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# taz.de -- Angriffskrieg gegen die Ukraine: Krieg fernab der Front
> In einer groß angelegten Angriffsserie bombardiert Russland mehrere
> Städte in der Ukraine. In Kiew schlagen nach Monaten wieder Raketen ein.
Bild: Brennende Autos im Kiewer Zentrum nach den jüngsten Militärschlägen Ru…
Berlin taz | Brennende Autos auf dem Schewtschenko-Boulvard unweit der
Kiewer Schewtschenko-Universität haben am Montagvormittag den Verkehr in
Kiews Innenstadt zum Erliegen gebracht. Schwarzer Rauch lag über der Stadt.
So sah das Epizentrum der russischen Angriffe auf die ukrainische
Hauptstadt zu diesem Zeitpunkt aus. [1][Über hundert Raketen und Drohnen
überfielen die meisten größeren Ortschaften der Ukraine]. Zum ersten Mal
seit dem 26. Juni wurde auch die Hauptstadt Kiew wieder Opfer russischer
Luftangriffe. Dies berichtete Jurij Ignat vom Oberkommando der ukrainischen
Streitkräfte gegenüber ukrainischen Medien.
„Ich war gerade auf dem Weg zu einer Routineuntersuchung im Krankenhaus“,
berichtet auch die Kiewer Rentnerin Nadia Cholost der taz am Telefon, „als
es fürchterlich krachte. Ich sah, wie Häuser zitterten. Im Krankenhaus
angekommen, stand ich vor verschlossenen Türen.“ Nur Notfälle würden
behandelt, hieß es dort. Als sehr schwierig gestaltete sich sodann der Weg
nach Hause, seien doch nach den ersten Einschlägen keine Busse mehr
gefahren. „Glücklicherweise konnte ich mit einem anderen Patienten im Auto
ein Stück fahren“, erzählt sie. Zu Hause angekommen, habe sie sich sofort
in einen Keller begeben. Sie hatte Glück. Allein im Kiewer Stadtteil
Schewtschenkiwsk wurden 8 Menschen getötet und 24 weitere Zivilisten
verwundet, so der Berater des ukrainischen Innenministers, Rostyslav
Smirnov.
Auch in Poltawa, das bisher von russischen Luftangriffen weitgehend
verschont geblieben war, gingen Raketen nieder. „Wir haben uns sofort auf
den Weg in den Keller gemacht“, berichtet Maxim, ein 16-jähriger Schüler
der taz. „Und im Keller haben wir uns weiter unterhalten und sogar gelacht.
Angst hatten wir keine.“ Doch hätten sich ältere Bewohner von Poltawa über
so viel Leichtsinn mokiert und die Jugendlichen zur Ruhe ermahnt.
Auch in dem bisher vom Krieg verschonten Konotop krachte es, ein
Umspannwerk wurde beschädigt. Vielerorts war der Strom ausgefallen.
## In den Schulen wieder Homeoffice eingeführt
In Lwiw wurde auch das Stromnetz angegriffen, zeitweise war ein Drittel der
Ampeln außer Betrieb. Vor den Tankstellen bildeten sich riesige Schlangen.
Es gibt bereits erste Berichte von Fluchtbewegungen von den Städten auf das
Land.
In Charkiw war der Strom ausgefallen, in Saporischschja berichteten
Bewohnerinnen der taz von einer nicht funktionierenden Wasserversorgung.
Landesweit wurde in den Schulen wieder Homeoffice eingeführt. Doch wird
dies angesichts der schwankenden Internetverbindungen nur eingeschränkt
funktionieren. Kiews Bürgermeister Klitschko rief die Bewohner der Stadt
auf, sich Vorräte zuzulegen und warme Kleidung bereitzuhalten.
Auch in Donezk trafen die russischen Luftangriffe die Bevölkerung. Nach
Angaben des oppositionellen ukrainischen Internet-Portals strana.news
attackierte ein Geschoss eine Sekundarschule im Kalininsky-Bezirk. Dabei
seien mehrere Räume und die Turnhalle zu Schaden gekommen und einige
Fenster zu Bruch gegangen.
