# taz.de -- Brandenburg: Was ein rechter Sportsfreund ist | |
> Kickbox-Europameister Mario Schulze hat gute Beziehungen zur Naziszene - | |
> ein Freund von ihm steht seit Mittwoch vor Gericht. Trotzdem arbeitete | |
> Schulze bis vor Kurzem als Antigewalttrainer für rechtsextreme | |
> Jugendliche in einem Cottbuser Verein. | |
Bild: Schön, wenn man live dabei war: Verona gegen Neapel zum Ligaauftakt | |
Der Europameister im Kickboxen, Mario Schulze, hat einen Kampf verloren. | |
Allerdings keinen um seinen sportlichen Rang, sondern um seine pädagogische | |
und politische Reputation. Wie der Cottbuser Kickboxer und angehende | |
Sozialarbeiter selbst in einer Stellungnahme schreibt, hat er eine | |
„Niederlage“ erlitten, weil ein Teil der Gesellschaft ihn ablehne und er | |
durch seine sportliche sowie berufliche Leistung nicht ausreichend | |
Wertschätzung erfahre. Die Ablehnung hat handfeste Gründe: Es sind Schulzes | |
Verbindungen in die rechte Szene, die für anhaltende Schlagzeilen über ihn | |
sorgten und ihn letztlich dazu brachten, seine Stelle als freier | |
Mitarbeiter beim Verein Manne in Potsdam zu kündigen. | |
Manne e. V. ist Träger der Fachstelle für pädagogische Jungenarbeit in | |
Brandenburg. Hier war Schulze im Projekt „Gratwanderung“ tätig, das | |
Präventionsarbeit mit gewaltbereiten und rechtsextrem orientierten Jungen | |
leistet. Schulze, der eine Ausbildung als Antigewalttrainer abgeschlossen | |
hat und derzeit Soziale Arbeit an der Fachhochschule Lausitz studiert, war | |
seit Frühjahr 2012 Mitarbeiter des Projekts. „Mario Schulzes Ausbildung | |
beim Violence Prevention Network zum Antigewalttrainer war unter anderem | |
auf die Arbeit mit gewalttätigen rechtsextremen Jugendlichen in | |
Gefängnissen ausgerichtet“, sagte der Leiter von Manne, Eike Schwarz. | |
„Jemand, der diese Ausbildung freiwillig durchläuft, kann kein | |
Rechtsextremer sein.“ | |
Doch die Verbindungen von Mario Schulze in die rechte Szene haben sich | |
mehrfach gezeigt. Der 28-Jährige mit Bürstenhaarschnitt stammt aus der | |
Lausitz, die nicht nur wegen ihrer idyllischen Landschaften, sondern auch | |
wegen zahlreicher rechtsextremer Gruppen wie der verbotenen | |
Widerstandbewegung Südbrandenburg bekannt ist. | |
Etwa ein Jahr bevor Schulze beim Projekt Gratwanderung eingestellt wurde, | |
fiel er auf, weil er und 16 andere auf einer Mallorcareise T-Shirts mit der | |
Aufschrift „A. H. Memorial Tour 2011 – Protectorat Mallorca“ und „Seit … | |
Jahren vermisst. Du fehlst uns. Wir brauchen dich“ getragen hatten. Von der | |
Staatsanwaltschaft Dresden erhielten sie daraufhin Strafbefehle wegen | |
Volksverhetzung. Einer der Reisepartner, Markus Walzuck, der vom | |
Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird und der seit Mittwoch | |
wegen versuchten Mordes vor Gericht steht, war beim Kickboxteam Cottbus | |
(KBTC) direkter Trainingspartner von Mario Schulze. Als Walzuck in Folge | |
des Strafbefehls zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, schloss ihn der KBTC | |
von der Vereinsmitgliedschaft aus. Schulze akzeptierte eine Geldstrafe von | |
300 Euro, noch bevor es zu einer Gerichtsverhandlung kommen konnte – und | |
konnte weiter im Verein trainieren. | |
Im August 2012 wurden Schulzes Verbindungen zur rechten Szene wieder | |
auffällig, als er an Walzucks Geburtstagsfeier teilnahm. Die beendete die | |
Polizei, nachdem sich Nachbarn über das Abspielen rechter Musik beschwert | |
hatten. Der Brandenburger Verfassungsschutz informierte Manne e. V. über | |
Schulzes Verbindungen zur rechten Szene, doch der Verein hielt weiter zu | |
seinem Mitarbeiter. Öffentlich bekannt wurde Schulzes Verbindung zur | |
rechten Szene schließlich im Oktober 2012. Vor seinem Kampf um den | |
Europameistertitel im Kickboxen berichteten verschiedene Medien über seine | |
Teilnahme an der Mallorca-Reise und Geburtstagsfeier. Als Reaktion darauf | |
distanzierte sich Schulze in einer Presseerklärung von der rechten Szene. | |
In einer weiteren Erklärung, die auch als Teil einer Stellungnahme von | |
Manne e. V. veröffentlicht ist, führte er allerdings ebenfalls aus, dass er | |
