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# taz.de -- Hamburger Kleingärtner vor Gericht: Vorständin auf Egotrip
> In einem Kleingartenverein in Hamburg gibt es Streit, weil der Vorstand
> es nicht mit demokratischen Grundsätzen hält. Das beklagen gekündigte
> Pächter.
Bild: Friedlich geht es in einer Hamburger Kleingartensiedlung derzeit nicht zu
Hamburg taz | Zahllose Vorwürfe stehen gegen eine Hamburger
Vereinsvorständin im Raum, doch das alles nützte vor Gericht wenig: Zu
einem Spektakel [1][streitender Kleingärtner*innen] kam es am
Dienstagmittag im Hamburger Amtsgericht Wandsbek. Nach Kündigungen von
mehreren langjährigen Mitgliedern des Kleingartenvereins „Gartenfreunde in
Marienthal“ versuchten diese sich nun auf dem Rechtsweg gegen die Frau zu
stellen, der sie vorwerfen, persönliche Interessen durchzusetzen, wo sie
eigentlich doch das Wohl des gesamten Vereins im Blick haben müsse.
Sechs Kündigungen habe es seit dem Amtsantritt des neuen Vorstands im
Oktober 2021 mindestens schon gegeben, berichten Christian Gruber und Cord
Crasselt. Auch ihre beiden Mitgliedschaften wurden fristlos gekündigt. Seit
mehreren Monaten gäbe es nun schon Unmut innerhalb des Vereins aufgrund
„unverständlicher Maßnahmen“ des Vorstandes, berichtet Crasselt. Es seien
unter anderem Grundstücke unangekündigt durch den Vorstand besichtigt oder
willkürliche Abmahnungen ausgesprochen worden.
Darum hätten sich einige [2][Kleingärtner*innen des Vereins]
zusammengeschlossen und ein Minderheitsbegehren für eine Vorstandsneuwahl
eingereicht. Dieses wurde für die im Juni angesetzte Mitgliederversammlung
jedoch nicht genehmigt. Es sei „nicht fristgerecht und mit teilweise
fälschlichen Unterschriften eingereicht“ worden, beteuert die
Vereinsvorsitzende Marita Dinn vor Gericht.
Crasselt behauptet das Gegenteil, die 42 Unterzeichnungen seien gültig und
auch fristgerecht eine Woche vor der Versammlung eingereicht worden.
## Wahl einfach für ungültig erklärt
Bei der Mitgliederversammlung mussten ohnehin zwei weitere
Vorstandsmitglieder gewählt werden. Auch Crasselt stellte sich zur Wahl.
„Mit überwältigender Mehrheit“, so schildert es Crasselt, sei er zum
Schriftführer gewählt worden. Doch der Vorstand um Dinn habe diese Wahl für
ungültig erklärt. Demnach habe die Vorsitzende den Schriftführer Crasselt
nach der durchgeführten Wahl von seinen Vorstandspflichten wieder
entbunden.
Für Crasselt ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar. Er vermutet
einen persönlichen Hintergrund: Er ist seit 2018 [3][Schrebergartenpächter
des Vereins]. Auf seinem Grundstück hält er unter anderem einige
Bienenvölker. Aufgrund der Bienenhaltung habe es seit Mai dieses Jahres
immer wieder Abmahnungen durch den Vorstand gegeben. Die steigende Zahl der
Bienen beeinträchtige die Besitzer der Nachbargärten, beklagt die
Vorsitzende des Vereins vor Gericht. Die „nicht genehmigten Bienenvölker“
seien auch Grund der Kündigung.
Nachbargärtnerin ist jedoch die Vorsitzende persönlich und sie hatte mit
dem Vorstand kürzlich eine Satzungsänderung vorgenommen: Mindestens zwei
Nachbarparzellen zu beiden Seiten müssen der Bienenhaltung zustimmen.
Vorher war nur die Zustimmung der jeweils direkten Nachbarn nötig – die
Vorsitzende, deren Parzelle sich in zweiter Nachbarschaft zu Crasselt
befindet, darf nun auch mitentscheiden.
Das sorgte vor Gericht für hitzige Debatten: Während der Anhörung lieferten
sich die beiden immer wieder Wortgefechte. Selten konnten sie einen Satz
ohne Unterbrechung zu Ende führen, ohne dass es zu Widerspruch kam. Auch
einige Unterstützer*innen von Crasselt und Gruber im Zuschauerraum
riefen empört dazwischen. Deutlich wurde: Sie beklagen Willkür und
Machtmissbrauch durch die Vorsitzende des Vereins.
## Niederlage vor Gericht
Durch seine fristlose Kündigung ruhen nun Crasselts Mitgliederrechte,
deshalb kam es überhaupt zur Verhandlung vor dem Amtsgericht. Denn bei der
nun anstehenden außerordentlichen Mitgliederversammlung hätte er teilnehmen
und sich erneut zur Wahl stellen wollen, was durch die ausgesprochene
Kündigung nicht möglich ist. Vom Gericht wollte er sich bestätigen lassen,
dass er an der Versammlung teilnehmen darf.
Doch das zuständige Amtsgericht sieht das anders: Die Aussetzung der
Mitgliedschaft ist satzungskonform. Allerdings machte das Gericht deutlich,
dass es die Absetzung Crasselts von seinem Vorstandsposten für rechtswidrig
hält. Da dieser Aspekt allerdings nicht Teil des Verfahrens vor dem
Amtsgericht war, könne das Gericht folglich auch nicht ein Urteil darüber
fällen.
So bleibt Crasselt auf den Verfahrenskosten sitzen und die umstrittene
Vorsitzende auf ihrem Posten.
8 Sep 2022
## LINKS
[1] /Gentrifizierung-erreicht-das-Umland/!5832638
[2] /Rot-Rot-Gruen-streitet-ueber-Kleingaerten/!5765413
[3] /Gaertnern-im-Corona-Sommer/!5705604
## AUTOREN
Emma Philipp
## TAGS
Hamburg
Kleingarten
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Gericht
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Kleingarten
Wohnungsbau
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