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# taz.de -- Versteigerung eines T-Rex-Schädels: Dino ist für alle da
> Ein T-Rex-Schädel soll für 20 Millionen Dollar verscherbelt werden. Ein
> Text über emotionalen Wert, Wissenschaft und die Absurdität von Besitz.
Bild: Dieser Tyrannosaurus-Schädel könnte bei einer Auktion in New York bis z…
Stell dir vor, du stirbst, 76 Millionen Jahre interessiert es niemanden,
und dann wird plötzlich dein Kopf für 20 Millionen verscherbelt. Wie das
New Yorker Auktionshaus Sotheby’s mitteilt, gibt es dort ab Dezember einen
T-Rex-Schädel zu ersteigern. Es soll einer der am vollständigsten
erhaltenen Schädel seiner Art sein, der jemals ausgegraben wurde. Gefunden
wurde der Schädel der Kreatur in South Dakota, in einer Gegend, in der
einst unzählige Arten von [1][Dinosauriern] lebten und die heute
entsprechend beliebt bei Forscher*innen und Paläontologie-Nerds ist.
Sotheby’s sagt, es erwarte einen Endpreis von bis zu 20 Millionen Dollar.
Nun stellt sich die Frage, warum etwas, das Jahrmillionen älter ist als die
Idee von Geld und Privatbesitz selbst, plötzlich von privat an privat
versteigert wird. Offenbar hat der gegenwärtige Tauschwert für Dinoknochen
jede Verhältnismäßigkeit hinter sich gelassen. Wie kommen Millionenpreise
für tote Tiere zusammen?
Wichtig dabei ist erst einmal ein gewisses Storytelling. Das gehört dazu,
wenn ein Auktionshaus die Sammelwut der Sammlerwelt aktivieren will.
Sotheby's spart nicht mit Superlativen. „Extrem selten“ sei dieser Fund und
der Verkauf ein „beispielloser Moment“. Es gibt dem Kopf sogar einen Namen:
„Maximus“, um diesem Ding aus der unvorstellbaren Vergangenheit eine
Persönlichkeit zu geben, irgendwo zwischen Haustier und Actionfigur, damit
irgendwo irgendjemandes Sammlerherz Millionen zu bluten beginnt. Das ist
also der emotionale Wert dieses Schädels.
Dabei ist der Name „Maximus“ alleine schon eine ziemlich verwegene
Behauptung. Erstens kann gar nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob diese
Dinosaurierin wirklich bio-männlichen Geschlechts war. Zweitens, weil
„Maximus“ recht imposant klingt. Wie der Tyrannosaurus Rex in der gängigen
Spielberg-Darstellung eben, dieses sehnig-dürre Echsenmonster mit ledriger
Haut, Tyrannenkönig unter den Urechsen. Neuere Theorien legen dabei nahe,
dass T-Rex ganz anders ausgesehen haben könnte. Zum Beispiel wie ein
riesiges fluffiges Federvieh. Aber für den Schädel eines „Entspannosaurus
Flausch“ mit dem Spitznamen „Furby“ gäbe es womöglich keine 20 Millione…
Wer weiß.
## Realer Nutzwert
Keine Übertreibung ist hingegen offenbar, dass der Schädel hervorragend
erhalten ist. Damit kommen wir zum realen Nutzwert für die Wissenschaft.
Während der Rest des Skeletts verwitterte, blieben „Maximus’“ Schädel-,
Kieferknochen und Zähne weitgehend erhalten, inklusive kleinster Knochen.
Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass dieser Dino vor schätzungsweise
76 Millionen Jahren gelebt haben soll. Deshalb ließe er sich besser
studieren als Exemplare, die verwittert oder nur in Teilen erhalten sind.
Paläontolog*innen lecken sich die gut erhaltenen Lippen.
Ein unschätzbarer Wert für die Wissenschaft also, und damit für die
Menschheit. Jedenfalls solange sie daran interessiert ist, die Welt, in der
sie lebt, besser zu verstehen. Trotzdem lassen die sagenumwobenen Preise,
die gegenwärtig für Dinoknochen angesetzt werden, jede vernünftige
Nutzwertberechnung weit hinter sich.
