# taz.de -- Marke Patagonia geht an Umwelt-Stiftung: Widerspruch in sich | |
> Der Gründer der Outdoor-Marke Patagonia will sein Unternehmen an eine | |
> Umweltstiftung verschenken, um das Klima zu retten. Kann das | |
> funktionieren? | |
Bild: Umweltschutz durch Konsum? Mit Patagonia-Jacken soll das laut Gründer m�… | |
Der Klimawandel ist ein omnipräsentes Thema. Und auch wenn mittlerweile bei | |
einem Großteil der Bevölkerung das Bewusstsein über das drohende Ende | |
natürlicher Ressourcen verankert ist, gibt es bis heute noch keinen | |
konkreten Plan, wie dem beizukommen ist. | |
Während die Politik global über Lösungsansätze streitet, sind Umweltschutz | |
und Nachhaltigkeit mittlerweile auch längst fester Bestandteil | |
wirtschaftlicher Unternehmensphilosophien. Dass es besagten Unternehmen | |
damit nicht immer ernst ist, sondern das Bekenntnis zum Umweltschutz | |
lediglich den Versuch darstellt, durch Marketing und PR-Maßnahmen ein | |
„grünes“ Image zu erschaffen, während hintergründig keine Maßnahmen zur | |
Erhaltung der Umwelt getroffen werden, beschreibt das Phänomen des | |
„Greenwashings“. | |
Diesen Vorwurf kann man dem Outdoorartikel-Hersteller Patagonia nicht | |
machen. Natürlich ist eine durchweg nachhaltige und ethische Rohstoff-, | |
Erzeugungs- und Vertriebskette heute kaum umsetzbar. Aber das Unternehmen | |
war schon bestrebt, nachhaltige Wege in seinen Produktionsprozess zu | |
integrieren, bevor der Kampf gegen den Klimawandel zur „Mode“ wurde; bevor | |
die meisten global operierenden Unternehmen diesen Kampf überhaupt auf dem | |
Schirm hatten. | |
Nun hat Patagonia mit einer überraschenden Aktion Schlagzeilen gemacht: | |
[1][Unternehmensgründer Yvon Chouinard] hatte Ende der vergangenen Woche | |
verkündet, er werde sein Unternehmen an eine gemeinnützige Stiftung | |
übertragen. Das Ziel des 83-Jährigen sei es, sein Vermögen für den | |
Umweltschutz zur Verfügung zu stellen und Maßnahmen gegen den Klimawandel | |
zu ergreifen. | |
Das soll wie folgt funktionieren: Was an Umsätzen nach der Reinvestition in | |
das Unternehmen übrig bleibt, wird als Dividende ausgeschüttet, um zur | |
Bekämpfung der Umweltkrise beizutragen. In seiner Stellungnahme zu diesem | |
ungewöhnlichen Schritt sagte Chouinard: [2][„Wir sind im Geschäft, um | |
unseren Heimatplaneten zu retten.“] | |
## Bruch mit Fokus auf Gewinnmaximierung | |
Dafür hat der 83-Jährige in den vergangenen Tagen medial viel Lob bekommen. | |
Er lässt sich, so scheint es, neben Bono, Bernie und Noam Chomsky wunderbar | |
einreihen in die Hall of Fame der alten Männer mit Gewissen. Es macht sich | |
bereits ein Hauch von Personenkult bemerkbar um den als exzentrisch | |
beschriebenen einstmaligen Handwerker, der nach eigenen Angaben nie | |
Unternehmer werden wollte. Und wie auch nicht? Die Aktion bricht mit dem | |
Paradigma der ausschließlich auf Gewinnmaximierung fokussierten | |
Unternehmer*in. | |
Dass das Reden von der Rettung des Heimatplaneten allerdings selbst ein | |
gutes Geschäft ist, lässt sich auch am größten Marketingerfolg von | |
Patagonia aufzeigen: Im Jahr 2011 hatte das Unternehmen in einer | |
großformatigen Anzeige in der New York Times dazu aufgerufen, eine Jacke | |
nur dann zu kaufen, wenn sie dringend benötigt wird. In der Folge stiegen | |
die Verkäufe des Unternehmens rasant an. | |
Das ist kein Zufall. Denn die nachhaltige Produktion, die das Unternehmen | |
in einem 4-Punkte-Programm bewirbt und seinen Kund*innen aktiv anbietet – | |
Reduzieren, Reparieren, Wiederverwendung und Recycling –, funktioniert auch | |
