# taz.de -- Ausstellung von Pässen in Botschaften: Erfolg für Exil-Eritreer | |
> Flüchtlinge, die in Botschaften Eritreas einen Pass beantragen, müssen | |
> Geld abdrücken. Deutsche Behörden dürfen sie dort nun nicht mehr | |
> hinschicken. | |
Bild: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig | |
BERLIN taz | Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat ein wegweisendes | |
Urteil für eritreische Flüchtlinge gesprochen: Die Bundesländer müssen | |
ihnen einen deutschen Reiseausweis für Ausländer ausstellen und dürfen sie | |
nicht darauf verweisen, sich in der eritreischen Botschaft einen Pass zu | |
besorgen. | |
Den Pass braucht man beispielsweise, um ins Ausland zu reisen, um zu | |
heiraten, für die Einbürgerung in Deutschland und auch für den [1][Antrag | |
auf Familiennachzug]. Bisher galt: Ein deutsches Ausweispapier bekamen nur | |
anerkannte eritreische Asylberechtigte. Wer hingegen einen subsidiären | |
Schutzstatus hat, und das sind die allermeisten eritreischen Asylsuchenden, | |
sollte in der eritreischen Botschaft einen Pass beantragen. | |
Das Problem: Eritrea verlangt für sämtliche konsularischen Dienste, auch | |
für die Passausstellung, eine Reueerklärung. Darin müssen die Antragsteller | |
erklären, ihre Flucht aus der Diktatur und die „Nichterfüllung nationaler | |
Verpflichtungen“ zu bereuen – gemeint ist mit Letzterem der oft | |
lebenslängliche Militärzwangsdienst. Teil der Reueerklärung ist auch, dass | |
die Antragsteller Strafen vom eritreischen Regime akzeptieren. | |
Außerdem müssen alle im Ausland lebenden Eritreer für konsularische Dienste | |
ab dem Zeitpunkt ihrer Flucht zwei Prozent ihrer Einkünfte als | |
„Diasporasteuer“ an den eritreischen Staat abführen. Das gilt sogar für | |
Sozialleistungen. Mit deutscher Hilfe finanziert sich bislang auf diese | |
Weise eine der brutalsten Diktaturen weltweit. Und es liegt nahe, dass mit | |
dem Geld auch [2][der Krieg im benachbarten Äthiopien] mitfinanziert wird, | |
in den Eritrea Sklavensoldaten gegen deren Willen entsendet. | |
## Eingriff in die Gewissensfreiheit | |
Als einziges Bundesland verzichtet Berlin seit rund einem Jahr bereits | |
darauf, subsidiär schutzbedürftige Eritreer zu deren Auslandsvertretung zu | |
schicken, und stellt ihnen stattdessen einen Reiseausweis für Ausländer | |
aus. | |
Während deutsche Gerichte die Zweiprozentabgabe bisher überwiegend nicht | |
angriffen und damit der eritreischen Militärdiktatur das Recht zubilligten, | |
sich mit deutscher Hilfe zu finanzieren, sei die Rechtsprechung zu den | |
Reueerklärungen bisher uneindeutig, sagt der Frankfurter Rechtsanwalt | |
Marcel Kasprzyk, der auf eritreische Geflüchtete spezialisiert ist. | |
Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes hätte sich nun die Sicht | |
durchgesetzt, dass die Abgabe einer Reueerklärung ein unzulässiger Eingriff | |
in die Gewissensfreiheit ist. „Wir müssen abwarten, wie die | |
Ausländerbehörden mit dem Urteil umgehen. Ich empfehle meinen Mandanten, in | |
ihren Anträgen die Gewissensentscheidung zu thematisieren.“ | |
Pro Asyl-Rechtsexperte Peter von Auer sagt: „Wer der eritreischen Diktatur | |
entkommen ist und hier Schutz findet, darf nicht von deutschen Behörden | |
dazu genötigt werden, sich für die Passbeschaffung an sein Herkunftsland zu | |
wenden und diesem gegenüber zu erklären, dass er mit einer Bestrafung für | |
die Flucht aus dem mörderischen Nationaldienst und aus dem Land | |
einverstanden ist.“ Pro Asyl hat das Gerichtsverfahren finanziell | |
bezuschusst. | |
Rechtsanwalt Kasprzyk sieht die Gefahr, „dass auch Eritrea das Urteil liest | |
und in Zukunft auf die Abgabe der Reueerklärung verzichtet, weil ihnen die | |
Einnahmen aus der Diasporasteuer zu wichtig sind.“ Dann könnten die | |
Ausländerbehörden Eritreer wieder auf die Ausstellung von Pässen in der | |
eritreischen Botschaft verweisen. | |
Der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz fordert deshalb, | |
subsidiär Schutzbedürftigen aus Eritrea sowie Syrien prinzipiell deutsche | |
Reisepässe auszustellen. Auch Syrien [3][versucht, Antragstellern Geld | |
abzunehmen]. Die Schutzbedürftigen weiter zu den Botschaften zu schicken, | |
leiste „der Finanzierung von korrupten und kriegerischen Machenschaften in | |
Syrien und Eritrea weiter Vorschub“, sagt von Notz. Außerdem gefährde es | |
die Sicherheit der Schutzsuchenden, denn die Regimes könnten dann Daten | |
über die Betroffenen und ihre Angehörigen erheben. | |
13 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Gefluechtete-in-Deutschland/!5734361 | |
[2] /Eritrea-und-Aethiopien-kooperieren/!5879742 | |
[3] /Auf-Wunsch-von-Horst-Seehofer/!5534377 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Reisen | |
Tigray | |
Äthiopien | |
Eritrea | |
Botschaft | |
Tigray | |
Schwerpunkt Flucht | |
EU-Grenzpolitik | |
Eritrea | |
Tigray | |
Eritrea | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Krieg in Äthiopien: Schon jetzt 100.000 Tote | |
Die Kämpfe Äthiopiens und Eritreas gegen Aufständische in der Region Tigray | |
spitzen sich zu. Die Großstadt Shire ist gefallen – zu einem hohen Preis. | |
Flucht nach Griechenland: „Schande für die Zivilisation“ | |
Laut der griechischen Regierung sind 92 Menschen nackt über die Grenze aus | |
der Türkei geflohen. Einige gaben wohl an, von Behörden gebracht worden zu | |
sein. | |
EU-Innenministertreffen in Luxemburg: Druck auf Serbien | |
Die zunehmende Einreise von Flüchtlingen über die „Balkanroute“ beschäft… | |
die EU-Innenminister. Brüssel droht Serbien wegen seiner Visa-Politik. | |
Diktatur-Anhänger in Gießen: Nachspiel für Eritrea-Festival | |
Anhänger der eritreischen Diktatur wollen Donnerstag in Gießen | |
protestieren. Stadtpolitiker und eritreische Oppositionelle fühlen sich | |
bedroht. | |
Eritrea und Äthiopien kooperieren: Aufmarsch gegen Tigray | |
Berichte über eine Offensive Eritreas nähren die Sorgen über eine | |
Eskalation des Krieges in der äthiopischen Region Tigray. | |
„Eritrea-Festival“ in Gießen: Propaganda-Fest wieder abgesagt | |
Die brutale Militärregierung Eritreas scheiterte mit ihrem Plan für ein | |
Festival in Gießen. Nun ist München als Veranstaltungsort im Gespräch. |