## Mythische Strahlkraft
Ähnlich wie bei Kunstwerken kennt der Sammlerwert von Gegenständen mit
mythischer Strahlkraft auf einem globalen Markt nach oben keine Grenzen. Im
vergangenen Jahr versteigerte die Konkurrenz beim Auktionshaus Christie’s
einen anderen South-Dakota-Dino für 31,8 Millionen Dollar. Das ist der
Rekord für die bislang lukrativste Dinosaurier-Auktion. Jener Dino hatte
den Spitznamen [2][„Stan“]. Schon knuddliger! Wer die knapp zweiunddreißig
Millionen genau überwiesen hat, ist Geschäftsgeheimnis, bekannt ist, dass
„Stan“ ab 2025 in einem neuen Naturkundemuseum in Abu Dhabi in den
vereinigten Arabischen Emiraten stehen wird.
Das ist ein vergleichsweise guter Ausgang einer solchen Auktion.
Wissenschaftler*innen warnen, dass der private Kauf und Verkauf von
wissenschaftlich relevanten Ausgrabungsstücken dazu führen könnte, dass
diese der Öffentlichkeit entzogen werden. Ähnlich wie bei Kunst neigen
Käufer*innen zwar dazu, ihre Stücke Museen als Dauerleihgabe zur
Verfügung zu stellen. Es ist aber denkbar, dass, wer immer sich „Maximus“
unter den Nagel reißt, das Ding in einem eigens dafür gebauten Keller
einschließt.
## Der Fall „Sue“
In den Neunziger Jahren gab es bereits eine entsprechende Kontroverse um
ein Dinoskelett namens „Sue“. Gefunden wurde es von Forscher*innen in –
Sie ahnen es – South Dakota, auf einem Flecken Land, das zu diesem
Zeitpunkt einem Mann namens Maurice Williams gehörte. Gleichzeitig befand
sich [3][„Sue“] auf einem Reservatsterritorium der Sioux. Maurice Williams,
selbst Mitglied der Sioux-Nation, stritt sich daraufhin jahrelang mit den
Behörden um die Besitzrechte, bis man sich schließlich einigte. Der Staat
South Dakota gestand Williams die Besitzrechte zu, mit der Einschränkung,
dass er zum Verkauf eine offizielle Erlaubnis brauchte. 1997 ging Sue für
8,4 Millionen US-Dollar an ein Museum in Chicago.
Was die Geschichte zeigt, ist die Absurdität von Besitz. Einerseits ist es
aus Sicht eines vor 76 Millionen Jahren verstorbenen Dinos recht drollig,
dass die Menschheit in der Zwischenzeit ein System erfunden hat, nachdem
jemandem der Erdboden gehören kann – inklusive drunterliegender Knochen.
Andererseits war der kapitalistische Besitzanspruch die beste Karte, die
der Sioux Maurice Williams gegen den kolonialen Besitzanspruch der USA
spielen konnte. Wiederum andererseits fragt sich, wer am Ende glücklich
ist, wenn der Gegenstand der Auseinandersetzung im Arabischen Golf landet –
oder im Keller von irgendeinem Mr. McMoney endet.
## Unglück für die Wissenschaft
Unglücklich in jedem Fall ist die Wissenschaft. Denn obwohl die
Forscher*innen diejenigen sind, die dafür sorgen, dass Dinoskelette
unbeschadet aus der Erde gehoben werden, sind sie die Leidtragenden des
globalen Millionenhandels mit ihren Funden. Gewinnaussichten und
Besitzstreitereien erschweren Ausgrabungsarbeiten auf privatem Land.
Das kritisierten Paläontolog*innen schon Ende der Neunziger. Daran
hat sich wenig geändert. So lange es theoretisch möglich ist, alles zu
kaufen und zu verkaufen, was auf, über oder unter jemandes privaten drei
Morgen Land liegt, muss man sich schlicht darauf verlassen, dass die
Käufer*innen mit ihrer Ware im besten Interesse der Gemeinschaft
umgehen.
11 Nov 2022
## LINKS
[1] /Palaeontologe-ueber-Suche-nach-Dinos/!5847422
[2] https://www.smithsonianmag.com/science-nature/t-rex-sold-318-million-and-pa…
[3] https://home.heinonline.org/blog/2021/11/sue-is-whose-the-controversial-sto…
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
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