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# taz.de -- Umstrittene Leihmutterschaft: Domkantor gewinnt gegen Kirche
> Dem Braunschweiger Domkantor hätte wegen seiner Leihmutter-Pläne nicht
> gekündigt werden dürfen. Wieder einstellen will ihn die Kirche trotzdem
> nicht.
Bild: Möchte gern Papi und Domkantor sein: Hans-Peter Münden
Hannover taz | Das Urteil ist gesprochen, doch der Streit nicht beigelegt.
Am Donnerstag urteilte das Braunschweiger Arbeitsgericht, dass die
evangelische Landeskirche Braunschweig ihrem langjährigen und profilierten
[1][Domkantor Gerd-Peter Münden nicht einfach so hätte kündigen dürfen],
weil er darüber nachdachte, eine Leihmutter in Kolumbien in Anspruch zu
nehmen. Eigentlich müsste die Kirche ihn nun wieder einstellen – doch dazu
wird es erst einmal nicht kommen.
Noch vor der Urteilsverkündung hatten sich die beiden Streitparteien in der
Verhandlung darauf geeinigt, dass der Domkantor zwar das entgangene Gehalt
ausgeglichen bekommt – aber nicht zum Dienst erscheint, solange die
Berufung nicht ausgefochten und das Urteil damit rechtskräftig ist. Zu
grundsätzlich erscheint beiden Parteien die Streitfrage – und zu
hoffnungslos sind sie ineinander verkeilt. Gerd-Peter Münden arbeitet erst
einmal weiter als Musiklehrer an einem Gymnasium.
Im Kern geht es darum, dass die evangelische Landeskirche
Leihmutterschaften, insbesondere kommerzielle, die Frauen aus dem globalen
Süden ausbeuten, ablehnt. Sie wirft Münden vor, auf genau diese Art und
Weise an ein Kind kommen zu wollen.
Die Planung dafür sei schon weit gediehen, behauptet die Kirche. So habe es
bereits eine Reise nach Kolumbien, dort eingefrorenes Sperma,
Vertragsverhandlungen und möglicherweise sogar erste Zahlungen gegeben.
## An der Öffentlichkeit des Konflikts ist auch die Kirche schuld
Münden bestreitet dies, der Entscheidungsprozess sei noch überhaupt nicht
abgeschlossen gewesen, als ihn die Kündigung erreichte. In seinen Augen
geht es auch nicht um eine kommerzielle Leihmutterschaft, sondern um eine
altruistische.
[2][Die Eizellenspenderin und die austragende Mutter] würden dem schwulen
Paar helfen wollen, sein Mann, der ebenfalls aus Kolumbien stammt, pflege
eine freundschaftliche Beziehung zu diesen Frauen, das Geld diene lediglich
als Aufwandsentschädigung und die Summe sei auch viel geringer, als die
Kirche annehme.
Auch für das Arbeitsgericht erst einmal nur Gedankenprozesse – und die
könnten kaum einen derart schwerwiegenden Loyalitätsverstoß darstellen, als
dass sich damit eine Kündigung rechtfertigen ließe. Und wenn die Kirche nun
argumentiere, dass ihre Glaubwürdigkeit beschädigt werde, wenn ihr Kantor
offen gegen die ethischen Positionen der Kirche eintrete, dann müsse sie
sich anrechnen lassen, dass es nicht allein seine Schuld war, dass dieser
Streit öffentlich wurde.
Denn das gehört auch zur verzwickten Vorgeschichte dieses Konflikts: Er
wurde spätestens ab Februar dieses Jahres öffentlich, vor allem auch auf
den Leserbriefseiten der Braunschweiger Zeitung ausgetragen. Münden hatte
die geplante Leihmutterschaft mit verschiedenen Personen aus seinem
Arbeitsumfeld diskutiert. Wie vertraulich das war, gehört zu den
Streitpunkten. Münden hat unter anderem Beschwerde wegen Verstoßes gegen
die seelsorgerliche Schweigepflicht eingereicht.
## Kolleg:innen drohen mit Kündigung
Die Kolleginnen äußerten jedenfalls eine Reihe von Bedenken, die Münden
aber wohl nicht hören wollte. Sie riefen letztlich den Bischof auf den Plan
und es gab mehrere Gespräche und Briefwechsel in wechselnden
Konstellationen. In deren Verlauf hat Münden bei einigen wohl den Eindruck
erweckt, er würde Abstand von seinen Plänen nehmen – und sich kurze Zeit
später dann aber doch wieder alles offenhalten.
Dieser hoch emotionale Konflikt entgleiste vollends, als die Dompredigerin
über den großen E-Mail-Verteiler der Domsingschule rund 600 Eltern
aktueller und ehemaliger Domchorkinder ins Bild setzte.
Der Kirchenmusiker ist in Braunschweig eine ziemlich öffentliche Figur –
die Domsingschule wurde unter seiner Leitung seit 1999 zur Topadresse der
evangelischen Kirchenmusik, mit seiner Aktion „Klasse! Wir singen“ füllte
er große Hallen und wurde mit dem niedersächsischen Verdienstorden
ausgezeichnet.
Möglicherweise gerät ihm das jetzt aber auch zum Nachteil. Der ehemalige
Domkantor betont stets, wie gern er seinen Job zurück hätte. „Die Schule
ist toll, aber ich möchte Musik nun einmal lieber machen als erklären.“
Einen vergleichbaren Job zu finden, ist nicht ganz leicht, sagt Münden –
nicht in dieser Liga und nicht nach diesem öffentlichen Aufsehen.
An der Braunschweiger Domsingschule sollen allerdings andere
Mitarbeiter:innen mit Kündigung gedroht haben, wenn Münden
zurückkommt. Und seine Kirche ist entschlossen, das in der zweiten Instanz
zu verhindern.
16 Sep 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Leihmutter
Evangelische Kirche
Braunschweig
Arbeitsrecht
Reproduktive Rechte
Braunschweig
Familienpolitik
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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