephan Thomae
ergänzte, im Jahr 2021 habe es 136.605 geduldete Ausländer gegeben, die
sich seit mehr als fünf Jahren in Deutschland aufhalten. „Wir wollen diese
Menschen von Hilfeempfängern zu Steuerzahlern machen.“
Der CDU-Abgeordnete Detlef Seif warnte hingegen vor Fehlanreizen [3][im
Asylsystem]. Das Gesetz sende das Signal aus: „Wer es geschafft hat, nach
Deutschland zu kommen, wird auch bleiben.“ Der innenpolitische Sprecher der
AfD-Fraktion, Gottfried Curio, klagte, Deutschland werde dadurch die Chance
genommen, „Asylbetrüger“ loszuwerden. „Rechtsbrecher werden von dieser
Regierung belohnt.“ Clara Bünger von der Linken bezeichnete die Pläne der
Ampel-Koalition unterdessen als „viel zu unambitioniert“. Zu wenige
Geduldete profitierten davon, weil die Anforderungen für ein dauerhaftes
Bleiberecht viel zu hoch seien.
## Beschleunigte Asylverfahren geplant
Die stellvertretende Unions-Fraktionschefin Andrea Lindholz (CSU) äußerte
generelle Bedenken gegen die Ampel-Pläne beim Aufenthaltsrecht. „Künftig
sollen Ausreisepflichtige bis 27 Jahre bereits nach drei Jahren Aufenthalt
und Schulbesuch in Deutschland ein Bleiberecht erhalten – damit entsteht
ein Bleiberecht für junge Leute unabhängig von ihrem tatsächlichen
Schutzanspruch“, kritisierte Lindholz. Das Ergebnis der Asylverfahren werde
dadurch in vielen Fällen irrelevant. „Das ist grotesk und produziert im
Zweifel Nachahmer, also noch mehr irreguläre Zuwanderung nach Deutschland.“
Ein weiteres Vorhaben, das auf die Beschleunigung der Asylverfahren
abzielt, soll nach Angaben aus Koalitionskreisen noch in diesem Jahr im
Bundestag beraten werden. Laut einem Referentenentwurf, der bereits zur
Stellungnahme an Länder und Verbände verschickt wurde, soll gleichzeitig
die sogenannte Regelüberprüfung abgeschafft werden.
Bei dieser Prüfung wird bisher nach einer bestimmten Frist automatisch
geschaut, ob es Gründe für einen Widerruf oder die Rücknahme der
Anerkennung der Asylberechtigung und die Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft gibt. Diese Überprüfung soll künftig – auch um das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu entlasten – nur noch
„anlassbezogen“ erfolgen.
Der Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sieht zudem die
Einführung einer behördenunabhängigen Beratung für Asylbewerber vor, die
vom Bund finanziell gefördert wird. Dazu heißt es, es sei beabsichtigt, die
Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege sowie
gegebenenfalls „weitere zivilgesellschaftliche Akteure“ mit der
Asylverfahrensberatung zu betrauen.
„Um den Ausländer bestmöglich auf die Anhörung vorzubereiten, soll die
behördenunabhängige Asylverfahrensberatung, wenn möglich, bereits vor der
Anhörung ansetzen“, schlägt das Bundesinnenministerium vor. Für das Jahr
2023 sind für die Förderung 20 Millionen Euro veranschlagt. Ab 2024 werde
mit einem jährlichen Finanzierungsbedarf in Höhe von 80 Millionen Euro
kalkuliert.
Es sei wichtig, die Asylverfahren deutlich zu beschleunigen, damit schnell
Klarheit darüber bestehe, wer in Deutschland bleiben könne und wer nicht,
sagte Thomae. Mit Blick auf die unabhängige Beratung von Asylbewerbern
stellten sich ihm aber noch einige Fragen, was Ablauf, Zuständigkeit und
die Finanzierung betreffe.
Ob das geplante Gesetz tatsächlich zu einer Beschleunigung der
Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren führen werde, müsse sich erst noch
erweisen, sagte Lindholz. Sie befürchte eher, „dass die Verfahren durch die
künftig staatlich geförderte behördenunabhängige Asylverfahrensberatung
noch weiter in die Länge gezogen werden“.
20 Oct 2022
## LINKS
[1] /Aufenthaltstitel-fuer-Geduldete/!5838992
[2] /Referentenentwurf-zur-Migration/!5856670
[3] /Schwerpunkt-Flucht/!t5201005
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