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# taz.de -- Argentinien in der Wirtschaftskrise: Super-Sergio soll es richten
> Das kriselnde Argentinien bekommt nach nur drei Wochen schon wieder einen
> neuen Wirtschaftsminister. Diesmal mit erweitertem Aufgabenbereich.
Bild: Neuer Wirtschaftsminister in Argentinien: Sergio Massa
Buenos Aires taz | Argentinien bekommt ein Superministerium. Künftig wird
Sergio Massa die vereinten Ministerien von Wirtschaft, Produktion und
Landwirtschaft leiten. Das gab Präsident Alberto Fernández am Donnerstag
bekannt. Damit will er das Vertrauen in seine Regierungsfähigkeit
zurückgewinnen. Sobald Massa sein bisheriges Amt als Präsident des
Abgeordnetenhauses abgegeben habe, werde er als Minister für das
Superministerium vereidigt, erklärte Fernández.
Damit ist die erst [1][vor drei Wochen als Wirtschaftsministerin
eingesetzte Silvina Batakis] das Amt wieder los. Ihre Entlassung zeigt, wie
überstürzt der Umbau des Kabinetts war. Noch tags zuvor war sie zum
Antrittsbesuch beim Internationalen Währungsfonds in Washington. Während
ihres Rückflugs wurde in Buenos Aires ihre Absetzung beschlossen.
Der Streit in der Regierungskoalition über die Richtung der Finanz- und
Wirtschaftspolitik war nach Batakis Amtsübernahme weiter eskaliert.
Koalitionsintern wurde bereits ein Auseinanderbrechen der Regierung
befürchtet. Am Donnerstag zogen dann die Provinzgouverneure die Notbremse.
Mit Nachdruck verlangten sie eine Einigung und Kabinettsumbildung.
Zentrales Problem ist das permanente Haushaltdefizit. Für dessen
Finanzierung gibt es wegen des von den internationalen Banken als hoch
eingeschätzten Risikos [2][neue Kredite] allenfalls noch zu einem horrenden
Zinssatz.
## Hohe Zinsen bei schwachem Peso
Doch statt Einsparungen im Haushalt vorzunehmen, lässt die Regierung die
Notenpresse rotieren. Allein im Monat Juni wurden von der Zentralbank über
eine Billion Peso zusätzlich in Umlauf gebracht. Um die Ausweitung der
Geldmenge etwas unter Kontrolle zu halten, wird für eine Festgeldanlage in
Peso ein Jahreszins von sagenhaften 61 Prozent angeboten. Doch selbst
dieser Zinssatz liegt unter der Inflationsrate, die für dieses Jahr auf
zwischen 76 und 100 Prozent geschätzt wird. Wer kann, kauft Dollar. Der
Referenzwert liegt inzwischen bei 320 Peso, vor drei Wochen waren es noch
260 Peso.
Solchen Zahlen stehen für die wachsende Armut. Experten sprechen von einer
strukturellen Armut, in der 30 Prozent der 47 Millionen
Argentinier*innen seit Jahren leben. Dazu kommen weitere 20 Prozent,
deren Armutsursache der rasante Kaufkraftverlust ist.
Dass Argentinien bisher von sozialen Unruhen wie in den Nachbarländern
Kolumbien, Ecuador oder Chile verschont blieb, liegt an
Sozialhilfeprogrammen, die mit unterschiedlichen Beihilfen die Not von rund
einer Million Empfänger*innen lindern. Aber auch deren Kaufkraft sinkt
stetig.
Während am Donnerstag im Präsidentenpalast das Superministerium
zusammengeschneidert wurde, forderten vor dem Gebäude auf der Plaza de Mayo
mehrere tausend Menschen ein universelles Grundeinkommen. Dessen Wert soll
dem Basiswarenkorb für Lebensmittel entsprechen. Im Juni wären dies
umgerechnet knapp 45 Dollar gewesen.
## Zwist im Regierungslager
Ob Super-Sergio das verlorene Vertrauen zurückholt, darf bezweifelt werden.
Mit seiner Partei Frente Renovador (FR) ist er Juniorpartner in der
Regierungskoalition Frente de Todos. 2008/09 war er der Nachfolger von
[3][Alberto Fernández] als Kabinettchef der damaligen Präsidentin
[4][Cristina Kirchner]. 2013 trat er mit seiner FR bei den Teilwahlen zum
Kongress an und brachte Kirchners damaliger Regierungspartei eine herbe
Niederlage bei.
Was Fernández und Massa nach ihrem jeweiligen Abgang als Kabinettchef
gemein hatten, war nicht nur die heftige Kritik an Kirchner, sondern auch
ihre öffentlichen Beteuerungen, nie wieder mit den Kirchners politisch
zusammenarbeiten zu wollen. Keine guten Voraussetzungen dafür, dass diese
Regierung ohne Streit bis zum Ende ihrer Amtszeit im Dezember 2023
durchhält.
29 Jul 2022
## LINKS
[1] /Regierungskrise-in-Buenos-Aires/!5865259
[2] /Argentiniens-Schuldenkrise/!5840815
[3] /Argentiniens-Praesident-in-Deutschland/!5854137
[4] /Korruptionsprozess-gegen-Ex-Praesidentin/!5536909
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Argentinien
Wirtschaftskrise
Inflation
Alberto Fernández
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Argentinien
Landwirtschaft
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