# taz.de -- Kreml-naher Parteichef in Bulgarien: Kostadinow wirft Presse raus | |
> Der Chef der bulgarischen Partei Vazrazhdane hat eine Pressekonferenz | |
> abgebrochen. Gegenüber kritischen Medien ist er feindlich eingestellt. | |
Bild: Kostadin Kostadinow, Chef der pro-russischen Partei Vazrazhdane (Wiederge… | |
Russlands Präsident Wladimir Putin lässt grüßen – nicht aus Moskau, sonde… | |
aus der [1][bulgarischen] Hauptstadt Sofia. Dort sorgte sein Bruder im | |
Geiste, der Chef der ultranationalistischen Partei Vazrazhdane | |
(Wiedergeburt) Kostadin Kostadinow, Mitte vergangener Woche für einen | |
handfesten Skandal. Bei einer Pressekonferenz der bulgarischen | |
Nachrichtenagentur BTA holte er zu einem Rundumschlag gegen | |
Vertreter*innen kritischer Medien aus. | |
„An Medien, wie Capital, Mediapool, Klub Z sowie ähnliche Metastasen sind | |
keine Einladungen ergangen. Sie sollten die Pressekonferenz verlassen, weil | |
wir nicht Gegenstand ihrer Berichterstattung sein und uns nicht mit ihnen | |
in einem Raum aufhalten wollen. Sie präsentieren sich nur als bulgarische | |
Medien, vertreten jedoch in Wahrheit ausländische Interessen … Wir können | |
mit diesem Müll der US-Botschaft nicht kommunizieren“, sagte Kostadinow. | |
Als die Medienvertreter*innen der Aufforderung nicht nach kamen, | |
räumten Kostadinow und weitere Mitglieder von Vazrazhdane selbst das Feld. | |
Kostadinow und seine Partei Vazrazhdane, die 2014 gegründet wurde, sind | |
stramm auf Anti-EU- und Anti-Nato-Kurs. Der 43-jährige Kostadinow, | |
gelernter Jurist und Historiker, macht kein Hehl aus seinen Sympathien für | |
Russland. Das brachte ihm den Spitznamen „Kopejkin“ ein (eine Anspielung | |
auf die russische Währungseinheit Kopeken). | |
Der 43-Jährige ergeht sich regelmäßig in Hetz- und Hasstiraden gegen | |
Minderheiten, wie die Roma und Angehörige der LBGTQ-Community. Zu Zeiten | |
der Coronapandemie tat er sich mit besonderer Verve als Impfgegner hervor. | |
Später stellte sich heraus, dass sowohl er als auch viele Mitglieder der | |
Vazrazhdane sich hatten immunisieren lassen. Die Autorin des entsprechenden | |
Beitrages, die Fernsehjournalistin Maria Tzantzarowa, wurde auf Betreiben | |
der Vazrazhdane vor einigen Monaten zweimal ins Innenministerium | |
einbestellt, um über ihre Quellen Auskunft zu geben. | |
## Nationalisten werden stärker | |
Bislang krebste die Partei im einstelligen Prozentbereich herum. Bei der | |
Parlamentswahl am 2. Oktober, der vierten innerhalb von 18 Monaten, kam | |
Vazrazhdane jedoch auf 10,2 Prozent der Stimmen und konnte ihr Ergebnis im | |
Vergleich zu der Wahl vom November 2021 mehr als verdoppeln. | |
Im Mai 2019 hatte die rechtslastige Truppe mit einem Werbevideo, das über | |
die Facebook-Seite und die Seite der Partei verbreitet worden war, für | |
Aufmerksamkeit gesorgt. Darauf ist ein junger Mann zu sehen, der in einem | |
plenarähnlichen Saal Dutzende Menschen erschießt. Darunter taucht die | |
Inschrift auf: „Vazrazhdane. Das können nur wir.“ Von dem Sender Radio | |
Freies Europa zum Video befragt, sagte Kostadinow damals: „Mit diesem Clip | |
sagen wir, dass es in Bulgarien Medien wie Radio Freies Europa gibt, die an | |
der Zerstörung des bulgarischen Staates arbeiten. Dieser Clip richtet sich | |
genau an solche Medien wie Ihres.“ Bei der Medienfreiheit in Bulgarien, das | |
2007 der EU beitrat, liegt so einiges im Argen. | |
Die Besitzverhältnisse – einigen wenigen Unternehmern gehört ein Großteil | |
der Medien – sind undurchsichtig. Unabhängige Medien werden unter Druck | |
gesetzt. Gängige Methoden dabei sind Steuerverfahren, Verleumdungsklagen | |
und astronomisch hohe Bußgelder. Medienschaffende, die über Korruption und | |
die Veruntreuung von EU-Mitteln berichten, werden nicht selten Opfer von | |
Schmutzkampagnen und Gewalt. Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne | |
Grenzen listet das Balkanland in ihrem diesjährigen [2][Index für | |
Pressefreiheit] auf Rang 91 von 180. | |
Eine Reaktion bulgarischer Journalist*innen auf den jüngsten | |
Frontalangriff von Kostadinow ließ nicht lange auf sich warten. Das sei | |
nicht nur eine inakzeptable Einmischung in die Arbeit von Reporter*innen, | |
sondern auch eine gefährliches Signal, dass die Unterdrückung unabhängiger | |
Medien ungestraft bleiben, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von | |
Capital Weekly und dnevnik.bg. Und: „Wir hoffen, dass die anderen | |
politischen Gruppierungen und die Medien nicht schweigen angesichts dieser | |
Versuche im Stil von Wladimir Putin, Journalisten an ihrer Arbeit zu | |
hindern und Veröffentlichungen zu verbieten.“ | |
9 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-der-Wahl-in-Bulgarien/!5882241 | |
[2] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2022 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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