# taz.de -- Protest gegen Brechmediziner Püschel: Einmal Buh rufen reicht nicht | |
> Der Protest gegen Klaus Püschel als einen der Verantwortlichen der | |
> Brechmitteleinsätze ist mehr als verständlich. Aber er reicht nicht aus. | |
Bild: Rechtsmediziner, Krimi-Autor und Lieblingsfeind Hamburger Antirassist:inn… | |
Der Rechtsmediziner Klaus Püschel wird am Mittwochabend beim Hamburger | |
Krimifestival in der Kulturfabrik Kampnagel lesen – wie schon im | |
vergangenen Jahr. Und wie damals kursiert im Netz ein Aufruf, vor Ort | |
dagegen zu protestieren. | |
Püschel sei verantwortlich für die Brechmittelfolter, heißt es darin, an | |
der am [1][12.12. 2001 Achidi John gestorben] ist. „Entschuldigung und | |
Entschädigung – Jetzt“, so heißt es am Ende. Nichts daran ist falsch. Aber | |
sich auf die Person Püschel einzuschießen, verstellt am Ende die Sicht auf | |
die eigentlichen Probleme – und läuft Gefahr, zum rituellen Dauerprotest zu | |
versanden. | |
Keine Frage: Klaus Püschel ist zum [2][Gesicht der Hamburger | |
Brechmitteleinsätze] geworden. Fragt sich nur: zurecht? Er hat 2001 als | |
Leiter des rechtsmedizinischen Instituts den Brechmitteleinsätzen gegen | |
mutmaßliche Drogendealer am Hamburger Uniklinikum (UKE) Ort und | |
Infrastruktur gegeben. Man könne Politik und Justiz ja nicht im Regen | |
stehen lassen, erklärte er damals, obwohl er ein paar Jahre zuvor die | |
Praxis noch wegen gesundheitlicher Risiken abgelehnt hatte. | |
Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss nach dem Tod von Achidi John | |
äußerte Püschel, angesprochen auf dessen Rufe „I will die“: „Das ist e… | |
das offenbar in der Mentalität dieser Delinquenten liegt, dass sie so eine | |
Aussage relativ häufig machen.“ | |
## Keine Spuren von Nachdenklichkeit | |
2006 verbot der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Praxis – | |
erst dann bequemte sich Hamburg, damit aufzuhören. In der Öffentlichkeit | |
hat Klaus Püschel nie Spuren von Nachdenklichkeit über seine Entscheidung | |
gezeigt, geschweige denn Bedauern geäußert. Das haben diejenigen, die die | |
politische Verantwortung für die Einsätze in Hamburg getragen haben, auch | |
nicht getan. | |
Olaf Scholz, der sich damals als Innensenator als harter Hund profilieren | |
wollte, antwortete auf die Frage, ob er die Einführung der | |
Brechmitteleinsätze bereue: „Ich habe es damals nicht für Folter gehalten.�… | |
Krista Sager, die grüne Wissenschaftssenatorin, die die Einsätze damals | |
durchwinkte, ist nie nach Reue gefragt worden – und inzwischen von der | |
politischen Bühne verschwunden. Scholz ist weit weg, in Berlin. | |
Vermutlich ist das die schlichte Antwort auf die Frage, warum sich die | |
Aufmerksamkeit auf Klaus Püschel konzentriert: weil er noch immer sichtbar | |
ist in der Stadt, wenn auch ohne Amt. Das macht ihn geeignet für direkte | |
Aktionen, die Symbolwert haben, aber nicht notwendigerweise mehr als das. | |
Als es im vergangenen Jahr Protest gab, hat Kampnagel, der | |
Veranstaltungsort, sich pflichtschuldig distanziert, die Veranstalter | |
selbst – darunter das Hamburger Abendblatt – haben geschwiegen. Dieses Jahr | |
gleiche Veranstaltung, nur ohne Distanzierung. | |
## Püschels Auftritt ist für Schwarze Drogenhändler herzlich egal | |
Die Frage, wie wir mit Migranten ohne Arbeitserlaubnis umgehen, hat aber | |
mehr verdient als das Abarbeiten an Klaus Püschel, dessen Auftritt oder | |
Nicht-Auftritt beim Krimi-Spektakel für die Lebenswirklichkeit Schwarzer | |
Drogenhändler herzlich egal ist. | |
Und ja, natürlich macht es wenig Freude, dass dem Hamburger Abendblatt | |
nichts Besseres einfällt, als Püschel 2021 zum Hanseaten des Jahres zu | |
küren, passend zum 20. Todestag von Achidi John. Und da tröstet es nur so | |
halb, dass jenseits der Welt des Abendblatts Püschels Verdienste, die er | |
tatsächlich hat, nämlich mit der Einrichtung der Ambulanz für Opfer | |
körperlicher Gewalt, inzwischen komplett vergessen sind. | |
Wenn man mit Leuten spricht, die sich schon lange für die [3][Erinnerung an | |
Achidi John] einsetzen, hört man Stimmen, die sagen, dass es wenig bringt, | |
einzelne herauszugreifen. Wer mehr will als – ausschließlich – Symbolik, | |
der muss mehr tun, als Eier auf Püschel zu schmeißen, der und die muss in | |
die Mühen der Ebene gehen, dort, wo die Slogans weniger griffig sind, wo es | |
um Arbeitsmöglichkeiten geht, um Teilhabe. | |
1 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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