# taz.de -- Zero Waste in Friedrichshain-Kreuzberg: Let’s talk about Müll | |
> Vom großen Müll-Ausstieg kann in Berlin nicht die Rede sein. Und nette | |
> Mehrwegkampagnen wie in Friedrichshain-Kreuzberg reichen einfach nicht | |
> aus. | |
Bild: Kriegt man mit gutem Zureden nur bedingt in den Griff: Vermüllung im Park | |
Vielleicht haben Sie es schon mal gehört: Berlin will seinen Abfall | |
loswerden. Also nicht im Sinne von „entsorgen“, sondern von „gar nicht er… | |
entstehen lassen“. Zero Waste lautet die Devise, die sich Rot-Grün-Rot in | |
die Koalitionsvereinbarung geschrieben hat. Und verfolgt man so nebenbei | |
die Medienberichte über Unverpacktläden und andere | |
Nachhaltigkeitsinitiativen, könnte man meinen, die Stadt sei auf dem besten | |
Weg dorthin. | |
Von wegen. In Wirklichkeit produzieren die BerlinerInnen nicht immer | |
weniger, sondern immer mehr Müll. Ein Blick in die Statistiken der BSR etwa | |
zeigt, dass die Stadtreinigung im Jahr 2020 rund 1,3 Millionen Tonnen | |
sogenannter Haus- und Siedlungsabfälle* entsorgen musste – gut 100.000 | |
Tonnen und damit fast 10 Prozent mehr als noch 2012. Die Steigerungsrate | |
liegt sogar über dem Bevölkerungswachstum im selben Zeitraum. | |
Das nur mal als Kontext. Wenn ein Bezirk wie Friedrichshain-Kreuzberg seine | |
eigene „Zero Waste“-Strategie entwickelt, ändert das an der Entstehung | |
dieser gewaltigen Mengen nichts – es geht dabei eher um die Vermüllung des | |
öffentlichen Raums. Die hat während der Pandemie noch einmal zugenommen: | |
Immer mehr Menschen verzehren Gerichte und Getränke in gut durchlüfteten | |
Parks und Grünanlagen; was übrig bleibt, lässt die Mülleimer überquellen. | |
In der vergangenen Woche [1][stellte das Bezirksamt seine laufende Kampagne | |
„Frag nach Mehrweg“ vor]. Sie soll Bewusstsein bei uns Vermüllenden | |
schaffen und gleichzeitig die Gastronomie dazu animieren, beim Takeaway | |
freiwillig auf Mehrweg zu setzen. Auf den Wochenmärkten im Bezirk klappt | |
das ganz gut. Bei den Restaurants, Cafés und Imbissen rund um den | |
Boxhagener Platz und die Admiralbrücke (nur dort findet die Kampagne statt) | |
ist die Ausbeute bislang sehr überschaubar. | |
## Anstupsen reicht nicht | |
Am Ende lautet die Frage: Reicht es im Jahr 2022 noch, Menschen freundlich | |
anzustupsen, damit sie ihre Konsumgewohnheiten ändern? Eher nicht. Wenn der | |
Verzicht auf nicht nachhaltige Verpackungen (ein Großteil davon aus | |
Kunststoff auf Erdölbasis oder Aluminium) im aktuellen Tempo weitergeht, | |
ist „Zero Waste“ vielleicht in den 30er Jahren Realität – des kommenden | |
Jahrhunderts. | |
Der Aufwand, abfallfrei zu speisen, ist für die meisten eben schlicht zu | |
hoch, als dass sie ihn aus eigenem Antrieb leisten würden. Da braucht es | |
klare Regeln. [2][Das bundesweite Mehrweggesetz, das ab 2023 gilt], stellt | |
solche auf, bleibt aber auch weit hinter den Möglichkeiten zurück: Es gilt | |
dann nur die Pflicht, Mehrweg als Option anzubieten – und das auch nur für | |
größere Gastronomen. | |
Weder der Bezirk noch der Bund werden das Problem wirklich lösen. Das Land | |
müsste Instrumente wie eine – spürbare – Abgabe auf Einwegverpackungen | |
einführen. Dass das Erfolg verspricht, hat man seinerzeit am Pfand für | |
Einwegdosen und -flaschen gesehen: Die tragen heute alle brav in den Laden | |
zurück oder überlassen sie den SammlerInnen; von den Straßen, aus den | |
Büschen und von den Spielplätzen sind sie heute komplett verschwunden. | |
* Etliche Abfallarten wie Papier oder Kunststoffverpackungen im „Dualen | |
System“ sind hierin nicht enthalten – aber auch diese Anteile werden nicht | |
weniger. | |
30 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Mehrweg-Kampagne-in-Fhain-Kreuzberg/!5867192 | |
[2] /In-Restaurants-Imbissen-und-Cafes/!5770555 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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