Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Winfried Kretschmann in Kalifornien: Was hilft gegen Rechtspopulism…
> Der BaWü-Ministerpräsident traf den kalifornsichen Gourverneur Gavin
> Newsom. Doch der hat auch kein Patentrezept.
Bild: Winfried Kretschmann in Los Angeles im Oktober 2022
Am Beverly Hills Boulevard von Los Angeles stoppen zu später Stunde
Limousinen vor der Riviera 33 Lounge. Schöne, auf jeden Fall schön
angezogene Menschen steigen aus und gehen rein, um Salsa zu tanzen. Wenn
man sich durch die Tanzenden gedrängt hat, kommt man ganz hinten zu einem
gläsernen Raum. Dort sitzt Mitte dieser Woche Winfried Kretschmann, der
weitgereiste Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Ob er Tanzschuhe
trägt oder seine bequemen, ist in der Dunkelheit nicht zu ermitteln.
Jedenfalls analysiert er die Welt nach seinem Treffen mit dem
kalifornischen Gouverneur [1][Gavin Newsom] am Vormittag in Sacramento.
Der Demokrat Newsom, 54, versucht in den USA die vakante Rolle des
liberaldemokratischen Starpolitikers zu besetzen, der die sozialökologische
Moderne durchsetzt und die emanzipatorische verteidigt. Zunächst in
Kalifornien, und dann wird man weitersehen.
Doch drinnen sieht es anders aus. Jedenfalls nach dem Eindruck Kretschmanns
und anderer Gesprächsteilnehmer. Dem Gouverneur sei im Hintergrundgespräch
die Verzweiflung aus jeder Pore gedrungen. Angst vor Faschismus. Nicht in
Kalifornien, das auch nach den Midterms Anfang November ein demokratischer
One-Party-State sein wird. Aber mit Blick auf die nächste
Präsidentschaftswahl und danach. Am frühen Nachmittag hatte Kretschmann mit
Newsoms legendärem Vorgänger Jerry Brown zu Mittag gegessen. Dem habe er
dieselbe Frage gestellt wie zuvor dem Gouverneur: Was die Strategie sei
gegen die abdriftenden Republikaner und den ausgreifenden Rechtspopulismus?
Das ist keine neue Frage, aber eine entscheidende: Wie verteidigt sich die
liberale Demokratie gegen ihre Feinde? Da wird gerade von progressiv sein
Wollenden gern gesagt, dagegen müsse man „kämpfen“. Aber was genau heißt
das? Dass man gegen Putin demonstriert, offene Briefe schreibt, mahnende
Tweets absetzt, doch bitte keine anderen Länder zu überfallen und dort die
Leute zu massakrieren?
Die Idee, dass die ganze Welt liberaldemokratisch wird, muss man sich
leider abschminken. Das bedeutet, dass die liberale Gesellschaft klären
muss, ob sie das schöne Spiel spielen will, um ihre Ideale zu verteidigen.
Oder ob sie Politik entwickelt und unterstützt, mit der sie die Mehrheit
behält und die Zukunft gewinnt. Das kann beinhalten, dass Resilienz auch
militärische sein muss und individuelle Freiheitsrechte eingeschränkt
werden, um die liberale Demokratie und ihre Errungenschaften als Ganzes zu
schützen. In der Netflix-Serie [2][„A Handmaid's Tale“] kann man schön
beklemmend sehen, wie schnell auch in einer scheinbar gefestigten
westlichen Demokratie Frauen im Namen eines totalitären Gottes zu
Sklavinnen und Gebärmaschinen degradiert werden.
Schön Utopien beschwören, Pazifismus, Antikapitalismus und
Triggerwarnungen, das kann man alles machen, aber es ist auch eine Flucht
aus der Realität, die währenddessen die anderen und ein politisch
ignorierter Klimawandel brutal eskalieren. Ich sage nur: Florida.
Aber gibt es denn nun in den USA eine liberaldemokratische Strategie gegen
eine erneute feindliche Übernahme, fragte jemand in der Riviera Lounge von
Los Angeles. Kretschmann hustete. „Nein“, sagte er dann: „Oder jedenfalls
konnte sie mir keiner sagen.“
Vor dem Glaskasten tanzten die Angelenos Salsa.
9 Oct 2022
## LINKS
[1] /Abstimmung-in-Kalifornien/!5801853
[2] https://www.youtube.com/watch?v=yHcHn5P252c
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Kolumne Die eine Frage
Winfried Kretschmann
Rechtspopulismus
Kalifornien
Lesestück Recherche und Reportage
taz.gazete
Kolumne Die eine Frage
Energiewende
## ARTIKEL ZUM THEMA
Winfried Kretschmann in den USA: In the Länd of the Free
Baden-Württembergs Ministerpräsident sucht den Traum vom grünen Wohlstand.
Wird der von Sacramento bis Stuttgart geteilt?
Suche nach etwas Gemeinsamem: Was könnte der deutsche Traum sein?
Unser Kolumnist fragt sich, was die deutsche Gesellschaft bei allen
Unterschieden als Gemeinsames haben könnte. Und wie damit Wandel gelingen
könnte.
Alte Gewissheiten neu hinterfragt: Werden Kriege wieder normal?
Wir leben nicht mehr in der Welt, in der wir glauben zu leben. Und in der
neuen wird es wahrscheinlich mehr Gewalt geben.
Wahlverhalten in Deutschland: Rettet uns Schwarz-Grün?
Völlig egal, mit wem die Grünen reagieren. Hauptsache, der Koaltionspartner
kann nicht den Kanzler stellen und so für Stillstand sorgen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.