Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Expertin über Fabriken in Kambodscha: „Große Marken wälzen die…
> Textilmüll durchläuft in Kambodscha ein informelles Netzwerk.
> Nachhaltigkeits-Expertin Hanna Guy fordert Markenhersteller zum Handeln
> auf.
Bild: Textilarbeiterinnen nähen für H&M in Kambodscha
taz: Frau Guy, wie sieht der Arbeitsalltag in einer Bekleidungsfabrik in
Kambodscha aus?
Hanna Guy: Wir sprechen hier von Tausenden von Menschen, die Schulter an
Schulter in einem Gebäude arbeiten. Es gibt zu wenige Toiletten, Pausen und
Möglichkeiten, sich auszuruhen und zu essen. 10-Stunden-Schichten plus
Überstunden sind Standard, sechs Tage die Woche. Der Mindestlohn in der
Bekleidungs-, Textil- und Schuhindustrie beträgt 194 US-Dollar im Monat.
Wie wichtig ist die Bekleidungsindustrie für Kambodscha?
Sie ist neben dem Baugewerbe, dem Tourismus, der Landwirtschaft und dem
Bergbau eine der wichtigsten wirtschaftlichen Säulen Kambodschas. Viele
internationale Marken lassen in Kambodscha produzieren. Allerdings ist die
Zahl der Bekleidungsfabriken zurückgegangen.
Wie kommt das?
Einer der Gründe: Die EU hat verschiedene Handels- und
Steuererleichterungen aufgehoben, die für Kambodscha gewährt wurden.
Mit dem „Alles außer Waffen“-Abkommen bietet die EU den am wenigsten
entwickelten Ländern einen zoll- und quotenfreien Zugang zum EU-Markt.
[1][Die EU beschloss, das Abkommen für Kambodscha im August 2020 teilweise
aufzuheben] wegen Bedenken hinsichtlich der Menschen- und Arbeitsrechte.
Das Ziel war es, Kambodscha zu ermutigen, die sozialen Bedingungen zu
verbessern. Aber abgesehen von Covid-19 gibt es eine weitere Entwicklung
der Branche: Sehr große Marken ziehen aus Kambodscha ab, viele gehen nach
Vietnam und Myanmar. Und es gibt auch eine aufstrebende Industrie in
mehreren Ländern Afrikas.
Ist es jetzt also billiger, in Vietnam oder Myanmar zu produzieren?
Nicht per se, aber wenn man sich die Gesamtkosten der Massenproduktion
ansieht. Vietnam zum Beispiel verbessert die Zugänglichkeit von Stoffen,
die Bedingungen für Importe und Exporte und hat in die Ausbildung von
Fachkräften investiert. Es mag zwar etwas teurer sein, aber man hat dort
Zugang zu besser ausgebildeten Arbeitskräften.
Nach einer Recherche wirft [2][Greenpeace vielen globalen Bekleidungsmarken
vor, dass ihre Abfälle in Kambodscha in Brennöfen entsorgt] werden. Was
halten Sie davon?
Die Sache ist aus meiner Sicht nicht so einfach. Als ich die Fabriken
besuchte, waren viele sehr transparent in Bezug auf ihre Abfallpraktiken.
Sie überwachten die Abfälle und sie entsorgten sie über einen
Dienstleister.
Wieso landen dann trotzdem Textilabfälle in Öfen, wo sie nicht landen
sollten?
Es gibt eine ganze Kette, über die der Abfall entsorgt wird. Erst wird er
vielleicht an einen Großhändler verkauft, dann in kleineren Portionen
weiterverkauft, manchmal vier- oder fünfmal. Am Ende kauft jemand
Lkw-Ladungen voller Abfällen. Darin können Markenetiketten enthalten sein,
aber auch Plastik aus anderen Fabriken oder Flaschenreste. Bevor der Müll
in die Brennöfen gelangt, hat er ein ganzes informelles Netzwerk
durchlaufen.
Und sind die großen Marken trotzdem verantwortlich?
Die globalen Bekleidungsunternehmen tragen die Verantwortung, es ist immer
noch ihr Abfall. Sie wälzen die Schuld auf die Fabriken ab, die sie
beauftragen. Doch es sind die großen Marken, die Milliarden verdienen, und
sie sollten ihre Lieferkette überwachen. Sie müssen Teams vor Ort haben,
die dafür sorgen, dass der Abfall verfolgt wird.
Was sollte die kambodschanische Regierung tun?
Mittlerweile gibt es weltweit ein Bewusstsein dafür, unter welchen
Bedingungen die Kleidung hergestellt wird. Verbraucher fordern
Nachhaltigkeit. Das ist der Grund, warum beispielsweise Nike sagt, dass sie
fair sein und Biobaumwolle verwenden wollen, oder warum Levis weniger
Wasser für seine Denim verwendet. Alle Länder, auch Kambodscha, müssen ihre
Bedingungen verbessern, um da noch wettbewerbsfähig zu sein und Zugang zu
diesen Märkten zu erhalten.
Tragen Sie Kleidung bekannter Marken?
Ich persönlich trage keine Marke, bis sie in ihrer Lieferkette für
existenzsichernde Löhne sorgt.
8 Aug 2022
## LINKS
[1] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_01_166
[2] /Gefaehrliche-Muellentsorgung-in-Kambodscha/!5872802
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Kambodscha
GIZ
Textilproduktion
Textilarbeiter
Textilbranche
Textilfabrik
Textilien
Textilindustrie
Lieferketten
Kambodscha
Mikrokredite
Lieferketten
Kambodscha
Kleidung
Kambodscha
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Scheinwahl in Kambodscha: Hun Sen lässt seine Partei wählen
Erneut tritt keine nennenswerte Oppositionspartei bei der Wahl an. Doch der
sichere Sieger, Premierminister Hun Sen, bereitet seine Amtsübergabe vor.
Verschuldung durch Mikrokredite: „Entschädigung ist unser Ziel“
Der Investor Oikocredit investiert in Mikrofinanzinstitute in Kambodscha,
die Armut verschärfen. NGOs reichen OECD-Beschwerde ein.
Gewalt in der Lieferkette: Erschossene beim Soja-Anbau
Vorwürfe gegen Agravis: Der Agrarhändler importiert angeblich von einer
brasilianischen Genossenschaft, die in Landkonflikte verwickelt ist.
Gefährliche Müllentsorgung in Kambodscha: Marken-Pulli im Brennofen verfeuert
In Kambodscha landen Reste aus Textilfabriken in Ziegelöfen. Greenpeace hat
Beweise gesammelt und kritisiert die Unternehmen Nike, Reebok, Next und
andere.
Kleidung und ihre Produktionsbedingungen: Auf Kante genäht
Textilfabriken in Bangladesch und Pakistan können gefährliche Arbeitsplätze
sein. KiK-CEO Patrick Zahn will das ändern und war vor Ort. Eine Reportage.
Unrechtsjustiz in Kambodscha: Neuer Schlag gegen die Opposition
In Kambodscha sind Dutzende Oppositionelle zu Haftstrafen verurteilt
worden. Der Grund: Sie begrüßten die Rückkehr eines Oppositionsführers.
Globale Klimapolitik: Gegengift gegen die Verzweiflung
Der Bericht zu den Entwicklungszielen steckt voller Hiobsbotschaften. Doch
er liefert die nötigen Daten, um Druck auf die Staaten zu machen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.