# taz.de -- Frauen und Faschismus: „Alice Weidel tanzt nicht“ | |
> Wie beeinflusst weibliche Wut die Weltgeschichte? Ein Gespräch über | |
> Frauen und Faschismus unter Freund*innen. | |
Bild: Wie sie wohl Rammstein findet? Alice Weidel beim Landesparteitag der AfD … | |
„Warum sind Frauen, die heute an die Macht kommen, Faschistinnen?“, fragt | |
die Freundin am Isebekkanal und schüttet sich Gin und Tonic in den | |
Pappbecher. | |
„Doch nicht alle! Und wieso heute? Früher kamen gar keine an die Macht!“, | |
sagt die andere. | |
„[1][Thatcher]!“ | |
„Diese angespannte Elizabeth aus dem 16. Jahrhundert, deren Leben ständig | |
verfilmt wird, mit Cate Blanchett und so!“ | |
„Cleopatra!“ | |
„Cleopatra war ein echtes Arschloch!“ | |
Eine andere Freundin kommt dazu und fragt: „Wieso treffen wir uns hier, | |
sind wir jung, ist noch Sommer?“ | |
„Milder Herbst und wir müssen sparen.“ | |
„Ja, ja, die Energie, bald sind wir alle pleite!“ | |
„Ich bin schon pleite, aber ganz allein meinetwegen!“ | |
„Man muss sich auch mal Freude machen.“ | |
„Ich guck’ mir die fressenden Pandas bei Instagram an, wenn es mir zu viel | |
wird!“ | |
„Das hilft?“ | |
„Da denk ich zumindest nicht an Faschistinnen!“ | |
„[2][Meloni]?“ | |
„[3][Wagenknecht].“ | |
„Merkel war keine Faschistin.“ | |
„Aber ’ne echt heikle Konservatistin.“ | |
Der Freund zündet sich eine Tüte an und sagt: „Aber stimmt, um an die Macht | |
zu kommen, musst du als Frau einfach richtig scheiße sein – mindestens | |
eiskalt!“ | |
„Als Mann aber auch!“ | |
„Ach ja.“ | |
„Und wegen der Natur des Mannes gibt es mehr Männer an der Macht oder | |
was?!“ | |
„Du warst noch nie gut in Mathe!“ | |
„Das ist kein Mathe, das ist Gemeinschaftskunde!“ | |
„Eigentlich ist es antike Soziobiologie“ | |
„Hä?“ | |
„Frauen konnten vormals nicht verhüten, waren bis zum Umfallen ständig | |
schwanger oder im Wochenbett, da war es völlig egal, wie abgrundtief böse | |
du warst, du kamst einfach nie raus aus den Mutterschaftsstrapazen.“ | |
„Und warst du unfruchtbar, wurdest du gesteinigt oder aus der Stadt | |
gejagt!“ | |
„Den ganzen Frust haben die Mütter an den Söhnen ausgelassen, die dann | |
Kriege angezettelt und den Faschismus erfunden haben.“ | |
„Das heißt, die ganze Weltgeschichte ist geprägt durch weibliche Wut!?“ | |
„Klar, Frauen sind nicht die besseren Menschen – liegt alles an den | |
Umständen und an der Laune!“ | |
Der Freund nahm einen kräftigen Zug: „Als meine Mutter wieder anfing, | |
Vollzeit zu arbeiten, hörte sie sofort auf, passiv und aktiv aggressiv zu | |
mir zu sein, ich bekam genug Liebe, mein Vater fing an zu puzzeln, das | |
Klima zu Hause wurde grandios.“ | |
„Aber dein Zuhause ist nicht die ganze Welt!“ | |
„Jedes Zuhause ist die ganze Welt!“ | |
„Was ist mit der finnischen Ministerpräsidentin?“ | |
„Was soll mit ihr sein?“ | |
„Die wirkt ziemlich gut gelaunt!“ | |
„Und ist keine Faschistin!“ | |
„Woher weißt du das?“ | |
„Na, sie hat doch getanzt.“ | |
„Du meinst, Faschistinnen tanzen nicht?“ | |
„Stell dir [4][Alice Weidel] tanzend vor!“ | |
„Zu welcher Musik?“ | |
„Ich kann es mir nicht mal zu Rammstein vorstellen.“ | |
„Hitler?“ | |
„Auch nicht.“ | |
„Wagenknecht?“ | |
„Null.“ | |
„Woran liegt das?“ | |
„Extremisten tanzen nicht, sie marschieren höchstens zu Musik.“ | |
„Und sie sind nicht selbstironisch.“ | |
„Sie gehen zum Lachen nicht mal in den Keller.“ | |
3 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Ramadan | |
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