# taz.de -- Ausstellung im Polnischen Institut: Rettungssets für den Klimawand… | |
> Leben ohne Regen und Schokolade? Studierende der Kunstakademie Szczecin | |
> haben ihre durch die Klimakrise verursachten Ängste in Designobjekte | |
> gepackt. | |
Bild: Designobjekte in der fotografischen Inszenierung, hier das Anti-Panik-Spi… | |
Eine Stadt ist in den Fluten versunken, über einer Siedlung hängt eine | |
Wolke aus Smog: Das sind die Szenarien, die Alicja Fijał für ihre | |
Schneekugeln entworfen hat. Die Designstudentin nimmt eine der Glaskugeln | |
in die Hand und schüttelt sie. Statt Schnee verteilt sich goldener Flitter, | |
am Boden rollen Totenköpfe durch gelben Sand in einer Wüste. Düsternis und | |
Glamour treffen hier aufeinander – wie auch in anderen Arbeiten, die | |
Student*innen des zweiten und dritten Studienjahres im Atelier für | |
Konzeptuelles Design an der Kunstakademie Szczecin in der Galerie des | |
Polnischen Instituts Berlin zeigen. | |
Die Schneekugeln sind Ergebnis einer Auseinandersetzung mit den eigenen | |
Ängsten in Bezug auf den Klimawandel. Mit ihrer Arbeit wolle sie dazu | |
anregen, dass Besucher*innen den äußeren Schein hinterfragen, sagt | |
Alicja Fijał. Selbst aus der globalen Klimakrise würden Menschen | |
beispielsweise durch Green Washing Kapital schlagen. | |
Seit Herbst letzten Jahres haben die Student*innen aus Szczecin in einem | |
Kurs des Studio Kosmos Project von Ewa Bochen und Maciej Jelski an ihren | |
Projekten gearbeitet. In Berlin werden sie nun zum ersten Mal gezeigt. „Das | |
fühlt sich surreal an. Gleichzeitig ist es sehr schön, gehört zu werden“, | |
sagt die Studentin Aleksandra Brejwo bei der Ausstellungseröffnung. Der | |
Klimawandel sei ein Thema, mit dem man sich „nicht nicht“ beschäftigen | |
könne. Wie sie die Krise in täglichen Leben betreffe? Die Studentin fächelt | |
sich mit einem Fächer Luft zu. „Jetzt gerade zum Beispiel.“ Es ist ein | |
heißer, stickiger Sommerabend, einer von vielen in diesem Jahr. | |
Waldbrände, Dürre – die Auswirkungen der Klimakrise sind auch in Europa zu | |
spüren. „Imagine“, „Stell dir vor“, lautet der Titel der Ausstellung. … | |
blühende Fantasie braucht es allerdings nicht. Vieles, was die Studierenden | |
thematisieren, ist längst Realität. | |
Paweł Wilk etwa hat einen Regenkollektor aus einem umgedrehten Regenschirm | |
entworfen. Denn Regenwasser werde etwas sein, nachdem wir uns sehnen – | |
nichts, vor dem wir uns schützen müssen, so seine Idee. Inspiriert wurde | |
das Objekt von der postmodernen Designgruppe Memphis, erzählt Alicja Fijał. | |
[1][Mit ihren knallig bunten und verdreht zusammencollagierten Formen | |
vertreten Memphis einen optimistischen Ansatz] und einen | |
unerschütterlichen, bisweilen schwarzen Humor. Das ist der Zugang, den | |
viele der Studierenden bei der Auseinandersetzung mit ihren Ängsten gewählt | |
haben. So auch Oliwia Łobożewicz. Ihr Survival Kid besteht aus einem | |
Schutzmantel für Kinder, gefertigt aus einer goldenen Rettungsdecke, und | |
einem kleinen bunten Koffer. Darin zu finden: ein Trinkhalm mit Filter für | |
verunreinigtes Wasser, Hilfsmittel zum Feuermachen, eine Taschenlampe und | |
ein Erste-Hilfe-Set. In Zeiten, in denen der Klimawandel Millionen Menschen | |
zur Flucht zwingt, bräuchten Kinder statt Spielzeug Rettungssets, sagt die | |
Designstudentin. | |
## Die letzte Schokolade der Welt | |
Kinder allein auf der Flucht, eine Welt ohne Wasser. Was, wenn Handys und | |
Computer lahmgelegt sind und man plötzlich allein ist – wer weiß für wie | |
lange? Mit dieser Angst beschäftigt sich Justyna Sajewicz. Sie hat ein | |
Antipanikspielzeug entworfen, das aussieht wie ein schwarzer, mit | |
Filzstreifen überzogener Stein. | |
Klimawandel sei ein Thema, mit dem sich die Studierenden sowieso | |
beschäftigen, berichten die Kuratoren. „Wir wollen etwas machen, was mit | |
ihren Bedürfnissen zu tun hat“, sagt Maciej Jelski. | |
Dabei seien zum Teil auch überraschende Ergebnisse herausgekommen. | |
Aleksandra Brejwo etwa hatte eine sehr simple Idee: Sie zeigt eine | |
Schokoladentafel in einer Pappschachtel, auf der in Gold die Zahl 2050 | |
steht. Die Arbeit symbolisiert die letzte Schokolade der Welt. Was erst | |
einmal nicht als drängendes Thema in Sachen Klimawandel erscheint, sei aber | |
für Brejwo eine dramatische Vorstellung, erzählt die Studentin. „Ich fände | |
es schrecklich, wenn es keine Schokolade mehr geben würde.“ Das könne | |
durchaus passieren. Unter anderem, weil die Insektenarten, die Kakaoblüten | |
befruchten, [2][sehr empfindlich auf Temperaturveränderungen reagierten]. | |
Alle Objekte hat die Fotografin Mila Łapko in Aufnahmen gefasst, die in der | |
Ausstellung zu sehen sind. Auch Kinder waren als Models beim Fototermin | |
dabei. Als sie von der Möglichkeit einer Welt ohne Schokolade hörten, seien | |
sie sehr besorgt gewesen, erzählt Aleksandra Brejwo. „Energie und Wasser | |
sind sehr ernste, aber auch sehr abstrakte Themen“, sagt Ewa Bochen. Ohne | |
Schokolade kann man leben. Das bedeutet aber nicht, dass ihr potenzielles | |
Verschwinden keine Ängste verursachen kann. | |
16 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Inga Dreyer | |
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