# taz.de -- Verhaltensökonom Armin Falk: Todesfälle oder Menschenleben | |
> Das Gute wollen, aber letztlich Schlechtes tun? Der Verhaltensökonom | |
> Armin Falk zeigt, wann Menschen sich moralisch verhalten und wann nicht. | |
Bild: Der Verhaltensökonom Armin Falk | |
Tue Gutes und sprich darüber. Wer hätte gedacht, dass dieses einfache Motto | |
Einfluss darauf haben kann, wie wir uns in Fragen der Moral entscheiden. | |
Diese und weitere Erkenntnisse über (un)moralisches Handeln erläutert der | |
Leibniz-Preisträger und Leiter des Bonner Instituts für Verhaltensökonomik | |
und Ungleichheit Armin Falk in seinem Buch „Warum es so schwer ist, ein | |
guter Mensch zu sein … und wie wir das ändern können“. | |
Anhand zahlreicher Studien und Experimente mit Probanden will Falk das | |
Wesen moralischer Entscheidungen aufzeigen. Das mag etwas trocken klingen, | |
doch der Verhaltensökonom belegt seine Thesen mit zahlreichen Beispielen. | |
Falk hält sich nicht lange mit einer abstrakten Definition dessen auf, was | |
eine moralische Entscheidung oder altruistische Handlung ist. Vielmehr geht | |
es ihm um einen brauchbaren Arbeitsbegriff. Das unterscheidet ihn von | |
Philosophen, ebenso seine empirische Herangehensweise, findet jedenfalls | |
der Autor (und teilt hier einen Seitenhieb gegen die Philosophie aus). | |
## Moral hat ihren Preis | |
Eine altruistische Handlung, so Falk, zeitigt positive Folgen für andere. | |
Aber: „Moral hat ihren Preis.“ Diese Kosten lassen sich häufig sehr leicht | |
kalkulieren: Eine kleine Spende mag anderen das Leben erleichtern. Aber | |
wollen wir unser Geld wirklich teilen? | |
Falk illustriert eine Reihe von Mechanismen, die uns dabei helfen, unsere | |
unmoralischen Entscheidungen vor uns selbst zu verschleiern. Angebliches | |
Nichtwissen ist eine der sichersten Strategien, sich selbst vor moralischer | |
Schuld in Schutz zu nehmen. | |
Nach 1945 wollten sehr viele Deutsche nichts von der Judenverfolgung | |
gewusst haben. Das ist ein Extrembeispiel; aber auch in Fragen des | |
Klimaschutzes oder des sozialen Ausgleichs treffen wir eigennützige | |
Entscheidungen. | |
Allein die Darstellung eines Problems – also etwa die Betonung von Todes- | |
oder Überlebensraten – könne bei identischen Zahlen zu unterschiedlichen | |
Entscheidungen führen. „Es fällt uns leichter, Menschen einem Todesrisiko | |
auszusetzen, wenn wir über Todesfälle nachdenken, als wenn wir über | |
‚Menschenleben retten‘ nachdenken.“ | |
## Die Coronatodeszahlen | |
Letztlich geht es eben nicht, wie in der Diskussion über Fake News betont | |
wird, lediglich um das Benennen von Fakten. Es geht auch um deren | |
Darstellung. Man denke nur an die Berichterstattung über Coronatodeszahlen. | |
Die im Buch versammelten Erkenntnisse können helfen, uns selbst und | |
moralische Zwickmühlen besser zu verstehen. Doch sie offenbaren auch eine | |
brisante Erkenntnis: Wenn die Präsentation von Fakten Einfluss auf unser | |
altruistisches Handeln hat, geht die größte Gefahr für unsere Moral | |
womöglich von manipulativer Sprache und Narrativen aus. | |
31 Aug 2022 | |
## AUTOREN | |
Marlen Hobrack | |
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