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# taz.de -- ZDF-Doku „Wahnsinnig schön“: Das bisschen Botox
> Eine neue Doku über den Schönheitswahn zeigt, dass der Filter-Trend nicht
> in den sozialen Medien endet. Sie verpasst, über das Bekannte
> hinauszugehen.
Bild: Der Film will dem Schönheitswahn den Spiegel vorhalten, doch liefert nur…
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Mit
der längst nicht mehr nur aus dem Märchen bekannten Frage beginnt die
ZDF-Doku „Wahnsinnig schön – Der Kult ums Aussehen“ von Bregtje van der
Haak. Der wenig einfallsreiche Einstieg zieht sich durch die in den
Niederlanden produzierte Doku, die an vielen Stellen verpasst, über das
Bekannte hinauszugehen.
„Du weißt, dass du eine schöne Frau bist?“, fragt der plastische Chirurg
Tom Decats seine Patientin, bevor er ihr die „Krähenfüße“, das sind die
kleinen Fältchen um die Augenpartie, wegspritzt. Früher habe er vor den
Eingriffen gewarnt. Heute versucht er nur noch, bestmöglich zu beraten. Von
den Eingriffen abzuraten, würde nur dazu führen, dass sie woanders unter
schlechteren Bedingungen gemacht werden. Denn der Schönheitshype hat einen
neuen Höhepunkt erreicht.
Die zwei Zauberwörter lauten: Botox und Filler. Botox zum Straffen. Filler
zum Aufpolstern. Gleich zu Beginn gelingt eine Bestandsaufnahme. Es wird
gezeigt, wie weit verbreitet die Nutzung von Filtern in sozialen Netzwerken
wie Instagram ist. Und dass [1][der Filter-Trend] längst nicht mehr nach
dem Hochladen der Bilder endet. Immer mehr Menschen wollen aussehen wie auf
den bearbeiteten Fotos.
Doch auch die besten Chirurg*innen können keine Filter in die reale
Welt übertragen. Und das zum Leidwesen vieler, wie in den knapp 40 Minuten
gezeigt wird. Denn aus der emotionalen Abhängigkeit – das eigene Ich
gefiltert sehen zu wollen – ist auch eine finanzielle geworden:
Influencer*innen, die Follower:innen verlieren und Stars, die in
Musikvideos ihre Kurven nur an den richtigen Stellen gebrauchen können.
## Doku schneidet wichtige Aspekte oft nur an
„Wahnsinnig schön“ verspricht Einblicke in die [2][Welt des Schönheitswah…
in Zeiten sozialer Netzwerke]. Sie wird diesem Versprechen zwar gerecht,
streift wichtige Aspekte wie die Gefahren und Folgen des ständigen Strebens
nach Schönheit jedoch oft nur. Und verharrt zu lange an Stellen, wo es
schon andere Dokus vor ihr getan haben: bei Influencer*innen, Models und
der Modeindustrie.
Keine Frage, dass sie es sind, die eine entscheidende Rolle in dem
gesellschaftlichen Verständnis von Schönheit einnehmen. Dennoch bleiben die
Erkenntnisse vorhersehbar: Die Norm in der Modelwelt ist schlank. Die
Modelwelt ist zu wenig divers. Was fehlt: ein stärkerer Fokus darauf, dass
die Problematik nicht nur auf den Laufstegen und in den OP-Sälen, sondern
auch im Alltag stattfindet.
Auch Diskriminierung aufgrund des Aussehens wird nur vage genannt. Dabei
hat sie einen Namen: Lookismus. In einer aktuellen Dokumentation über das
Thema Aussehen müsste dies klarer benannt werden. Expertin und Soziologin
Sylvia Holla verpasst nicht nur, Lookismus zu benennen, sondern auch, die
Abwertung aufgrund des Aussehens intersektionell zu betrachten. Denn sie
tritt zusammen mit anderen Diskriminierungsformen auf.
[3][Sexismus und Rassismus] sind nur einige Beispiele. Holla lässt diese
Aspekte außen vor. Und merkt stattdessen an, dass das neue Schönheitsideal
schlank und kurvig „für die weiße Frau“ schwerer zu erreichen sei. Von
Schönheitsidealen zu sprechen, ohne Weißsein als europäisches
Schönheitsideal zu benennen, wirft viele Fragen auf und wird erst wieder
von einer Schwarzen Aktivistin aufgefangen. Diese weist zwar auf die
Diskriminierung von People of Color hin, beschränkt sich aber leider
größtenteils auf Modemagazine, die diverser werden müssen.
Die Doku suggeriert zudem in Gestalt von Soziologin Holla, das
Schönheitsideal „schlank und dünn“ sei früher einfacher zu erreichen
gewesen. Nämlich, indem man einfach auf das Essen verzichtete. Heute sei
das aufgrund der Kurven schwerer. Den Leidensdruck und die Krankheitsbilder
zu verkennen, die aufgrund von „einfach weniger essen“ entstehen, ist
fatal. Die Dokumentation will dem Schönheitswahn den Spiegel vorhalten,
entpuppt sich aber als Ansammlung von teils bedenklichen Plattitüden. Sie
verpasst damit die Chance, einen wirklichen Mehrwert zu liefern.
16 Sep 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Larena Klöckner
## TAGS
Doku
Soziale Medien
Schönheit
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Schönheitsnormen
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Body Positivity
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