## Ukraine erteilt Verhandlungen mit Russland eine Absage
Schwierigkeiten mit dem Trinkwasser gibt es auch in Energodar, dem Standort
des AKW Saporischschja. In Saporischschja aber war es ruhig. 20 Menschen
waren dort in der vergangenen Woche bei russischen Luftangriffen ums Leben
gekommen. „Sie wollen uns vernichten“, erklärte der ukrainische Präsident
Wolodomir Selenski, „uns alle.“ Gleichzeitig forderte er die Bevölkerung
auf, weiter in den Schutzräumen zu verbleiben.
Wenig Hoffnung auf Unterstützung durch die staatlichen Stellen hat der in
Odessa lebende Blogger Wjatscheslaw Asarow. Nun gelte es, für die Zukunft
gewappnet zu sein, meinte er auf Telegram. Letztendlich sei es sinnvoller,
auf Nachbarschaftshilfe zu vertrauen als auf den Staat. „Das Wichtigste ist
jetzt, die horizontalen Beziehungen wiederherzustellen. Wer mit seinem
Nachbarn, seinen Freunden oder Verwandten Streit hat, soll diesen
bereinigen.“ Denn wenn ein Haus einstürze, seien es vor allem die
Leidensgenossen aus der Nachbarschaft, auf die man setzen könne. Das habe
man auch bei den Angriffen auf Mariupol erkennen können.
Unterdessen hat die Ukraine jeglichen Bestrebungen nach Verhandlungen mit
Russland eine Absage erteilt. In einer Reaktion auf einen Vorschlag des
rumänischen Außenministers Vasile Dyncu für Friedensgespräche erklärte
David Arahamia, der mehrmals für die Ukraine Verhandlungsleiter bei
Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine war, auf Telegram: „Wir sind
bereit, mit westlichen Ländern zu verhandeln, allerdings nur über unseren
baldigen Beitritt zur Nato. Dies ist das einzige Thema, über das wir
derzeit sprechen können. Bei derartigen Verhandlungen ist Russland
überflüssig. Die kollektive Sicherheit der Ukraine und ihre starken
Streitkräfte sind die einzige Garantie für den Frieden auf dem europäischen
Kontinent. Deshalb sollten die Verhandlungsbemühungen des Westens in diese
Richtung gelenkt werden.“
Auch Michail Podoljak, Berater des Chefs der Präsidialadministration, ist
gegen Verhandlungen. Auf Twitter schlug er folgende Vorgehensweise bei
Verhandlungen vor: „Als Erstes sollen Fotos und Videos von Massengräbern
angesehen werden. Dann ist über den Vorschlag an den Kreml über einen
Truppenabzug zu diskutieren und in einem dritten Schritt muss ein Tribunal
gebildet und müssen Kriegsverbrecher ausgeliefert werden.“
## Türkei als Vermittler von Friedensgesprächen
[2][In der vergangenen Woche hatte sich auch die Türkei als Vermittler von
Friedensgesprächen angeboten]. Istanbul könnte ein Ort für Gespräche
zwischen Russland und vier westlichen Ländern – Deutschland, Frankreich,
Großbritannien und den USA – werden, hatte Ismail Emrah Karayel,
Vorsitzender des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses Türkei-EU,
gegenüber RIA Novosti erklärt.
Unterdessen fragt sich der Blogger Wjascheslaw Asarow, warum westliche
Botschaften vor der Bombardierung der Krim-Brücke ihre Bürger aufgefordert
hatten, die Ukraine dringend zu verlassen? „Haben sie schon gewusst, dass
es so kommen wird?“
10 Oct 2022
## LINKS
[1] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5886671
[2] /Rolle-der-Tuerkei-im-Ukrainekrieg/!5880538
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Raketen
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Russland
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