| # taz.de -- Weltmarkt im Ungleichgewicht: Europas Gaskäufe und Asiens Problem | |
| > Europa kauft plötzlich große Mengen Flüssiggas. Andere Länder finden nun | |
| > keine Anbieter mehr. Insbesondere asiatische Staaten sind betroffen. | |
| Bild: Ankunft eines Tankers mit LNG im Hafen von Rotterdam | |
| Basel taz | In Deutschland [1][können die Gasspeicher schneller gefüllt | |
| werden] als erwartet. Das ist erfreulich für Deutschland und Europa, aber | |
| für manche andere Länder ist das ein Problem. Um die Speicher zu füllen, | |
| kaufen europäische Länder derzeit jede Ladung an [2][Flüssiggas] (LNG), die | |
| der Markt hergibt. Die Folge sind astronomische Preise: Am Tag vor | |
| Kriegsausbruch kostete eine Megawattstunde (MWH) Gas 90 Euro. Heute liegt | |
| der Preis bei über 270 Euro – rund dreimal so hoch. | |
| Das ist für Länder ein Problem, die ihren Gasbedarf nicht nur mit | |
| langfristigen Lieferverträgen gedeckt haben, sondern auch Gas kurzfristig | |
| auf dem „Spotmarkt“ kaufen. Dieser macht knapp zwei Fünftel des gesamten | |
| LNG-Markts aus und das Gas war dort meist günstiger zu haben als mit | |
| langfristigen Verträgen. | |
| Doch wer in der Vergangenheit gespart hat, zahlt jetzt drauf. Das größte | |
| Problem haben dabei Länder in Asien, allen voran Pakistan. Das Land begann | |
| das Jahr mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise, erlebte dann eine | |
| Hitzewelle und nun eine katastrophale Überschwemmung. Dazu kommen | |
| Stromausfälle, weil Gas fehlt. Das Land ist im Juli zum vierten Mal daran | |
| gescheitert, Gas auf dem Spotmarkt zu beschaffen. Es lag kein einziges | |
| Angebot vor. | |
| Noch kritischer ist die Lage in Sri Lanka. Wegen mangelnder Devisenreserven | |
| kann das Land quasi keine Importe mehr bezahlen – egal ob Medikamente oder | |
| eben Gas. Aber auch Bangladesch leidet, obwohl es finanziell besser | |
| aufgestellt ist als Sri Lanka und Pakistan. Das Land hatte im Juli | |
| Stromausfälle und der größte Stahlproduzent des Landes, BSRM Steels, hat | |
| wegen der Energiekrise seine Produktion um ein Fünftel gekürzt. | |
| In Südostasien ist insbesondere Thailand betroffen. Dort geht die | |
| einheimische Produktion seit Jahren zurück und zuletzt sind Importe aus | |
| Myanmar (Burma) wegen westlicher Sanktionen weggefallen. Da Thailand mehr | |
| als die Hälfte seines Strombedarfs mit Gaskraftwerken deckt, muss es nun | |
| Flüssiggas importieren. Das kann man seit Anfang September auch an der | |
| Stromrechnung ablesen: Strom ist jetzt 18 Prozent teurer als im Vormonat. | |
| Für viele dieser Länder kommen noch zwei weitere Probleme dazu: Seit Beginn | |
| des Krieges hat sich der Kohlepreis knapp verdoppelt, von 240 auf 414 | |
| Dollar pro Tonne und der Dollar ist im Vergleich mit den meisten Währungen | |
| stark gestiegen. Das verteuert Importe vom Weltmarkt, wenn man diese in | |
| Thai Baht, Bangladeschs Taka oder in pakistanische Rupien umrechnet. | |
| Zwei Faktoren könnten allerdings für etwas Entspannung sorgen: Freeport | |
| LNG, der zweitgrößte LNG-Exporteur in den USA, hofft, im November die | |
| Exporte wieder aufnehmen zu können. Wegen einer Explosion fiel dieser | |
| Anbieter ab Juni aus. Und in Europa dürften die Gasspeicher demnächst voll | |
| sein. | |
| Tom Haddon von der niederländischen Beratungsfirma Arcadis twitterte: | |
| „Deutschland hat erklärt, dass sich die Lagerbestände schneller als | |
| erwartet füllen, was darauf hindeutet, dass diese staatlich beauftragten | |
| Käufer kurz davor stehen, aus dem Markt auszusteigen.“ Dann könnte am | |
| Spotmarkt für Gas der Preis sinken – zumindest kurzfristig. Denn sobald in | |
| Europa die nächste Heizsaison beginnt und sich die Speicher wieder leeren, | |
| kommen die Europäer wieder als Käufer zurück – koste es, was es wolle. | |
| 2 Sep 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christoph Müller | |
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