# taz.de -- Finanzierung von Öffentlich-Rechtlichen: Französische Rundfunkgeb… | |
> Die Öffentlich-Rechtlichen werden in Frankreich künftig durch die | |
> Mehrwertsteuer finanziert. Welche Auswirkungen hat das? | |
Bild: Das Maison de la Radio in Paris, Hauptsitz des öffentlichen Hörfunksend… | |
PARIS taz | Wer bezahlt schon gern Abgaben für öffentlich-rechtliche | |
Fernseh- und Rundfunksender in einer Zeit, wo via Internet so vieles | |
scheinbar kostenlos zu haben ist? | |
Bisher wurde der „Beitrag zu den öffentlichen audiovisuellen Diensten“ | |
zusammen mit den lokalen Steuern, der Taxe d’habitation erhoben und | |
kassiert. Pro Haushalt betrug diese jährliche Gebühr 138 Euro. Wer kein | |
Gerät für den Empfang der Rundfunk- und TV-Sendungen besitzt, konnte das | |
auf der jährlichen Steuererklärung ankreuzen. Es war schon 2017 eines der | |
unzähligen populären Wahlversprechen von [1][Emmanuel Macron], die | |
Fernsehgebühren für die Steuerzahler abzuschaffen. Das ist nun von | |
Abgeordneten der Nationalversammlung im Rahmen einer Debatte über Maßnahmen | |
zur Wahrung der Kaufkraft in erster Lesung beschlossen worden. | |
Die linke Opposition hat dagegen gestimmt, sie befürchtet, dass es sich da | |
um ein „vergiftetes Geschenk“ für die Steuerzahler handelt, weil nun die | |
Finanzierung der öffentlichen Sender nicht mehr mit festen und | |
voraussehbaren Einnahmen garantiert ist, sondern vom Gutdünken der | |
jeweiligen Regierung abhängen wird. Denn in Zukunft sollen die öffentlichen | |
Medien aus den Einnahmen der Mehrwertsteuer bezahlt werden. Dabei handelt | |
es sich indes nicht um zweckgebundene Einnahmen der Staatskasse. | |
Entsprechend besorgt sind die Beschäftigten der betroffenen Sender (France | |
Télévision mit France 2, die Regionalsender von France 3, France 4 und | |
France 5 sowie Arte und ebenfalls die immer noch zahlreichen öffentlichen | |
Rundfunksender RFI, FIP, franceinfo, France Inter, France Culture, France | |
Bleu, France Musique, Mouv’), aber auch die mit diesen verbundenen | |
kulturellen Institutionen wie das Orchestre Philharmonique de Radio France | |
oder die Chöre von Radio France. Bereitet der liberale Macron damit eine | |
weitere Etappe zur Privatisierung der Information und Kultur vor? Die Angst | |
vor einer solchen Perspektive geht um in den Studios des Rundfunkhauses | |
Maison de la Radio bei der Seine-Brücke Pont de Grenelle, wo man schon | |
wegen geringeren Anlässe oft und lange gestreikt hat. | |
## Direkte Auswirkungen für die Demokratie | |
Da Macron bereits in einem ersten Schritt in seiner ersten Amtszeit den | |
Haushalten mit geringen Einkommen die Taxe d’habitation erlassen hat, fiel | |
für diese auch die Fernseh- und Rundfunkgebühr weg. Das wollte der | |
wiedergewählte Präsident für alle verallgemeinern. Die politische Rechte, | |
die zwischen Opposition und Kooperation schwankt, befürwortet dies als eine | |
Steuersenkung. Dass dabei mit der Zukunft der mehr oder weniger | |
unabhängigen Information durch die öffentlichen Sender gespielt wird, | |
kümmert sie kaum. Die Konservativen wie die extreme Rechte haben darum – | |
wie schon bei Voten über andere Regierungsvorlagen in der laufenden Session | |
– zusammen mit den Macronisten (deren Fraktionen keine parlamentarische | |
Mehrheit mehr haben) für diese Maßnahme gestimmt. | |
Die Linke war in der Nationalversammlung geschlossen dagegen. Nicht nur, | |
weil damit die Existenz der öffentlichen Sender infrage gestellt werde, | |
sondern auch, weil sie die zukünftige Finanzierung als ungerecht und | |
unsozial wie die Mehrwertsteuer überhaupt betrachtet. Durch die Hintertür | |
der Abgaben auf ihren Privatverbrauch werden nämlich Rentner*innen und | |
Geringverdienende, die bereits keine Gebühren für die Medien mehr bezahlt | |
haben, wieder zur Kasse gebeten, und dies zu denselben Ansätzen wie die | |
Reichsten der Gesellschaft. | |
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob in Frankreich, wo sich die größten | |
privaten Medienkonzerne im Besitz einer Handvoll von Milliardären mit zum | |
Teil unverhohlenen politischen Ambitionen befinden, nicht in | |
verhängnisvoller Weise eine Weiche in die Richtung einer Privatisierung der | |
Information, der Meinungsbildung und des Kulturschaffens gestellt wird. Die | |
Frage eines schleichenden Abbaus der öffentlichen Sender kann in diesem | |
Kontext direkte Konsequenzen für die Demokratie haben. Das schmälert die | |
Freude über das „Steuergeschenk“. | |
27 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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