Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Teilmobilisierung in Russland: Eine traumatische Erfahrung
> Die „Teilmobilisierung“ von Russlands Präsident Putin für den
> Ukraine-Krieg betrifft vor allem nichtrussische Ethnien. Der Widerstand
> wächst.
Bild: Abschied nehmen im sibirischen Omsk: Dieser Mann wurde einberufen
Berlin taz | Was in Moskau und St. Petersburg eine Teilmobilisierung
bedeutet, gleicht in einigen Regionen Russlands einer
Komplettmobilisierung. Es häufen sich Berichte darüber, dass in den
Republiken Burjatien, Tuwa, Dagestan, Kalmückien, Tatarstan, Altai oder
Jakutien sämtliche Männer Einberufungsbefehle erhalten haben sollen.
Viele der betroffenen Männer haben keine militärische Ausbildung, sind zu
jung, zu alt oder zu krank, um in den Krieg zu ziehen. „Trotzdem hat man
sie aus allen Siedlungen zusammengekratzt, teilweise mitten in der Nacht
aus dem Bett geklingelt und abgeholt“, sagt einer, der anonym bleiben
möchte. Als ethnischer Burjate und Aktivist kämpft er gegen die russische
Nationalitätenpolitik, die er als rassistisch bezeichnet. Seine Region hat
er wie viele andere Burjaten vor ein paar Tagen über die mongolische Grenze
verlassen.
Dafür benötigt man jedoch einen Auslandsreisepass, über den nur 20 Prozent
aller russischen Staatsbürger:innen verfügen. „Unter den Einberufenen
sollen wenige ethnische Russen sein. In der burjatischen Bevölkerung wird
deshalb das, was uns gerade von der russischen Regierung angetan wird, als
Trauma, ethnische Säuberung und hybrider Genozid wahrgenommen“, so der
Aktivist.
Auch vor [1][Verkündung der Teilmobilisierung] wurden die ethnischen
Minderheiten Russlands im Krieg gegen die Ukraine überdurchschnittlich
eingesetzt, neben Arbeitslosen, Gefängnisinsassen und ärmeren Menschen aus
der Provinz. Auf einen gefallenen Moskauer kommen bisher 87,5 Dagestaner,
275 Burjaten und 350 Tuviner (Republik Tuva), laut der Zivilorganisation
Freies Burjatien und dem oppositionellen Medium [2][Mediazzona].
In abgelegenen Regionen soll die Mobilisierung auch ethnische Russen
betreffen, etwa im Dorf Tjumenevo in Sibirien. Novaya Gazeta Europe
berichtet, dass alle 59 Männer des Dorfes eine Einberufung zur Armee
erhalten haben.
## Ethnische Enklaven besonders betroffen
Von 5.000 Mobilisierten auf der von Russland völkerrechtswidrig
annektierten Halbinsel Krim [3][sollen über 80 Prozent zu den Krimtataren
gehören]. In den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine erhalten
Ukrainer im Eilverfahren russische Pässe und sollen ebenfalls mobilisiert
werden.
[4][Sogar tadschikische Migranten,] die in einem Migrationszentrum
außerhalb Moskaus eine Arbeitserlaubnis beantragt hatten, sollen unter
Nötigung mobilisiert worden sein. Sie sollen dazu genötigt worden sein,
einen Militärvertrag zu unterschreiben, um ihre Arbeitsdokumente zu
erhalten.
Die ethnischen Enklaven und abgelegene Regionen Russlands tragen die Last
des Krieges unverhältnismäßig stark, was nach Ansicht des [5][Institute for
the Study of War] dort zu Widerstand führen könnte.
Dieser regt sich seit Tagen immer stärker. Drei Beispiele von vielen: In
der tschetschenischen Hauptstadt Grosny demonstrierten 130 Mütter gegen die
Mobilisierung. In Burjatien gehen seit Tagen Menschen gegen den Krieg auf
die Straße. In Jakutien skandierten Hunderte Frauen „Lasst unsere Kinder
leben“ und „Nein zum Genozid“.
## Auf einen Rekrutierenden geschossen
Am Montagmorgen zündete sich ein Mann vor einem Rekrutierungsbüro in
Rjasan, etwa 200 Kilometer von Moskau entfernt, selbst an. In der Region
Irkutsk gab ein mobilisierter 25-Jähriger vier Schüsse auf den Kommandeur
des Rekrutierungsbüros ab, mit den Worten: „Hier zieht niemand in den
Krieg, wir gehen alle nach Hause.“ In Dagestan blockieren seit Sonntag
Hunderte die Straßen, unter anderem um Mobilisierungsbusse am Abfahren zu
hindern.
In einer dagestanischen Telegramgruppe wurden die Worte eines Demonstranten
wiedergegeben, berichtet Novaya Gazeta Europe: „Wir versammeln uns nicht,
um uns in ein paar Stunden aufzulösen – wir versammeln uns für einen
Maidan, um Zelte aufzustellen und ganz Dagestan auf diesem Maidan zu
versammeln – bis die Mobilisierung für den Kaukasus komplett abgesagt ist!“
26 Sep 2022
## LINKS
[1] /Russische-Kriegsfluechtlinge/!5880000
[2] https://zona.media
[3] https://twitter.com/margogontar/status/1573599231398617089?s=46&t=ShuSW…
[4] https://www.facebook.com/100001551959166/posts/5661783133883362/
[5] https://www.understandingwar.org
## AUTOREN
Anastasia Tikhomirova
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Tschetschenien
Dagestan
Sibirien
Mobilmachung
Russische Armee
GNS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
Russische Opposition
Eiskunstlauf
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Auf dem Einberufungsamt in Russland: „Sag Julchen, dass ich sie liebe“
Die Mobilmachung in Russland reißt Familien aus ihrem gewohnten Leben. In
Moskau muss so mancher ins Militärcamp – und dann wohl bald in den Krieg.
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Ukraine meldet russischen Beschuss
Laut Kiew mindestens 11 Tote in den Regionen Charkiw und Donezk. In den
russisch besetzten Gebieten der Ukraine enden heute die Schein-Referenden.
Krieg in der Ukraine: „Schlimmer als Hunde“
Aus Kriegsgefangenschaft freigekommene Ukrainer berichten von
Misshandlungen. In einem ehemals besetzten Dorf wurde ein Folterkeller
gefunden.
Asyl für russische Kriegsverweigerer: EU noch uneins
Deutschland ist offen für die Aufnahme russischer Deserteure. In der
Europäischen Union wird noch diskutiert.
Eiskunstlauf als Politikum: Ein Dopingfall im Rampenlicht
Kamila Walijewa lieferte die große Herz-Schmerz-Geschichte der Olympischen
Winterspiele. Jetzt ist die Russin zurück auf dem Eis.
Russische Scheinreferenden in Ukraine: Abstimmen unter vorgehaltener Waffe
In vier Regionen laufen die Scheinreferenden. Viele Anwohner berichten von
Zwang und Einschüchterung, andere versuchen zu fliehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.