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# taz.de -- Mangel an Fällmitteln für Klärwerke: Energiekrise bringt Algenbl…
> Der Markt für sogenannte Fällmittel ist zusammengebrochen. Die
> Phosphatbelastung der Berliner Gewässer könnte dadurch wieder deutlich
> steigen.
Bild: Iiih: Blaualgenblüten verderben jeden Badespaß
Das Jahresende stellt die Berliner Wasserbetriebe traditionell vor
Herausforderungen: Gänsebraten und andere Festtagsgerichte sorgen für mehr
Fett im Abwasser, das – unsachgemäß entsorgt – in die Klärwerke drängt …
dort fault. Dieser Tage treibt die Verantwortlichen aber noch ein anderes
Problem um, und auch UmweltschützerInnen schlagen Alarm: Die sogenannten
Fällmittel werden knapp, mit denen Phosphate aus dem Abwasser entfernt
werden. Sollte kein Nachschub kommen, drohen neue Algenblüten in Berlins
Gewässern.
Wie der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) der taz mitteilte, erfuhr
der Verband von den Wasserbetrieben, dass die Vorräte des landeseigenen
Unternehmens an Fäll- oder Flockungsmitteln nur noch für drei Monate
reichten – und das bei einem leergefegten Markt. Grund seien die
Energiekrise und die Störung von Handelsketten, die vor allem einen Mangel
des Vorprodukts Salzsäure bewirkten. „Letztlich fehlt es an Chlor, das in
einem energieaufwendigen Elektrolyseprozess erzeugt wird und nur noch in
reduzierten Tonnagen hergestellt wird“, so BUND-Gewässerexperte Christian
Schweer.
Gingen die Fällmittel aus, blieben größere Mengen an Phosphaten im
geklärten Abwasser zurück, das in die Oberflächengewässer eingeleitet
würde, warnt Schweer. „Viele Berliner Gewässer sind aber bereits durch
erhöhte Nährstoff- und Schadstoffkonzentrationen vorbelastet.“ Werde es im
Sommer wieder heiß und trocken, könnten sich dann Algen massiv vermehren.
Das bringe die „Gefahr einer Sauerstoffverknappung und Freisetzung von
Algengiften, die zum verstärkten Absterben von Fischen und weiteren
gefährdeten Wasserorganismen führen kann, aber auch für empfindlichen
Menschen zu einem Problem wird“.
Der Mangel an Stoffen wie Eisen-(III)-Chlorid oder Eisen-(III)-Sulfat
[1][ist ein bundesweites Problem]. Vor einigen Monaten machte die Deutsche
Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) darauf
aufmerksam. Für Berlin bestätigt Wasserbetriebe-Sprecher Stephan Natz
gegenüber der taz die angespannte Situation auf den Märkten und deren
Folgen: „Es gibt noch was, aber Preise steigen. Das führt auch dazu, dass
keine langfristigen Lieferverträge mehr gemacht werden, weil Verkäufer auf
steigende Preise spekulieren.“
## Mal 100 Tage, mal zwei Wochen
Die Senatsumweltverwaltung teilt auf Anfrage dennoch mit, dass die
Wasserbetriebe sich für 2023 „ausreichende Mengen für alle in der
Abwasserreinigung und der Trinkwasserversorgung benötigten Fällmittel“
vertraglich gesichert hätten. „Bisher sind die vertraglich zugesicherten
Mengen von den Lieferanten auch stets geliefert worden.“ Die Aussagen des
BUND zu den Vorräten kann Stephan Natz allerdings bestätigen: Je nach
Anlage reichten die Lagerbestände noch für 100 oder auch nur 14 Tage aus.
Zum Einsatz kommen die Fällmittel heute schon in regulären Klärwerken, um
die dort von Bakterien geleistete Phosphat-Eliminierung zu unterstützen.
Erst in den kommenden Jahren werden dort allerdings sogenannte
Flockungsfiltrationsstufen gebaut, die das Potenzial der Fällmittel
ausreizen. Bis dahin werden diese in größeren Mengen nur an besonderen
Standorten eingesetzt: der [2][Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA)
in Tegel], die geklärtes Abwasser aus dem Klärwerk Schönerlinde
nachbehandelt, bevor es in den Tegeler See fließt, oder im Wasserwerk
Beelitzhof, das Wannseewasser aufbereitet und in die Grunewaldseen pumpt.
Wie Wasserbetriebe-Sprecher Natz erklärt, hat sein Unternehmen eine
Taskforce gegründet, um die Fällmittelkrise zu managen. Folgende Fragen
stünden im Fokus: „Wie bekommen wir die Produkte? Können wir sie durch
andere substitutieren, müssen wir dafür Anlagen umrüsten? Und: Können wir
die Dosierung in den Wintermonaten strecken, ohne die Grenzwerte zu
reißen?“ Das Land Berlin definiert den Grenzwert für Phosphor mit 1 mg pro
Liter Wasser, der ein Klärwerk verlässt.
## Erhöhung der Frachten
„Es gibt noch viele andere Phosphorquellen“, betont Natz. Der Nährstoff
gelange durch jeden natürlichen Verrottungsprozess in und an Gewässern in
den Kreislauf. Insofern schlage ein möglicher Anstieg der Einleitungen
nicht sofort spürbar zu Buche. Trotzdem konstatiert die Senatsverwaltung:
„Bei einer Erhöhung der Nährstofffrachten würden sich die biologischen
Umsetzungsprozesse in den Gewässern deutlich verändern. Kommt es zu
deutlichen Konzentrationserhöhungen in den Gewässern, werden
Massenentwicklungen von Algen gefördert.“
Besonders unangenehm sind sogenannte Blaualgenblüten – ein algenähnliches
Bakterium, das bei explosivem Wachstum die Wasseroberfläche mit grünem
Schleim überzieht und Giftstoffe freisetzt. Zuletzt sind diese Ereignisse
seltener geworden, weil der Zustand der Berliner Gewässer deutlich besser
geworden ist. Wie BUND-Experte Schweer betont, erreicht sie aber längst
noch nicht die Anforderungen der EU-weiten Wasserrahmenrichtlinie, die nach
einer Fristverlängerung bis 2027 erfüllt sein müssen.
Die Senatsumweltverwaltung zieht nun analog zu anderen Bundesländern in
Erwägung, den Wasserbetrieben eine Ausnahmegenehmigung für deutliche
Grenzwertüberschreitungen zu erteilen: „In welcher Form, ist Gegenstand
einer aktuell laufenden rechtlichen Prüfung.“ Man stehe mit Bund und
Ländern im Austausch. Im besten Fall renkt sich der Markt bald wieder ein:
Wenn sich Abwasserverbände zusammentun und Absatzgarantien aussprechen,
sollten Erzeuger auch Interesse an der Fällmittelherstellung finden – ob zu
heutigen Preisen, ist aber ungewiss.
26 Dec 2022
## LINKS
[1] /Klaeranlagen-leiden-unter-Lieferengpaessen/!5883427
[2] /Neue-Filtertechnik-bei-Wasserbetrieben/!5276200
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Berliner Wasserbetriebe
Phosphat
Energiepreise
Norwegen
Wasser
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