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# taz.de -- Paläontologe über Suche nach Dinos: „Dinofunde in Alaska waren …
> Dinosaurier bevölkerten auch die kalten Polarregionen. US-Paläontologe
> Patrick Druckenmiller berichtet über die Dinos, die in der Kälte lebten.
Bild: Dinosaurier-Expedition im Denali National Park in Alaska
taz: Wenn ich an Fundstellen für Dinosaurierknochen denke, fallen mir Orte
wie China, Wyoming oder [1][die Sahara] ein. Aber Alaska …
Patrick Druckenmiller: Alaska und Dinosaurier scheinen wirklich auf den
ersten Blick nicht zusammenzupassen. Dinosaurier sind für die meisten
Menschen eher tropische Echsen, umgeben von Palmen und großer Wärme, so wie
heutige Reptilien. Deshalb wurde lange hier oben auch nicht nach Fossilien
gesucht. Die ersten Dinofunde in Alaska waren ein großer Zufall. Geologen
einer Ölfirma stießen in den 60er Jahren auf der Suche nach neuen Quellen
auf versteinerte Knochen – hoch oben im Norden von Alaska. Damals hielt man
sie für Überreste von prähistorischen Bisons oder Ähnliches und schenkte
ihnen kaum Aufmerksamkeit.
Man konnte sich einfach keine Polarsaurier vorstellen …
Genau, erst 20 Jahre später erkannte man, dass es sich um Saurierknochen
handelt. Paläontologen machten sich auf die Suche nach weiteren Spuren und
wurden schnell fündig. Aus heutiger Sicht ist das auch nicht sehr
überraschend. Inzwischen wissen wir, dass Dinosaurier keine wechselwarmen
Tiere waren wie heutige Eidechsen oder Schildkröten, sondern eher
[2][gleichwarm wie Vögel oder Säugetiere.] Somit konnten sie auch in
verschiedenen Klimazonen (über-)leben. Deshalb finden wir in Alaska keine
Spuren von Eidechsen oder Schildkröten, dafür aber von vielen Dinos, und
von kleinen Säugetieren oder Vögeln. Das unterstreicht die Unterschiede
zwischen diesen Spezies.
Ich habe ein paar Bilder Ihrer Expeditionen gesehen. Das sieht kalt,
matschig und ungemütlich aus.
In Wyoming oder Montana nach Dinosauriern zu graben, ist jedenfalls
einfacher. Unsere Ausgrabungen sind sehr teuer und brauchen viel
Vorbereitung. Wir graben in absoluter Wildnis. Dorthin gelangt man nur mit
dem Hubschrauber. Vor Ort sind wir mit Booten unterwegs. Die besten
Chancen, Fossilien zu finden, haben wir an den steilen Flussufern. Die
erheben sich dreißig Meter in die Höhe. Allerdings sind sie im Sommer sehr
instabil. Die Felsen werden durch das Eis nämlich zusammengehalten. Brechen
dort Stücke heraus, kann das tödlich für uns enden. Nur an sicheren Stellen
können wir klettern, in anderen Bereichen suchen wir am Ufer nach
heruntergefallenen Stücken. Auch das Wetter ist nicht besonders schön. Im
Sommer wird es dort vielleicht acht oder neun Grad warm. Der Wind ist
trotzdem ziemlich kalt, es regnet oft und die Region ist für seine Käfer
bekannt. Ach ja: Bären gibt es dort oben natürlich auch.
Hatten es die Dinosaurier vor 70 Millionen Jahren gemütlicher in Alaska?
Das heutige Alaska lag vor 70 Millionen Jahren deutlich weiter nördlich,
ganze sieben bis zehn Breitengrade. Damit lag die Region sehr nah am
Nordpol. Natürlich waren die globalen Temperaturen zu dieser Zeit deutlich
wärmer. Auch in dieser Region war es nicht so kalt wie heute, verändert hat
sich aber nicht der Neigungswinkel zur Sonne. Das heißt, die Winter waren
auch schon damals lang und kalt. Außerdem ist es in diesen Breitengraden
vier Monate lang komplett dunkel. Man spricht von den Polarnächten. Die
Dinosaurier mussten im Winter also mit Temperaturen um den Gefrierpunkt,
Schnee und absoluter Dunkelheit kämpfen. Im Sommer stiegen die Temperaturen
auf angenehme zehn Grad. Und noch ein entscheidender Unterschied: Anders
als heute gab es dort dichte Wälder und nicht nur Tundrasteppe.
Welche Arten von Dinosauriern haben Sie und Ihre Kollegen bisher in Alaska
gefunden?
Im Prinzip haben wir ähnliche Dinoarten entdeckt wie an [3][anderen
bekannten Saurierfundstellen] in Montana oder Alberta. Pflanzenfresser wie
Entenschnabelsaurier oder Verwandte des Triceratops, Fleischfresser wie
Dromaeosaurier, und auch ein Verwandter von Tyrannosaurus Rex war dabei.
