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# taz.de -- Prozess zum Terroranschlag von Nizza: Sechs Jahre danach
> 2016 tötete ein Attentäter in Nizza 86 Menschen mit einem Lastwagen. Nun
> hat in Paris der Prozess begonnen, der offene Fragen klären soll.
Bild: Nizza, 14. Juli 2016: Das Tatfahrzeug wird von der Spurensicherung unters…
Paris taz | Nach dem kürzlichen Prozess zu den Attentaten des 13. November
2015 hat am Montagnachmittag in Paris ein weiterer Terrorprozess begonnen:
Für rund drei Monate wird vor einem Sonderschwurgericht in einem eigens für
die Terrorprozesse erstellten Gebäude neben dem Justizpalast zum Attentat
am 14. Juli 2016 in Nizza verhandelt. Der Attentäter selbst ist tot, doch
acht mutmaßliche Helfer sind angeklagt. Ihnen wird unter anderem die
Bildung einer kriminellen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Einer
von ihnen gilt als flüchtig.
Mehr als sechs Jahre sind vergangen, doch die schrecklichen Bilder des
Attentats auf der Promenade des Anglais in Nizza sind unvergesslich. Der
[1][Terrorist Mohamed Lahouaiej-Bouhlel] raste am Abend des 14. Juli 2016
mit einem Lkw in die Menschenmenge, die auf dieser Promenade an der
Mittelmeerküste das Feuerwerk zum Nationalfeiertag anschaute.
Er fuhr dabei im Zickzackkurs, um wahllos, aber voller Absicht möglichst
viele Menschen umzufahren. So tötete er 86 Menschen und verletzte mehr als
300, bis sein Fahrzeug gestoppt wurde. Polizeibeamte erschossen den Mann an
Ort und Stelle. Es war nach den [2][Attentaten des 13. November 2015] im
Bataclan-Konzertsaal und auf den Café-Terrassen von Paris sowie vor dem
Stade de France in Saint-Denis der schrecklichste islamistische
Terroranschlag in Frankreich.
Auch wenn der Attentäter jetzt nicht vor Gericht gestellt werden kann, wird
der Prozess Fragen zu seiner Person, seiner Herkunft und Ankunft in
Südfrankreich aufwerfen. Auch seine Radikalisierung, die anscheinend erst
kurz vor seiner Tat erfolgte, wird thematisiert werden.
## Plötzliche Radikalisierung
Die dazu bei den Ermittlungen befragten Angehörigen, vor allem sein Vater
und seine Ex-Gattin, sagen, der 31-jährige Tunesier sei ein zorniger und
gewalttätiger Mensch gewesen. Seine Frau beschreibt ihn als „pervers“. Er
war im März 2016 wegen vorsätzlicher Gewalt gegen seine Frau zu sechs
Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. An der Religion im
Allgemeinen und am Islam im Speziellen sei er lange überhaupt nicht
interessiert gewesen, er habe Alkohol getrunken und Schweinefleisch
gegessen.
Wenige Monate vor seinem terroristischen Anschlag schien er sich plötzlich
für den Koran zu interessieren und besuchte eine Moschee. Er begann, seine
Freunde und Bekannten wegen ihrer Kleidung und Musik zu kritisieren, er
ließ sich einen Bart wachsen und änderte sein Verhalten. Auf seinem
Mobiltelefon befanden sich noch Hinweise auf seine Internetsuchen zum Thema
Dschihadismus, islamistischen Terroristen und Massenanschlägen, aber auch
zu tödlichen Verkehrsunfällen.
Kurz nach dem Anschlag hat die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS)
in einer Mitteilung den Attentäter als einen ihrer „Kämpfer“ bezeichnet.
Die Justiz fand jedoch keinerlei Hinweise dafür und meint, der IS habe sich
nachträglich und in „opportunistischer“ Weise hinter diesen Mordanschlag
gestellt. In vielen Medienberichten zum nun beginnenden Prozess wird darauf
hingewiesen, dass ein Drittel der Attentatsopfer Muslime waren.
## Erst Verdächtiger, dann Held
Dass Lahouaiej-Bouhlel sein Attentat geplant und vorbereitet hat, belegt
die Tatsache, dass er dazu mehrere Tage zuvor einen 19-Tonnen-Lkw gemietet
und damit zur Erkundung der Strecke eine Testfahrt auf der Promenade
gemacht hat. Ein Bekannter, der ihn dabei begleitet hat, ist nun als
vermutlicher Mitwisser vor Gericht. Alle Angeklagten geben vor, von den
Attentatsplänen keinerlei Kenntnis gehabt zu haben. Vier von ihnen müssen
sich vor dem Gericht verantworten, weil sie ihm eine Schusswaffe verschafft
haben sollen.
Die Abwesenheit des Täters ist für die Angehörigen, die mit mehr als 800
zivilen Nebenklägern am Prozess teilnehmen, ein Grund zur Frustration.
Dennoch ist es laut Angaben ihrer mehr als hundert Anwälte für sie
unverzichtbar, dass dieser Prozess stattfindet.
Verstehen heiße nicht vergeben, meint Franck Terrier. Er gilt als Held des
14. Juli 2016, weil er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um auf seinem
Motorroller den Attentäter auf seiner mörderischen Fahrt zu stoppen.
Terrier wurde zunächst als vermeintlicher Komplize festgenommen, heute ist
er einer der Zeugen beim Prozess.
5 Sep 2022
## LINKS
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[2] /Terror-Prozess-um-Bataclan/!5810899
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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