# taz.de -- Doku „Adam und Ida“ in der ARD: Auf der Suche nach Heilung | |
> Eine Doku begleitet die jüdischen Zwillinge Adam und Ida, die sich nach | |
> 53 Jahren Trennung endlich wiederfinden. Ein Happy End gibt es trotzdem | |
> nicht. | |
Bild: Nach Jahren der Trennung treffen sich die Zwillinge Adam (links) und Ida … | |
„Ich wollte meine Familie finden. Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Und | |
ich habe meine Belohnung bekommen.“ Das ist das Resümee von Ida Paluch am | |
Beginn des einstündigen [1][Dokumentarfilms „Adam und Ida – Die lange | |
Suche der Zwillinge“], der die 53-jährige Odyssee der gleichnamigen | |
Geschwister und Schoah-Überlebenden erzählt. | |
Zum ersten Mal in ihrem Leben erzählen sie in ausführlichen Interviews | |
einem deutschen Filmteam ihre Lebensgeschichte, begleitet von privaten | |
Film- und Fotoaufnahmen sowie aufwendig gestalteten Animationen im | |
impressionistischen Stil, die subjektiv Adams und Idas persönliche | |
Erinnerungen verbildlichen. Unter der Regie von Jan Tenhaven und Tilman | |
Müller wird der schiere Kraftakt deutlich, den es für sie brauchte, um nach | |
den erlittenen Verbrechen des Holocaust zu heilen. Dass dazu auch eine | |
große Portion Glück nötig ist, zeigt die Geschichte der jüdischen Zwillinge | |
Adam und Ida Paluch aber auch. | |
Nach dem Selbstmord ihrer Mutter im [2][Ghetto] von Sosnowiec in Polen | |
werden Adam und Ida 1942 als Dreijährige von ihrer großen Schwester und | |
voneinander getrennt. | |
Während Ida in Sosnowiec von einem polnisch-katholischen Ehepaar versteckt | |
und adoptiert wird, hat Adam weniger Glück. Er überlebt das | |
[3][Konzentrationslager Majdanek] nur knapp und wird erst nach dessen | |
Befreiung ebenfalls adoptiert. Beide Kinder werden katholisch getauft, | |
bekommen neue Namen und eine neue Taufurkunde mit falschem Geburtsdatum. | |
Dass sie sich jemals wiederfinden könnten, scheint ausgeschlossen, denn | |
nach den Erfahrungen von Majdanek hat Adam nur noch schemenhafte | |
Erinnerungen an die Zeit vor der Befreiung des Konzentrationslagers. Die | |
katholische Familie, die ihn im Anschluss adoptiert, zeigt ihm keine Liebe | |
und grenzt ihn als Juden aus. Immer wieder reißt er aus und sucht in ganz | |
Polen nach Informationen, wer er ist. Vergeblich, denn ohne Kenntnis seines | |
wirklichen Namens hat er keinen Anhaltspunkt, wonach er suchen soll. | |
## Zweifel bleiben bis zuletzt | |
Aber er bleibt hartnäckig und heuert bei der polnischen Ozeanlinie an, um | |
umsonst die Welt zu bereisen und vielleicht irgendwo jemanden zu finden, | |
der ihm sagen kann, wer er ist. Doch auch nach seiner Rückkehr nach Polen | |
fühlt sich Adam, als würde er in einer falschen Welt leben. Auch seine | |
spätere Ehe, aus der drei Söhne hervorgehen, kann an diesem Gefühl nichts | |
ändern. Er entschließt sich, über Annoncen in jüdischen Zeitungen nach | |
Personen zu suchen, die ihm etwas über seine Herkunft berichten können. | |
Ida ergeht es derweil besser. Nach Kriegsende wird sie von ihrem leiblichen | |
Vater bei der sie liebevoll aufziehenden katholischen Familie gefunden. | |
Nach Startschwierigkeiten findet sie zurück in ihre jüdische Identität. Auf | |
einer jüdischen Schule erfährt sie als Holocaust-Überlebende eine | |
bevorzugte Behandlung durch ihre Lehrerinnen. Anders als Adam kann sie sich | |
an den Tod ihrer Mutter und die Existenz ihrer beiden Geschwister erinnern. | |
Das Wissen um die verlorenen Geschwister hinterlässt aber auch bei ihr eine | |
Lücke, die sie nicht füllen kann. Auch sie fängt an, nach ihnen zu suchen. | |
Ihre Suche treibt sie über Israel in die USA. 53 Jahre nach ihrer Trennung, | |
im Jahr 1995, meint Ida ihren Bruder hinter einer Zeitungsannonce zu | |
erkennen und kontaktiert ihn. | |
Mit den formal strengen Erzähltechniken und den zwei einnehmenden | |
Charakteren Adam und Ida gelingt es der Dokumentation, den mühsamen | |
Heilungsprozess vom Grauen des Holocaust im anrührenden Miteinander der | |
schließlich wiedervereinten Zwillinge zu zeigen. | |
Ein Happy End ist es aber nicht. Adam hat für Ida seine Familie in Polen | |
zurückgelassen und ist in die USA gezogen. Dort fällt es ihm schwer, sich | |
einzufinden. Und es bleiben bis zuletzt Zweifel, ob Adam wirklich Adam ist. | |
Und wie zur Mahnung bleibt stets ein dritter Stuhl während der Interviews | |
im Hintergrund unbesetzt. Das Schicksal ihrer großen Schwester ist nach wie | |
vor im Dunkeln. | |
Der Film schafft es, eine enorme emotionale Spannweite zu entfalten und | |
verdeutlicht das Schicksal vieler anhand zweier Überlebender des Holocaust, | |
von denen es nicht mehr viele gibt. | |
25 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/geschichte-im-e… | |
[2] /Historiker-ueber-Jugend-im-Warschauer-Ghetto/!5850165 | |
[3] /Mutmassliche-NS-Taeter/!5041789 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schütz | |
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