am Markt bestens, weil es die Nachfrage eines Käufer*innenmilieus | |
bedient, das für fair hergestellte Produkte gerne bereit ist, mehr zu | |
bezahlen. Das Tragen einer Patagonia-Jacke fungiert dabei immer auch als | |
Zeichen für das Umweltbewusstsein der Träger*in, egal ob diese dem Aufruf | |
zur Nachhaltigkeit folgt, oder gleich sieben Jacken auf einmal kauft. | |
Nun wäre es verfehlt, Patagonia die Kaufintentionen seiner Kund*innen | |
anzulasten, der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt: Der große Erfolg | |
von Patagonia basiert auf seiner einzigartigen Markenidentität, die in der | |
aktiven und erfolgreichen Bewerbung seiner nachhaltigen Produktionsweise | |
liegt. Es ist so erfolgreich, weil es frühzeitig (egal ob aus Kalkül oder | |
Gewissen) eine Nische besetzt hat, die heutzutage vermehrt nachgefragt | |
wird. Würden alle auf die gleiche Weise produzieren, wäre der Kaufanreiz | |
wohl dahin. | |
Aber nehmen wir einmal an, es produzierten tatsächlich alle Unternehmen wie | |
Patagonia und wären dennoch in der Lage, Gewinne zu erzielen. Dem Planeten | |
wäre eben auch dann nicht geholfen. Ein erfolgreiches nachhaltiges | |
Kleidungslabel ist ein Widerspruch in sich. Und Patagonia ist mit einem | |
Firmenwert von etwa 3 Milliarden Dollar sehr erfolgreich. Denn Erfolg | |
bedeutet Wachstum, und Wachstum bedeutet bei einer warenproduzierenden | |
Firma einen steigenden Bedarf an Ressourcen, die sich nicht alle einfach | |
durch den in Umweltschutz investierten Umsatz wieder aufstocken lassen. | |
## Gegen Klimawandel lässt sich nicht anproduzieren | |
Das Vorhaben, die Erlöse einem guten Zweck zugutekommen zu lassen, ist wie | |
der zusätzliche CO²-Betrag fürs Fliegen, der vielbeschworene Tropfen auf | |
den erderwärmten Stein. Der Klimaschutz scheitert nicht, weil es an Geld | |
mangelt. Er scheitert, weil immer noch versucht wird, [3][dagegen | |
anzuproduzieren]. | |
Und damit sind wir wohl bei dieser tautologischen Phrase angelangt: „Es | |
gibt nichts Richtiges im Falschen.“ Eine Phrase, die regelmäßig den | |
Schlusssatz zu jeder x-beliebigen Diskussion am Abendbrottisch bildet, die | |
die Diskutierenden in andächtigem Nicken gewohnheitsmäßig verstummen lässt. | |
Bis zur ebenso phrasenhaften Trotzreaktion: „Irgendetwas muss man ja | |
trotzdem machen!“ Denn auch wenn es nichts Richtiges im Falschen gibt, so | |
ist doch das ökologisch Falsche immer noch das bessere Falsche, nicht wahr? | |
Jain! Die Entscheidung von Yvon Chouinard sollte als ebensolche | |
Trotzreaktion verstanden werden. Die Intention ist ehrenwert, Schule machen | |
dürfte das Beispiel aber nicht. So altruistisch die Intentionen von Yvon | |
Chouinard auch sein mögen, das Vorhaben, den Planeten am Markt zu retten, | |
bleibt Wunschdenken. Das darf in der Berichterstattung über diesen | |
zugegeben ungewöhnlichen Schritt nicht unter den Tisch fallen. | |
Im selben Atemzug, in dem das Besondere der Aktion hervorgehoben wird, muss | |
auch betont werden, dass sie nicht ausreicht, um unseren Planeten zu retten | |
– auch wenn sie kollektiv erfolgt. Bleibt diese Einordnung aus, so hilft | |
der Schritt am Ende weniger dem Planeten als dem Personenkult um Yvon | |
Chouinard. | |
19 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Klimaschutz-in-Unternehmen/!5881866 | |
[2] https://www.patagonia.com/ownership/ | |
[3] /Kapitalismus-und-Klimaschutz/!5879301 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schütz | |
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