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# taz.de -- Streaming-Probleme bei Italiens Fußball: Tifosi in Geiselhaft
> In Italien macht die Streamingplattform DAZN Negativschlagzeilen: Sie
> liefert nicht die Fußballbilder, die sie versprochen hat.
Bild: Schön, wenn man live dabei war: Verona gegen Neapel zum Ligaauftakt
Die Ergebnisse des ersten Spieltags in Italien dürften viele so auf dem
Tippschein abgegeben haben, wie sie dann auch hochoffiziell in die Tabelle
eingetragen wurden – die Favoriten gewannen allesamt. Überraschend war,
dass viele sich nicht per Livebild über die Ereignisse informieren konnten.
Landesweit hatten Abonnenten der Streamingplattform DAZN Probleme, sich
einzuloggen. Bei anderen blieb nach wenigen Spielszenen der Bildschirm
dunkel.
Stattdessen erschien die Nachricht: „Etwas funktioniert nicht. Leider hat
sich ein Fehler auf DAZN ergeben. Bitte wiederholen.“ Auch das führte für
viele nicht zum Erfolg. Glücklich konnte sich noch schätzen, wer die
Nachricht mit einem Link erhielt, über den Abonnenten nur mit ihrer Mail,
aber ohne Log-in in die Übertragung einsteigen konnten. Viele erreichte die
Nachricht aber nicht. Und so ergab sich die drollige Situation, dass
mancher TV-Kommentar zwar den Link zum Alternativzugang erwähnte – davon
erfuhren aber nur die, deren Übertragung stabil war und die überhaupt erst
aufgrund dieser Info vom Chaos jenseits des eigenen Monitors wussten.
Zugleich schadete sich DAZN damit selbst. Denn der Hinweis war garniert mit
dem Zusatz, dass es strafbar sei, den Link an Nichtabonnenten
weiterzugeben. Wie viele es doch taten, aus Protest oder aus Prinzip, ist
nicht bekannt. Paradox ist, dass der Ligaverband der Serie A zum
Saisonstart eine Kampagne gegen Piraterie beim TV-Empfang lancierte. Nichts
wirkte lächerlicher, weil zugleich der offizielle Anbieter seinen Service
nur über einen freien Link aufrechterhalten konnte.
Die Ausfälle lösten einen Sturm auf Social Media aus. Betroffen war
schließlich das gesamte Land. Über 7.000 Fehlermeldungen von Nutzer*innen
gingen allein am vergangenen Sonntag bei der Plattform Downdetector für
DAZN in Italien ein, knapp 2.000 waren es am Samstag bei den ersten Spielen
der Saison. Und dass es bei den Montagsspielen besser war, lässt sich auch
nicht behaupten. 970 Störungsmeldungen gingen ein.
## Begrenztes Wachstum
Schnell nahm sich die Politik des Themas an. Ob Matteo Salvini von der
rechten Lega Nord, Mitte-links-Politiker Benedetto Della Vedova oder der
linksliberale Carlo Calenda – sie alle klagten DAZN der Unfähigkeit an. Der
aktuelle Außenstaatssekretär Della Vedova sah Italiens Tifosi gar in
Geiselhaft des Streaminganbieters. Calenda beklagte, dass der technisch
seriöser aufgestellte Kontrahent Sky beim letzten Bieterstreit um die
TV-Rechte gegenüber DAZN verloren hatte. 840 Millionen Euro zahlt DAZN pro
Saison für die alleinigen Übertragungsrechte. 29,99 Euro kostet das
monatliche Abo. Bei derzeit etwa 2,5 Millionen Abonnenten sind diese Kosten
zumindest gedeckt. Fraglich indes ist, ob das auch für die komplette
technische Infrastruktur und die Gehälter der Angestellten gilt.
[1][Das Wachstum insgesamt ist begrenzt.] Zwar gibt es laut dem
Marktforschungsunternehmen Ipsos etwa 25 Millionen Fußballfans in Italien,
darunter allein acht Millionen für Serienmeister Juventus. Sky, lange Zeit
der Platzhirsch bei den Übertragungsrechten im Fußball, konnte sein
Sportpaket in Italien aber auch nur an etwa 2,4 Millionen Abonnenten
verkaufen. Dort immerhin war die Übertragung stabil. Sie läuft über
Satellitenempfang.
Viele Kunden von DAZN nutzen aber ihr nicht immer gut ausgebautes WLAN zum
Streaming mit DAZN. Das erklärt einen Teil der Probleme. Auffällig war
auch, dass viele Nutzer*innen, die erst kurz vor Spielbeginn den
Log-in-Prozess starteten, draußen blieben. Das deutet auf Systemüberlastung
wegen zahlreicher paralleler Zugriffsversuche hin.
Weniger Probleme hatten offensichtlich Nutzer*innen, die über TIMvision
zugriffen, das Streamingportal des Telekommunikationskonzerns TIM. TIM
beteiligte sich an der Finanzierung der Rechte durch DAZN – eine Art
Parallelkrieg gegen den Rivalen Sky, der TIM seit Jahren bei den
Sportrechten ausbootet.
Nach Intervention der Aufsichtsbehörde Agcom hat DAZN Italia seinen
Abonnenten aufgrund der Ausfälle zumindest einen Rabatt von 25 Prozent
angeboten – ein erster Schritt zur Besänftigung. Der Streamingdienst bekam
das sogar hin, obwohl die Position des Chefs für das Kundenmanagement
weiterhin unbesetzt ist. Sowohl für den Standort Mailand wie für den
Standort München werden neue Chefs für diese Abteilung gesucht. Eine gute
Gelegenheit für Kritiker*innen, einen Schlüsseljob im Inneren eines
selbst ernannten Disrupters zu ergattern. Eine Neigung zum Masochismus
könnte bei der Berufsausübung helfen.
19 Aug 2022
## LINKS
[1] /Premiumprodukt-Fussball/!5870007
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Sky
Streaming
Fußball und Politik
Fußball
Kolumne Frühsport
Weltmeisterschaft
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