Insgesamt haben wir etwa 14 oder 15 verschiedene Arten ausgemacht, groß,
klein, Fleischfresser, Pflanzenfresser. Vier davon haben wir bereits
benannt und wissenschaftlich beschrieben. Bei anderen haben wir gerade
genug Knochen, um eine ungefähre Tiergruppe auszumachen. Wir vermuten aber,
dass all diese Saurier nur in der Arktis vorkamen und sich deutlich von
ihren Verwandten weiter südlich unterschieden.
Hatten diese Dinosaurier einen dickeren Flaum oder eine dickere
Fettschicht?
Das können wir noch nicht genau sagen. Wir haben bisher nur Knochenstücke
und Zähne gefunden, nicht aber Federabdrücke oder Hautreste. Aber es gibt
andere Unterschiede, die wir ausgemacht haben. Ein Beispiel dafür ist ein
Verwandter des Troodon, ein gefiederter, ein bis zwei Meter langer
Raubsaurier. Hier lassen unsere Zahnfunde vermuten, dass der Verwandte aus
der Polarregion fast doppelt so groß war. Das ergibt auch Sinn: Besagt doch
die Bergmannsche Regel, dass gleichwarme Tiere in kälteren Regionen größer
sind als ihre nah verwandten Arten in wärmeren Regionen.
Sie und Ihre Kollegen haben auch versteinerte Knochen von Dinosaurierbabys
gefunden. Was ist an diesem Fund so spektakulär?
Versteinerte Überreste von Dinosaurierbabys sind extrem selten. Und in
Alaska hätten wir sie nicht unbedingt erwartet, vor allem nicht in dieser
Zahl. Wir haben insgesamt den Nachwuchs von sieben Arten ausgemacht. Das
ist extrem spannend, weil dieser Fund uns viel über das Leben der Dinos in
dieser kalten Region erzählt. Dinosaurier haben sich im Ei verhältnismäßig
langsam entwickelt und schlüpften vermutlich erst nach fünf oder sechs
Monaten. Die Weibchen müssen also die Eier im Frühling gelegt haben und im
Herbst kamen die Babys zur Welt. Damit wären sie viel zu klein, um lange
Wanderungen in wärmere Regionen zu machen.
Also blieben die Dinosaurier das gesamte Jahr über im hohen Norden?!
Genau daran gab es lange Zweifel. Man nahm an, dass die Saurier nur den
Frühling und Sommer im Norden verbrachten und spätestens im Herbst
weiterzogen. Diese Theorie haben wir mit diesem Fund widerlegt. Eine andere
Frage bleibt: Wie haben die kleinen Saurier diesen kalten und dunklen
Winter überlebt? Sie wurden ja nicht wie Säugetiere von der Mutter mit
Milch versorgt, sondern mussten selbst ihre Nahrung finden. Die
Pflanzenfresser mussten mit nicht sonderlich nahrhaften Pflanzen
klarkommen, Moosen, Farnen, vielleicht sogar Rinden oder Wurzeln. Kleinere
Arten könnten sogar Höhlen gegraben und Winterschlaf gehalten haben. Wir
haben dafür noch keine Beweise gefunden, aber wissen, dass nahe Verwandte
aus anderen Regionen zeitweise unter der Erde gelebt haben.
Gibt es noch viele Dinosaurier in Alaska und anderen Polarregionen zu
entdecken?
Wir sind hier oben auf einem ähnlichen Kenntnisstand wie in Montana oder
Wyoming vor 50 Jahren. Es gibt also noch sehr viel zu entdecken und es
warten sicher noch einige Überraschungen auf uns. Wir haben bisher schon 14
neue Arten ausgemacht, trotz eher kleiner Grabungen auf einer
überschaubaren Fläche. Wir suchen aber auch nach Vögeln, Säugetieren oder
Flugsauriern. Von Letzteren haben wir zwar Fußabdrücke gefunden, aber noch
keine Knochen.
Zum Abschluss würde ich gerne noch einen Brückenschlag zur globalen
Erwärmung machen. Was verrät uns die Rekonstruktion einer wärmeren
Polarregion über unsere Zukunft?
Eine spannende Frage. Tatsächlich zeigt uns die Arktis vor 70 Millionen
Jahren, wie eine wärmere Welt aussehen könnte. Heute leben dort Eisbären,
Füchse und viele andere Tiere, die an die niedrigen Temperaturen angepasst
sind. Ob sie in einer wärmeren Welt, vielleicht mit Wald in den
Polarregionen, klarkommen würden, ist fraglich. Trotzdem wird es dort Leben
und Artenvielfalt geben, nur in einer anderen Form, das ist sicher.
Wirklich beunruhigend ist allerdings die Geschwindigkeit, mit denen die
Temperaturen steigen und sich die Ökosysteme verändern. Die ist nämlich
deutlich schneller als bei einem natürlichen Veränderungsprozess innerhalb
des Klimas.
1 May 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Birk Grüling
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