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# taz.de -- Schwere Kämpfe um Tigray: Äthiopiens Krieg bricht erneut aus
> Nach fünf Monaten Ruhe wird wieder gekämpft. Äthiopiens Regierung und
> Tigray-Rebellen beschuldigen sich gegenseitig, Friedensprozess scheitert.
Bild: Äthiopische Armee in Tigray, hier im Mai 2021
Berlin taz | Nach mehreren Monaten relativer Ruhe ist der Bürgerkrieg in
Äthiopien zwischen der Zentralregierung unter Ministerpräsident Abiy Ahmed
und der Regionalregierung der abtrünnigen Nordprovinz Tigray wieder
aufgeflammt. Regierung und Tigray-Rebellen machten sich am Mittwoch
gegenseitig für den Wiederausbruch schwerer Kämpfe verantwortlich.
Ihr Ausmaß und Verlauf war nicht unmittelbar klar, aber [1][von der
Nachrichtenagentur Reuters zitierte Augenzeugen] bestätigten den Einsatz
schwerer Waffen seit dem frühen Morgen in der Stadt Kobo, einer Grenzstadt
der Region Amhara an der Südgrenze Tigrays. Die tigrayische Seite meldete
auch Kämpfe in mehreren Teilen Tigrays selbst.
Der Krieg um Tigray hatte im November 2020 begonnen. Damals hatte
Äthiopiens Armee innerhalb weniger Wochen mit Unterstützung Eritreas die
Kontrolle über Tigray übernommen, nachdem die Regionalregierung der TPLF
(Tigray-Volksbefreiungsfront) die alleinige Kontrolle über die militärische
Infrastruktur der Region beansprucht hatte.
Im Mai 2021 eroberten die Tigray-Streitkräfte [2][Tigrays Hauptstadt
Mekelle] zurück und stießen danach tief nach Äthiopien vor, unterstützt von
lokalen Rebellen der Oromo-Ethnie, bis sie im November 2021 auf dem Sprung
in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba 800 Kilometer südlich von Mekelle
standen. Mittels zusammengewürfelter Milizen der Amhara-Ethnie wurden sie
danach wieder bis fast an die Grenze Tigrays zurückgeworfen.
Seit der Jahreswende war der Konflikt faktisch eingefroren. Die
Tigray-Rebellen kontrollierten das Zentrum und den Osten Tigrays rund um
Mekelle. Der Westen an der Grenze zu Sudan ist von Milizen der
Nachbarregion Amhara besetzt. Im Rest Äthiopiens hat sich zusätzlich ein
ethnischer Konflikt zwischen Oromo und Amhara entwickelt.
Tigrays Rebellengebiet bleibt einer [3][Blockade] unterworfen und erleidet
die nach UN-Angaben schlimmste Hungersnot der Welt. Vor genau fünf Monaten,
am 24. März, erklärte Äthiopiens Regierung einseitig eine „unbefristete
humanitäre Waffenruhe“ in Tigray. Doch noch im Juni hatten 89 Prozent der
Bevölkerung [4][laut UN-Welternährungsprogramm WFP] zu wenig zu essen, 47
Prozent litten unter „schwerer Ernährungsunsicherheit“.
Nur ein Bruchteil der benötigten humanitären Hilfe kommt durch, vor allem
weil die äthiopischen Behörden verhindern wollen, dass Benzin nach Tigray
gelangt.
## AU-Vermittlung für Friedensgespräche
Schritte in Richtung Frieden hatte zuletzt die [5][Afrikanische Union (AU)]
unternommen, die ihren Sitz in Addis Abeba hat. Der AU-Sonderbeauftragte
für Äthiopien, Nigerias Expräsident Olusegun Obasanjo, holte in den
vergangenen Monaten die Zustimmung beider Seiten zu Friedensgesprächen ein.
In Addis Abeba und Mekelle entstanden im Juli staatliche „Friedenskomitees“
und es fanden sogar zwei Runden Direktverhandlungen zur Vorbereitung
formaler Gespräche statt.
Doch der erste Stolperstein erwies sich bereits als der entscheidende: Die
Tigray-Rebellen sehen die AU-Vermittlung als unzureichend an, weil die AU
in Addis Abeba sitzt, und verlangen, dass Gespräche in Kenias Hauptstadt
Nairobi stattfinden, mit dem dortigen Präsidenten Uhuru Kenyatta als
Schirmherr. Die äthiopische Regierung hingegen beharrt darauf, dass die
Vermittlung ausschließlich bei der AU liegt.
Die Vorgespräche zeigten auch, wie weit beide Seiten auseinanderliegen.
Tigrays Rebellen verlangen als ersten Schritt die Aufhebung der Blockade
ihrer Region. Äthiopiens Regierung verlangt als ersten Schritt einen
Waffenstillstand.
Tigray verlangt außerdem, dass es den von Amhara besetzten Westen der
Region zurückerhält. Äthiopiens Regierung kann das nicht tun, ohne sich die
mächtigen Amhara-Milizen zum Feind zu machen.
Am einfachsten lassen sich solche Unstimmigkeiten durch eine neue
Kriegsrunde überwinden, die klärt, wer der Stärkere ist. Bereits vor einer
Woche warnte die Tigray-Regionalregierung in einem [6][Schreiben an die
Vermittler], dass „Äthiopiens Regierung und ihre Verbündeten erneut zum
Krieg trommeln“.
Am Montag [7][erklärte der äthiopische Generalstab], die Kampfbereitschaft
der Streitkräfte sei „besser als je zuvor“ und man stehe bereit, „jede
feindliche Kraft zu zerstören“. Am Dienstag wurde [8][den äthiopischen
Medien verboten], „unnötige Informationen“ über militärische Aktivitäte…
verbreiten.
Jetzt ist klar, warum.
24 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.reuters.com/article/ethiopia-conflict-idAFL1N3000ET
[2] /Krieg-in-Aethiopien/!5812726
[3] /Krieg-in-Aethiopien/!5805950
[4] https://reliefweb.int/report/ethiopia/wfp-ethiopia-country-brief-june-2022
[5] https://au.int/
[6] https://twitter.com/RAbdiAnalyst/status/1562374134331752449
[7] https://addisstandard.com/news-army-at-level-of-readiness-to-repel-any-atta…
[8] https://addisstandard.com/news-ethiopia-army-issues-warning-calling-for-imm…
## AUTOREN
Dominic Johnson
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