# taz.de -- Rechtsterrorprozess in Frankfurt am Main: Er will nur provoziert ha… | |
> In Frankfurt steht ein junger Bombenbastler vor Gericht, der Anschläge | |
> geplant haben soll. Seine Befragung ist zäh – doch aufschlussreich. | |
Bild: Im Gerichtssaal bleibt Marvin E. auf Fotos anonym | |
Frankfurt/Main taz | Eine gute Stunde lang hat Richterin Bianca von Arnim | |
den [1][Angeklagten Marvin E.] geduldig zu seinen weltanschaulichen und | |
politischen Motiven befragt. Dann verliert sie die Fassung. Und zwar, als | |
der 20-jährige Tischler-Azubi sich zu antisemitischen Klischees bekennt. | |
Man erkenne Juden „an der Form der Nase“, erklärt er. „Sie wussten, wie … | |
mit Geld umgeht.“ | |
Dass in Nazideutschland Millionen Menschen jüdischen Glaubens ermordet | |
worden sind, räumt Marvin E. ein. Doch „der Nationalsozialismus hätte | |
funktionieren können“, sagt er. Aber bei der „Judenfrage“ sei er | |
„entartet“. Hitler hätte die Juden doch stattdessen „rausschmeißen kön… | |
statt sie zu liquidieren. Es ist der Moment, in dem die Richterin die | |
Geduld verliert. „Bitte wohin denn?“, fragt sie. Doch darauf weiß der junge | |
Mann keine Antwort. | |
[2][Seit Anfang August] muss sich Marvin E. aus dem nordhessischen | |
Spangenberg vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am | |
Main wegen schwerer Vorwürfe verantworten. Er soll versucht haben, eine | |
terroristische Vereinigung zur Vorbereitung einer schweren | |
staatsgefährdenden Gewalttat zu bilden. Im Haus seiner Eltern wurden [3][13 | |
gefährliche Bomben] gefunden, die er gebastelt haben soll, um in | |
Deutschland einen „Rassenkrieg“ zu entfachen, um den geplanten „Austausch… | |
der Weißen Rasse abzuwenden, so die Anklageschrift. | |
## 2021 kandidierte er für die CDU | |
Doch vor Gericht antwortet der eher schmächtige junge Mann zögerlich, nur | |
auf Befragen und in knappen, eher nichtssagenden Sätzen – auch am Freitag. | |
Oft hat er „keine Ahnung“. Politisch verortet er sich zwar „eher rechts�… | |
konkret aber wird er nicht. In seinem Heimatort hat er 2021 bei der | |
Kommunalwahl [4][für die CDU kandidiert]. „Jedes Land soll für sich selbst | |
sorgen“, lässt er seine „nationale Gesinnung“ erahnen und gibt dann doch | |
unfreiwillig einen Einblick in seine krude Gedankenwelt. | |
Als ihm etwa bei der mühsamen Aufzählung der Weltreligionen allein die | |
jüdische partout nicht einfallen will, fährt der Vorsitzende Richter | |
Christoph Koller dazwischen. „Ich frage mich, ob Sie uns alle für blöd | |
halten“, sagt er aufgebracht. | |
Auch schickte sich seine Familie in einem Whatsapp-Chat in den Monaten vor | |
seiner Festnahme immer wieder Bilddateien mit Fotos von Hitler zu. „Den | |
Adolf“ hätten sie „wie Emojis“, genutzt, erklärt Marvin E. Weil er es | |
„witzig“ gefunden habe. | |
„Einfach witzig“ fand er auch eine andere Bilddatei aus seinem Chatverlauf. | |
Man sieht einen weißen Mann auf einem Fahrrad, der mit einer | |
Maschinenpistole auf einen fliehenden schwarzen Jungen zielt. Der Text zum | |
Bild: „Wenn beim Grillen die Kohle wegläuft“. Richter Koller wird deutlich: | |
„Eine dreifach rassistische Sauerei“, nennt er das Motiv. Der weiße Mann | |
als Jäger, der Verfolgte, ein schwarzer Junge, der angeblich auf den Grill | |
gehört. Doch der Angeklagte will nur provoziert haben. | |
## Sein Manifest sei nur „Provokation“ gewesen | |
Dann wird das bei ihm aufgefundene Manifest unter dem skurrilen Titel | |
„Aktion RanzeKacke“, mit dem E. unter dem SS-Symbol des Flügelrads, den | |
rassistischen Kampf gegen die „Verschwörung der Schwarzen“ einleiten | |
wollte, verlesen. Mit dem zu gründenden hessischen Ableger der | |
US-Neonazi-Terrorgruppe „[5][Atomwaffendivision] (AWD)“ wollte er gegen | |
„Juden und Kanaken“ vorgehen, auch um sie als „dumm und nicht lebenswert�… | |
zu „dezimieren“, ist dort zu lesen. | |
Das alles sei nur als Provokation gedacht gewesen, sagt Marvin E.. | |
„Teilweise wahr, teilweise Schwachsinn.“ Das Gericht signalisiert, dass es | |
ihm das mit der Provokation nicht abnimmt und rät ihm, seine | |
Prozessstrategie zu überdenken. | |
Vor der Unterbrechung des Prozesses läuft noch ein Youtube-Video des | |
Angeklagten über die Bildschirme. Zu den Filmaufnahmen von marschierenden | |
NS-Soldaten und den martialischen Klängen der historischen Wochenschau hört | |
man die Stimme des Angeklagten, der einen zentralen Satz aus seinem | |
Manifest vorträgt: „Der Feind muss vernichtet werden!“ Das passt schon eher | |
zu den Waffen und Bombenfunden bei ihm, als seine verharmlosenden Aussagen | |
im Prozess. | |
2 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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