den Strafbefehl nach der Mallorca-Fahrt nur anerkannt habe, weil er das | |
Ansehen seiner Person, seiner Familie und seines Kickboxvereins nicht durch | |
einen Widerspruch gegen den Strafbefehl und eine öffentliche | |
Gerichtsverhandlung habe schädigen wollen. Das T-Shirt habe er nie | |
getragen, schrieb er – und stellte sich damit gegen die Aussage der | |
Dresdner Staatsanwaltschaft. Sein Kickboxverein hielt weiter zu ihm, und | |
auch Manne verbürgte sich für den Mitarbeiter. „Mario Schulze ist nicht | |
rechtsextrem. Ihn verbindet eine problematische Sportfreundschaft mit | |
Markus Walzuck, und er kennt einige Leute aus der Szene durch seine frühere | |
Tätigkeit im Sicherheitsgewerbe“, sagte Manne-Leiter Eike Schwarz zur taz. | |
Damit bewegt Mario Schulze sich genau in dem Bereich, dem der Brandenburger | |
Verfassungsschutz in seinem Bericht für 2012 einen eigenen Abschnitt | |
widmet. Darin stellt er fest, dass Rechtsextreme zunehmend im | |
Sicherheitsgewerbe tätig sind, um sich durch ihr Auftreten in Uniform Macht | |
zu verschaffen, während sie gleichzeitig in Kampfsportvereinen trainieren, | |
um sich zu „stählen“. | |
Im Mai dann wurde Schulzes früherer Trainingspartner Walzuck verhaftet, | |
nachdem er europaweit wegen schwerer Körperverletzung an einem Mitglied der | |
Rockervereinigung Hells Angels zur Fahndung ausgeschrieben worden war. Bei | |
seiner Festnahme befand er sich in Gesellschaft von Mario Schulze. Schulze | |
kündigte infolgedessen bei Manne – weil er, wie er schrieb, „weitere | |
Negativschlagzeilen“ vermeiden wollte. Auf die Frage, wie Mario Schulzes | |
Kontakte zu einem Rechtsextremen mit seiner Arbeit in einem | |
Präventionsprojekt für rechtsextrem orientierte Jungen überhaupt möglich | |
war, sagte Eike Schwarz: „Wir hatten nicht ein einziges Problem in der | |
Teamarbeit mit den Jungen und Mario Schulze. Derjenige, der das größte | |
menschliche Problem hat, ist Mario Schulze selbst, weil es für ihn | |
kompliziert ist, diese Sportfreundschaft zu Markus Walzuck zu haben.“ | |
Heike Radvan, Rechtsextremismusexpertin und Initiatorin des Arbeitskreises | |
„Geschlechterreflektierte Rechtsextremismusprävention“ der Amadeu Antonio | |
Stiftung, sieht das anders: „Selbst wenn sich nicht unmittelbar klären | |
lässt, ob Mario Schulze rechtsextrem ist oder nicht, reicht schon seine | |
Nähe zur rechtsextremen Szene aus, um ihn als Pädagogen in einem | |
Präventionsprojekt für rechtsextrem gefährdete Junge zu disqualifizieren“, | |
sagte sie. Der Arbeitskreis schloss Manne infolgedessen aus seinem | |
Zusammenhang aus. | |
Auch die Stadt Cottbus reagierte auf die Vorfälle und untersagte dem | |
Kickboxverein KBTC, bei dem Schulze noch trainiert, die weitere Nutzung der | |
städtischen Trainingsräume. Vom Landessportbund Brandenburg kommt ebenfalls | |
Kritik am KBTC: „Er hat sich weder kritisch reflektiert noch deutlich von | |
der rechten Szene distanziert“, sagt Referent Uwe Koch. Die seit einem Jahr | |
laufenden Gespräche mit dem Verein über die rechtsextremen Verbindungen von | |
Mario Schulze und Markus Walzuck wurden beendet, weil sie zu keinem | |
Ergebnis führten. Und schließlich hat sich auch der Stadtsportbund Cottbus | |
dazu entschlossen, auf die Ereignisse zu reagieren: Nachdem Markus Walzuck | |
„im Beisein weiterer Vereinsmitglieder des KBTC festgenommen wurde, haben | |
wir ein Ausschlussverfahren gegen den Verein eingeleitet“, bestätigt der | |
Vorsitzende des Stadtsportbundes, Olaf Wernicke, der taz. | |
Der KBTC selbst reagierte auf mehrmalige Anfragen zu Mario Schulzes | |
Verbindung in die rechte Szene nicht – und Schulze selbst wollte sich | |
gegenüber der taz nicht äußern. Offenbar sieht er sich als Opfer. In seiner | |
Stellungnahme zur Kündigung bei Manne e. V. hatte er im Juni nur | |
geschrieben: „Leider spüre ich immer häufiger, dass es zum Teil gelungen | |
ist, mich aus der Gesellschaft auszuschließen.“ | |
25 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Zoé Sona | |
## TAGS | |
Sky | |
Rechtsextremismus | |
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