# taz.de -- Klagen für den Klimaschutz: Vor Gericht gegen Autokonzerne | |
> Immer wieder verklagen Klimaschützer Großkonzerne. Nun gehen die Prozesse | |
> gegen VW und Mercedes-Benz in die entscheidende Phase. | |
Bild: Der Bio-Bauer Ulf Allhoff-Cramer macht VW mitverantwortlich für Schäden… | |
Freiburg taz | Müssen VW und Daimler mehr für den Klimaschutz tun? In den | |
kommenden Tagen werden die Landgerichte in Detmold und Stuttgart hierzu | |
wichtige Beschlüsse verkünden. Die von Greenpeace und der Deutschen | |
Umwelthilfe (DUH) geführten Prozesse gehen nun wohl in die entscheidende | |
Phase. | |
Die meisten [1][Klimaklagen] richteten sich bisher gegen den Staat. Erst am | |
Montag hat die [2][DUH Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) verklagt], | |
weil er ein mutmaßlich unzureichendes Sofortprogramm für den Klimaschutz im | |
Verkehrssektor vorgelegt hatte. | |
Allerdings sind auch große Unternehmen für erhebliche Klimabelastungen | |
verantwortlich, durchaus in der Größenordnung mittelgroßer Staaten. Schon | |
seit einigen Jahren klagen Aktivisten daher auch gegen Konzerne. | |
In Deutschland läuft seit 2015 die [3][Klage eines peruanischen Bergbauern] | |
gegen RWE. Der Energiekonzern erhöhe mit seinem gewaltigen CO2-Ausstoß die | |
Gefahr, dass ein Bergsee in den Anden überläuft und sein Haus zerstört. Das | |
Oberlandesgericht Hamm hat inzwischen mit der Beweisaufnahme begonnen. | |
Erfolg hatte im Mai 2021 eine Klage von niederländischen Umweltschützern am | |
Bezirksgericht Den Haag. Der Ölmulti Shell muss die CO2-Emissionen, die er | |
durch den Verkauf seiner Petrolprodukte verursacht, bis 2030 um 45 Prozent | |
senken. Über die Berufung von Shell gegen dieses Urteil ist noch nicht | |
entschieden. | |
In Deutschland stehen seit letztem Jahr vor allem die Autohersteller im | |
Fokus von Klimaklagen. So klagt der Biobauer Ulf Allhoff-Cramer gegen den | |
Volkswagen-Konzern und wird dabei von Greenpeace unterstützt. Die Klage | |
formulierte Anwältin Roda Verheyen, die auch schon den peruanischen | |
Landwirt vertritt. VW soll seine CO2-Emissionen massiv senken, weil der | |
Hof des Biobauern durch zunehmende Dürren existenziell bedroht sei. Im Mai | |
fand am Landgericht Detmold ein „früher erster Termin“ statt, bei dem die | |
Richter Zweifel an der Klage äußerten. Am Freitag wird das Gericht | |
verkünden, ob und wie der Prozess fortgeführt wird. | |
## Das Ziel: ein Verbot von neuen Verbrennern | |
Am Landgericht Stuttgart klagen drei DUH-Geschäftsführer gegen die | |
Mercedes-Benz AG. Anwalt ist Remo Klinger, der auch die Wissing-Klage | |
formulierte. Kommenden Dienstag will das Landgericht Stuttgart verkünden, | |
wie es weitergeht. Ein Parallelverfahren führt die DUH gegen BMW. Hier wird | |
das Landgericht München am 15. November erstmals verhandeln. Dagegen gibt | |
es für das DUH-Verfahren gegen den Gasproduzenten Wintershall/DEA am | |
Landgericht Kassel noch keinen Termin. Die Klagen gegen VW und Mercedes | |
verfolgen im Kern ein ganz ähnliches Ziel. Die Hersteller sollen ab 2030 | |
den Verkauf von Autos mit Verbrennermotor völlig einstellen. Bisher gibt | |
es keinen gesetzlich fixierten Endpunkt. In der EU zeichnet sich ab, dass | |
ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge verkauft werden dürfen. | |
Anwältin Verheyen stützt sich bei ihrer weiter gehenden Klage auf bekannte | |
Regeln der zivilrechtlichen Störerhaftung. Wer die Gefährdung von | |
Rechtsgütern eines anderen verursacht, muss das Verhalten einstellen, wenn | |
es eine entsprechende „Verkehrssicherungspflicht“ gibt. Verheyen zieht ein | |
Szenario der Internationalen Energie-Agentur für den KfZ-Bereich heran (NZE | |
AEC-Szenario). | |
Ähnlich argumentiert Remo Klinger in seiner Mercedes-Klage, der aber die | |
mittelbare Wirkung von Grundrechten gegenüber Privaten – die sogenannte | |
Drittwirkung der Grundrechte – stärker betont. | |
Im Zentrum beider Prozesse steht die Frage, ob Gerichte von Unternehmen ein | |
Verhalten verlangen können, das über die gesetzlichen Pflichten hinausgeht. | |
VW verneint dies in seiner Klageerwiderung. „Es ist Aufgabe des | |
demokratisch gewählten Gesetzgebers, den Klimaschutz mit seinen | |
weitreichenden Auswirkungen zu gestalten“, so VW. | |
Außerdem lehnte VW seine Verantwortung für den CO2-Ausstoß beim Fahren der | |
Pkw ab. Verursacher seien hier die Autofahrer. Dabei geht es immerhin um 98 | |
Prozent der CO2-Emissionen, die Greenpeace dem Konzern zurechnet. | |
Beim Landgericht Detmold wird am Freitag die Klage des Biobauern wohl nicht | |
abgelehnt werden. Anwältin Verheyen hatte auf manche Bedenken der Richter | |
reagiert und ihre Anträge teilweise präzisiert. Vermutlich wird das | |
Gericht nun einen Termin für die mündliche Verhandlung über die neuen | |
Anträge mitteilen. | |
Am Landgericht Stuttgart ist das Verfahren schon weiter gediehen. Hier hat | |
die mündliche Verhandlung bereits im Juni stattgefunden. Das Gericht wird | |
nun entweder in die Beweisaufnahme eintreten, oder es wird dem Europäischen | |
Gerichtshof Fragen vorlegen. Oder es lehnt die DUH-Klage ab. | |
8 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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