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# taz.de -- Kläranlagen leiden unter Lieferengpässen: Phospor bedroht Gewäss…
> Um Abwasser zu säubern, brauchen Kläranlagen Eisensalze. Wegen
> Produktionsengpässen in der Industrie gibt es davon derzeit zu wenig.
Bild: Rundbecken einer Kläranlage in der Nähe von Berlin
Berlin taz | Den Kläranlagen in Deutschland gehen die Fällmittel aus. Davor
warnt die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall
(DWA). Das heißt, dass die Anlagen die Grenzwerte für Phosphor im Abwasser
nicht mehr einhalten können. Umweltverbände nennen das „hochproblematisch�…
Fällmittel sind Stoffe, mit denen die Klärwerke Schadstoffe aus dem
Abwasser absondern. So filtern etwa Eisensalze Phosphor heraus. Laut einer
repräsentativen Umfrage der DWA unter Kläranlagen ist derzeit ein Viertel
von ihnen von Lieferengpässen betroffen; für den Oktober erwartet die
Hälfte der Unternehmen Lieferausfälle. Ohne diese Betriebsmittel könnten
die Einleitegrenzwerte für Phosphor nicht eingehalten und damit der Schutz
der Gewässer vor Eutrophierung – also Überdüngung – nicht gewährleistet
werden, warnt die DWA.
„Bund, Länder und die Wasserwirtschaft müssen alle Kräfte mobilisieren, um
die Abwasserentsorger, aber auch Schlachthöfe und Molkereien, mit den
nötigen Fällmitteln zu versorgen“, schreibt die Vereinigung in einer
Mitteilung. „Höchste Priorität hat, die Knappheit schnellstmöglich zu
beenden, um die betriebsübliche Phosphor-Elimination störungsfrei zu
gewährleisten,“ fordert DWA-Präsident Prof. Uli Paetzel.
Laut DWA fehlen insbesondere Eisensalze, die als Nebenprodukte bei der
Herstellung von dem Weißpigment Titandioxid für Farben und Lacke anfallen.
Eine deutlich verminderte Nachfrage nach diesen Produkten sowie
unterbrochene Lieferketten und Preisexplosionen unter anderem bei Salzsäure
führten zu extremen Lieferengpässen für Eisensalze, warnt die DWA, auch
alternative Fällmittel seien auf dem Markt kaum zu bekommen.
## Chemieproduktion stark gesunken
Die Unternehmen [1][seien wegen der extrem hohen Gas- und Strompreise
gezwungen], die Produktion kräftig zu drosseln, teilt der Verband der
chemischen Industrie mit. „Seit Jahresbeginn ist die Chemieproduktion um
mehr als 10 Prozent gesunken“, heißt es weiter. Wenn einzelne Grundstoffe –
wie etwa Ammoniak oder eben Titandioxid – nur noch eingeschränkt produziert
werden, habe dies weitreichende Auswirkungen auf die nachgelagerten
Wertschöpfungsstufen der Branche.
Die erhöhten Phosphor-Einleitungen seien „hochproblematisch für die
Lebewesen in Flüssen, Seen und dem Meer“, sagt Diana Nenz,
Gewässerreferentin des Deutschen Naturschutzbundes (Nabu). Zwar drohe im
Herbst und Winter keine Algenblüte, weil es für ein vermehrtes
Pflanzenwachstum, das Fischen und Insekten den Sauerstoff entzöge, zu kalt
sei. Trotzdem sollten die Gewässer jetzt auf die übermäßige Phosphorzufuhr
vorbereitet werden, fordert Nenz: „Sinnvoll wäre, Gewässerrandstreifen
auszuweisen, die Düngeverordnung zu verschärfen oder Rieselfelder zu
nutzen, sofern diese noch vorhanden sind“.
## Ökosysteme sowieso unter Druck
Der – für Menschen nicht giftige – Nährstoff kann sich im Sediment von Se…
binden oder in die Ost- und Nordsee gelangen. „Unsere [2][Meere sind
sowieso bedroht]“, sagt Nenz, „und an der Oder haben wir gerade erst eine
Katastrophe erlebt, [3][die durch eine Häufung von Ursachen entstanden
ist]“. Dürre, Trockenheit, Niedrigwasser und zudem noch Schifffahrt und
Wasserkraftwerke – all dies belaste die Gewässer. „Die Belastung durch
Phosphor trifft auf Ökosysteme, die sowieso unter Druck sind“.
Die DWA fordert die Bundesländer und den Bund auf, die Kläranlagen zu
unterstützen. „Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern
sowie Nordrhein-Westfalen haben bereits entsprechende Erlasse an die
zuständigen Wasserbehörden geschickt“, teilt die Vereinigung mit. Die DWA
begrüße die pragmatische Herangehensweise der Landesumweltministerien zur
Duldung unter strengen Auflagen, zugleich sei der Bund gefordert,
bundeseinheitliche Regelungen für die Krise zu initiieren. Mit einer
Duldung unter strengen Auflagen müsse gleichzeitig auch eine drastische
Erhöhung der vom Kläranlagenbetreiber zu entrichtenden Abwasserabgaben, die
über die Abwassergebühren vom Bürger getragen werden, verhindert werden.
23 Sep 2022
## LINKS
[1] /Oekonom-Dullien-ueber-Gasumlage/!5871921
[2] /Studie-zum-Oekosystem-Meer/!5804292
[3] /Wetterbilanz-des-Sommers-2022/!5878382
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Wasser
Phosphor
Umwelt
Berliner Wasserbetriebe
Schwerpunkt Klimawandel
Flüsse
Düngemittel
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