| # taz.de -- Kolumne Fremd und befremdlich: Tatort Schrebergarten | |
| > In Schrebergärten gibt es Regeln zum Umgang mit Abwasser. Die Stadt | |
| > Hamburg will das Einhalten dieser Regeln kontrollieren – und das gibt | |
| > Ärger. | |
| Bild: Ein El Dorado der Toilettentäter. Wie will die Stadt die Missstände auf… | |
| Die Arbeit im Grünen diene der körperlichen Ertüchtigung und der gesunden | |
| Triebabfuhr der Stadtjugend, davon war der Orthopäde Moritz Schreber | |
| überzeugt. Insbesondere die Bekämpfung des Triebes war ihm ein ernstes | |
| Anliegen, wozu er bei ernsten Fällen abendlich kalte Sitzbäder und | |
| Kaltwasserklistiere empfahl. Erst nach seinem Tod aber, im Jahre 1864, | |
| wurde der erste nach ihm benannte Schreberverein gegründet, der noch gar | |
| kein Garten war, sondern ein Erziehungsverein. | |
| Heute gibt es jede Menge von Schrebergartenvereinen, die teilweise sogar | |
| etwas Erzieherisches in ihrem Wirken auf die Gesellschaft beibehalten | |
| haben. Der Schrebergarten ist das Grundstück des kleinen Mannes, der Freude | |
| am Gärtnern und der Natur innerhalb seines eigenen Zaunes hat. Die | |
| Schrebergartenbewegung hat heute mit anderen Dingen zu kämpfen als der | |
| Triebabfuhr, zum Beispiel mit der Hamburger Umweltbehörde, die den Schreber | |
| neuerdings ausspäht. | |
| Ich habe selber zwei sehr gute Freunde mit Schrebergarten und deshalb kenne | |
| ich einige der Probleme der Schreber. Es ist doch immer viel zu tun, es | |
| muss jede Menge Natur beseitigt und beschnitten werden, es muss ein | |
| Häuschen erhalten werden, und es gibt, wie es in der Natur nun mal so ist, | |
| immer eine gewisse Nähe zu den eigenen Ausscheidungen. Denn auch der | |
| Schreber muss. | |
| Aber anders als in der eigenen Wohnung, kann er diese Produkte nicht in der | |
| Toilette hinunterspülen, er muss sie kompostieren oder mit nach Hause | |
| nehmen. Toiletten mit Wasseranschluss sind nämlich in Schrebergärten | |
| verboten, auch das Spülwasser darf nicht abgelassen werden, es darf | |
| überhaupt nichts in den Boden gelangen, was nicht reines Wasser ist. Und | |
| das ist schon schwierig, denn nach dem Grillen muss doch abgewaschen | |
| werden. Nun ja, da kippt man das halt im Dunkeln auf den Rasen. Das darf | |
| man nicht, aber das bisschen Spüli, das bringt die Umwelt doch nicht um. | |
| Meine Oma hat in ihrem Leben nie Abwasser gehabt, die hat ihr Spülwasser | |
| immer auf den Hof gekippt, die konnte das gar nicht anders. Früher war das | |
| halt so, heute ist es immer noch ein bisschen so, im Schrebergarten, denn | |
| im Schrebergarten ist es ein bisschen so wie es früher war, deshalb ist es | |
| in ihm auch so gemütlich. Aber, wird gemunkelt, manche haben eben doch ein | |
| Wasserklosett und andere sogar eine Waschmaschine oder eine Spülmaschine in | |
| der Gartenlaube und haben es sich darin eingerichtet wie in einem Zuhause, | |
| weil sie es doch lieber bequem und gemütlich haben wollen. | |
| Es ist bei ihnen ja dann auch wie in ihrem richtigen Zuhause oder sogar | |
| schöner, weil sie in der Natur sind. Das ist nun mal gar nicht erlaubt oder | |
| sogar verboten. Und diese Missstände will die Behörde aufdecken, durch | |
| Ausspähung, wie es genannt wird. | |
| Wie funktioniert nun diese Ausspähung? Vorerst durch einen Fragebogen. | |
| Darin sollen die Schreber, danach befragt, erklären, ob sie ein | |
| Wasserklosett in ihrer Laube betreiben. Zum Beispiel. Und diese Fragebogen | |
| wollen manche Schreber einfach nicht ausfüllen. Sie fühlen sich unter | |
| Generalverdacht und fühlen sich durch die Fragebögen ausgespäht. Das kann | |
| ich irgendwie verstehen. Ich bin intuitiv auf der Seite der Rebellen, und | |
| so nennen sie sich auch, die Aufständischen, „Die Schreberrebellen“. | |
| ## Bedarf es einer Gruppe von Schreberdenunzianten? | |
| Das Rebellische finde ich erst einmal grundsätzlich gut, weil man dem Staat | |
| einfach nicht zu viel durchgehen lassen darf und es wichtig ist, dass die | |
| Gärten des kleinen Mannes zu seiner eigenen Erholung, wenn auch nicht mehr | |
| zur gesunden Triebabfuhr, erhalten bleiben. | |
| Aber wie soll nun die Behörde die Toilettentäter entlarven, wenn sie sie | |
| nicht vorher ausspäht? Bedarf es erst einer Gruppe von | |
| Schreberdenunzianten? Und wer soll sich dafür hergeben? Andererseits, wie | |
| soll man dem tapferen Kotkompostierer gerecht werden, wenn der Nachbar es | |
| sich einfach macht und die Spülung betätigt? Wie die Spreu vom Weizen | |
| trennen? Das konnten auch die mir persönlich sehr gut bekannten Schreber | |
| nicht beantworten. | |
| 6 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Seddig | |
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