# taz.de -- Dieselknappheit in Argentinien: Ernte und Aussaat in Gefahr | |
> In Argentinien ist der Diesel knapp. Das macht vor allem der | |
> Landwirtschaft zu schaffen, die aber womöglich auch eine Ursache des | |
> Problems ist. | |
Bild: In den meisten Provinzen herrscht „nur geringe oder gar keine Versorgun… | |
Buenos Aires taz | In Argentinien herrscht Dieselmangel. Auf den | |
Überlandstraßen stauen sich Hunderte von LKW. Wer Glück hat, bekommt an der | |
nächsten Zapfsäule Kraftstoff für die nächsten 100 Kilometer. Wer Pech hat, | |
kommt tagelang nicht weiter. | |
Während der laufenden Ernte Gefahr droht, nicht in vollem Umfang | |
eingefahren werden zu können, ist auch die rechtzeitige Aussaat für die | |
nächste vom Treibstoffmangel bedroht. Eine schwierige Situation, die | |
weltweite Folgen haben könnte. Mit rund 14 Millionen Tonnen ist Argentinien | |
immerhin [1][der siebtgrößte Weizenexporteur der Welt]. | |
Nach der letzten Erhebung des argentinischen Verbands der | |
Gütertransportunternehmen Fadeeac gibt es in 14 von 24 Provinzen „nur | |
geringe oder gar keine Versorgung“ an den Tankstellen. Dass bisher Diesel | |
als einziger Treibstoff knapp ist, erklärt sich aus dem allgemeinen | |
Verbrauch, bei dem Diesel einen Anteil von 60 Prozent ausmacht. Wenig | |
überraschend für einen großen Flächenstaat fast ohne Eisenbahnen für den | |
Gütertransport. | |
Schon im März hatte der Verband der Tankstellenbetriebe Cecha vor der | |
drohenden Treibstoffknappheit gewarnt. Die Ölgesellschaften würden nicht in | |
ausreichender Menge liefern, die Tankstellen müssten den Dieselverkauf | |
rationieren und die Ernte sei in Gefahr, erklärte damals der | |
Cecha-Vorsitzende Gabriel Bornoroni. | |
## Erlaubter Biodieselanteil angehoben | |
Inzwischen hat sich die Versorgungslage mit Diesel weiter verschärft. | |
Betroffen sind vor allem Gebiete im Norden – aber auch die Provinzen Santa | |
Fe, Córdoba und Buenos Aires, das Zentrum des Getreide- und Ölsaatenanbaus. | |
Noch relativ entspannt ist die Lage in den patagonischen Provinzen sowie | |
auf Feuerland. Um die Versorgungsnot zu lindern hat die Regierung den | |
Biodieselanteil von bisher erlaubten 5 auf zunächst 7,5 Prozent angehoben. | |
Bis Ende August soll er auf 12,5 Prozent steigen. | |
„Eine Erhöhung des Biodieselanteils kann lindernd wirken, löst aber nicht | |
das zugrunde liegende Problem“, kommentierte der Fadeeac-Vorsitzende | |
Roberto Guarnieri. Kaum war die Anhebung beschlossen, erhöhten die | |
Ölkonzerne den Dieselpreis um bis zu 20 Prozent. Auch wenn der Liter für | |
europäische Verhältnisse mit umgerechnet 75 Cent wenig kostet, überstieg | |
der Dieselpreis damit erstmals den Preis für Superbenzin. | |
## Treibstoff ist staatlich subventioniert | |
Argentinien ist traditionell Nettoimporteur von Dieselkraftstoffen. Unterm | |
Strich werden gut 30 Prozent des Dieselverbrauchs importiert. Die | |
Treibstoffpreise sind staatlich reguliert. Steigen die Weltmarktpreise, | |
muss der Staat kräftiger subventionieren oder die Ölkonzerne zur Übernahme | |
der Preisdifferenz zwingen. | |
Am einfachsten funktioniert das beim staatlichen Ölkonzern YPF mit seinem | |
Marktanteil von 60 Prozent. Ihm folgen Shell mit 17 Prozent und Axión mit | |
16 Prozent. Doch gerade YPF hat wegen der staatlichen Dollarknappheit | |
Einkaufsschwierigkeiten. | |
Die Ölkonzerne weisen alle Schuld von sich, meldeten für die Monate März, | |
April und Mai einen Produktionsrekord von 12 Prozent über dem | |
Vergleichszeitraum des Vorjahres und machten die Landwirte verantwortlich. | |
Vor allem die Agrarbetriebe hätten wegen der vorhersehbaren | |
Preissteigerungen durch den Krieg in Europa gehamstert, ihre Vorratstanks | |
gefüllt und die Depots der Raffinerien kräftig geleert. Der bisher noch | |
verhaltene Protest der Agrarwirtschaft gegen die Dieselknappheit lässt das | |
zumindest plausibel erscheinen. | |
## Zum Tanken nach Argentinien | |
Für alle sichtbar ist die gestiegene Nachfrage aus den Nachbarländern. Die | |
subventionierten Treibstoffpreise in Argentinien hielten den Preisanstieg | |
in den vergangenen Monaten im Vergleich zu dem in Chile, Brasilien, | |
Paraguay und Uruguay in Grenzen. Für die Nachbarn wurde die kurze Fahrt zum | |
Tanken nach Argentinien immer lohnender. Die Grenznähe der am meisten von | |
der Verknappung betroffenen argentinischen Provinzen ist der Beleg. | |
Das Ausmaß des illegalen Treibstoffschmuggels in großen Stil bleibt dagegen | |
unsichtbar. Inzwischen wurden nicht nur die Grenzkontrollen verschärft, | |
auch bei Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen werden an den grenznahen | |
Tankstellen kräftig erhöhte Spritpreise verlangt. | |
23 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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