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# taz.de -- Aufarbeitung von NS-Verbrechen: Wehrmachtssoldat angeklagt
> Staatsanwalt wirft 98-jährigem Berliner Mordbeihilfe an Kriegsgefangenen
> vor. Noch ist nicht entschieden, ob die Anklage zugelassen wird.
Bild: Bei der Tat war der Angeklagte 21 Jahre alt. Der Prozess würde darum bei…
Berlin taz | Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist ein
Wehrmachtssoldat wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an Verbrechen an
sowjetischen Kriegsgefangenen angeklagt worden. Dem 98 Jahre alten und in
Berlin lebenden Mann wird Beihilfe zum Mord in 809 Fällen zur Last gelegt.
Das berichtetet der NDR.
Der ungenannte Angeklagte soll an der Bewachung sowjetischer
Kriegsgefangener im Stammlager Stalag 365 im westukrainischen
Wladimir-Wolynsk teilgenommen haben. Laut Anklage war er dort von November
1942 bis zum März 1943 im Dienst und gehörte als einfacher Soldat einem
Landesschützen-Bataillon an.
Da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt erst 21 Jahre alt war, würde ein Prozess
vor einer Jugendkammer des Berliner Landgerichts stattfinden. Ob es
allerdings zu einem Verfahren kommt, steht noch nicht fest, da noch nicht
entschieden wurde, ob die Anklage auch zugelassen wird. Dazu laufen
[1][nach Informationen des NDR] weitere Ermittlungen.
In Wladimir-Wolynsk wurden die Gefangenen unter unmenschlichen Bedingungen
festgehalten. Viele von ihnen seien verhungert oder an Krankheiten
verstorben, heißt es. Der Angeklagte soll durch seine Mitwirkung bei der
Bewachung diese Tötungen mit ermöglicht haben.
## Mehrere Verfahren bereits eingestellt
Die grausamen Zustände in dem Lager [2][waren keinesfalls ein Einzelfall],
sondern die Regel. In den verschiedenen Stalags starben nach Recherchen von
Historikern bis zu 3,3 Millionen der insgesamt 5,7 Millionen sowjetischen
Gefangenen. Eine medizinische Betreuung gab es dort nicht, die
Lebensmittelversorgung war vollkommen unzureichend und viele der Gefangenen
mussten bei zum Teil eisigen Temperaturen unter freiem Himmel übernachten.
Diese Lagerbedingungen waren der Wehrmachtspitze und den NS-Machthabern
bekannt. Sie unternahmen nichts dagegen, denn so wollte man sich „unnützer
Esser“ entledigen– der Mord war also wohlkalkuliert. Die sowjetischen
Soldaten galten entsprechend der rassistischen Kategorien der Nazis als
„Untermenschen“.
Erst im Frühjahr vergangenen Jahres dehnte die Zentrale Stelle zur
Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg ihre Ermittlungen auf die
Wachsoldaten in den Stalags aus. Ausgangspunkt dafür war die Überlegung,
dass die Bedingungen in Konzentrationslagern und manchen Gefangenenlagern
vergleichbar seien und daher eine entsprechende Rechtsprechung übertragbar
wäre.
Staatsanwalt Thomas Will von der Zentralen Stelle berichtete 2021 von sechs
Personen, die man als Tatverdächtige ermittelt habe. Mehrere Verfahren sind
bereits von den zuständigen Staatsanwaltschaften eingestellt worden. Der
allergrößte Teil der mutmaßlichen Täter ist ohnehin längst verstorben, da
zu den Bewachern häufig ältere Soldaten zählten, die nicht mehr als
fronttauglich galten.
15 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/anklage-wehrmachtssoldat-101.html
[2] /Ueberfall-auf-die-Sowjetunion-1941/!5777517
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Wehrmacht
Kriegsgefangene
Organisiertes Verbrechen
NS-Straftäter
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Geschichtsaufarbeitung
Lesestück Recherche und Reportage
Kriegsgefangene
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