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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Nirgends ein Happy End
> Endzeit-Science-Fiction zurück auf der Leinwand: Das Lichtblick-Kino und
> das Babylon Mitte zeigen diese Woche den Anime-Klassiker „Akira“ von
> 1988.
Bild: In „Akira“ (Regie: Katsuhiro Otomo, 1988) fliegt die Welt in die Luft
Die Ängste, die Katsuhiro Otomos Anime-Klassiker “Akira“ (1988) verhandelt,
stammen aus der Zeit des Kalten Krieges. Otomo hat hier seinen eigenen,
gleichnamigen Manga verfilmt, ein gewaltiges Werk, tausende von Seiten
lang, an dem er 1982 zu arbeiten begonnen hatte. Dritter Weltkrieg und
Apokalypse, damit beschäftigte man sich damals auch in Japan, einem Land,
das zudem den Schock der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki weiter
aufarbeiten musste.
Die Handlung von “Akira“ wurde aber in die damalige Zukunft verlegt, die so
ungefähr unsere Gegenwart ist, in das Jahr 2019. Als hätte Otomo geahnt,
dass uns heute, wo man mit Entsetzen darauf blickt, was in der Ukraine
passiert, die Furcht vor einem Dritten Weltkrieg wieder umtreibt. Auch aus
diesem Grund wirkt “Akira“ erschreckend zeitgemäß.
Allerdings ist das Anime noch viel dystopischer als unsere schlimmsten
Zukunftsvisionen. Es spielt in einem Neo-Tokio, das auf den Trümmern eines
1988 im Weltkrieg zerstörten Tokios wieder aufgebaut wurde. Und 31 Jahre
nach der Apokalypse droht bereits die nächste. Kräfte sind hier mit im
Spiel, von denen Politiker und Wissenschaftler dachten, sie hätten sie
unter Kontrolle. Haben sie aber nicht. Erneut drohen Chaos, Anarchie, eine
Militärregierung und die völlige Vernichtung von allem. Es scheint so, als
wollte Otomo wirklich alles, was man so an Paranoia haben kann, mit in
seinen Film packen.
Die jüngeren Anime-Fans, die heute mit unzähligen dieser ungemein populär
gewordenen japanischen Trickfilme überschüttet werden, können das wohl kaum
noch nachvollziehen, aber “Akira“ war Ende der Achtziger das ganz große
Ding. Er war in Japan ein großer Kinoerfolg und machte, zusammen mit dem
anderen großen Genre-Klassiker “Ghost in the Shell“, die Zeichentrickfilme
aus den japanischen Studios im Westen populär. So können Animationsfilme
also auch sein, dachten sich die Leute, die mit Walt Disney aufgewachsen
sind: brutal, gewalttätig und nirgendwo ist ein Happy End in Sicht.
## Unendliche Macht
“Akira“ hat wirklich alles, was es für einen richtigen
Endzeit-Science-Fiction-Film braucht. Eine Motorradgang, die durch die
Hochhausschluchten des halbzerfallenen Neo-Tokios rast, skrupellose
Entscheidungsträger an den Schaltzentren der Macht, Verschwörungen und
obendrein einen Soundtrack, bei dem einem der Atem stockt.
Man muss freilich auch beim x-ten Betrachten von “Akira“ höllisch
aufpassen, um die ganze hochkomplexe Story zu erfassen, die wirklich maßlos
und überwältigend ist. Wer oder was ist Akira überhaupt? Man erfährt es nur
so nach und nach und versteht erst so langsam, dass seine Macht tatsächlich
unendlich zu sein scheint. Man braucht vielleicht auch eine Weile, um zu
verstehen, dass die meisten der Figuren weder als rein gut oder rein böse
gezeichnet sind.
Natürlich ist etwa Tetsuo einer, der seine wachsenden Kräfte gerne auch
missbraucht. Gleichzeitig ist er aber auch Opfer eines zynischen Regimes,
das ihn für seine Zwecke einspannen möchte. Eigentlich war er vor kurzem
noch der Junge, der mit seinem Freund Kaneda durch die Stadt driftete, zum
Monster haben ihn dann andere gemacht.
“Akira“ ist so viel gleichzeitig: Kultfilm, Anime-Meilenstein,
Science-Fiction-, Cyberpunk-, und Bodyhorror-Film (allein, wie sich Tetsuo
schier endlos lange in ein völlig unförmiges Riesenbaby verwandelt, ist
wirklich ungeheuerlich). Und viele sagen: Um dieses Anime wirklich in
seiner ganzen Pracht erleben zu können, muss man es unbedingt auf der
großen Leinwand sehen. Gut, dass dies nun wieder in mehreren Vorstellungen
bis zum 7. September im [1][Babylon Mitte] und am 4. September im
[2][Lichtblick-Kino] möglich ist.
5 Sep 2022
## LINKS
[1] https://babylonberlin.eu/
[2] https://www.lichtblick-kino.org/
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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