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# taz.de -- Währungskrise in Lateinamerika: Argentinien sucht den Dollar
> Der Mangel an US-Währung macht erfinderisch: In Argentinien gibt es nun
> einen Wechselkurs für WM-Reisende, den Katar-Dollar. Und nicht nur das.
Bild: Peso und Dollar in Buenos Aires
Buenos Aires taz | Argentiniens Dollarnot macht erfinderisch. Neben dem
offiziellen Wechselkurs der Zentralbank und den inoffiziellen der
Wechselstuben gibt es inzwischen [1][etliche Wechselkurse mit
unterschiedlichen Beinamen]. Mit dem Katar-Dollar und dem Coldplay-Dollar
kommen nun noch zwei weitere hinzu. Selbst die finanzgeschulten
Argentinier*innen verlieren da schon mal den Überblick.
Grund für die Unübersichtlichkeit auf dem Devisenmarkt ist der chronische
Dollarmangel der Zentralbank. Sie stemmt sich gegen die Abwertung des Peso,
versucht aber mit immer neuen Wechselkursvarianten die heimische Nachfrage
nach der US-Währung einzudämmen. So werden auf den offiziellen Wechselkurs
von aktuell 160 Peso pro Dollar mal mehr und mal weniger Steuern und
Abgaben aufgeschlagen.
Den Dollar zum offiziellen Wechselkurs bekommen nur Einfuhrunternehmen.
Damit sollen die Preise für Importwaren in dem ohnehin [2][von Inflation
gebeutelten Land] niedrig gehalten werden. Dennoch betrug die
Inflationsrate im September 6,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie die
Statistikbehörde meldete. Damit stiegen die Preise in den ersten neun
Monaten des Jahre um 66,1 Prozent. Inzwischen wird mit einer
Jahresinflation von über 90 Prozent gerechnet.
Sparen in Peso ist ein Verlustgeschäft, obgleich die Zentralbank den
Leitzins Mitte September auf satte 75 Prozent angehoben hatte. Wer die
Inflation umgehen will, kann den Spar-Dollar für 261 Peso kaufen, aber nur
200 Dollar pro Monat. Wer im Ausland mit Kreditkarte bezahlt, wird zu Hause
mit 280 Peso pro Dollar belastet. Ähnliches gilt für den Netflix-Dollar,
mit dem die internationalen Streamingabos bezahlt werden.
## Eigener Wechselkurs für WM-Reisende
Wer allerdings mit seiner Kreditkarte mehr als 300 Dollar im Monat bezahlt,
muss zukünftig 320 Peso pro Dollar berappen. Damit werden vor allem jene
Fußballfans zur Kasse gebeten werden, die im November zur WM nach Katar
reisen, weshalb der aktuelle Spitzenreiter unter den Wechselkursen prompt
den Beinamen Katar-Dollar trägt. Günstiger ist der ebenfalls gerade
eingerichtete Coldplay-Dollar für 208 Peso. Mit ihm wird die Gage der
britischen Band Coldplay für ihre zehn Konzerte im River Plate-Stadion Ende
Oktober gewechselt werden. Zukünftig soll er bei allen internationalen
Gastauftritten gelten.
Wichtigster Dollarlieferant der argentinischen Zentralbank ist die
Agrarwirtschaft. Sämtliche Exporterlöse müssen bei ihr zum offiziellen
Ankaufskurs in Peso umgetauscht werden. Dabei werden von den 152 Peso
praktischerweise gleich die unterschiedlich hohen Exportsteuern wie etwa
auf Soja, Mais und Weizen abgezogen. Was von den 152 Peso dann jeweils noch
bleibt, ist der Soja-Dollar, der Mais-Dollar und der Weizen-Dollar.
Als die Agrarproduzierenden in Erwartung einer allgemeinen Abwertung nur
noch das absolut Notwendigste zu verkaufen, schrumpften die Dollarzuflüsse
der Zentralbank bedenklich zusammen. Deshalb lockten die Währungshüter im
Fall von Soja mit einem drei Monate währenden Wechselkurs von 200 Peso pro
Dollar, mit dem die Verkäufe wieder anzogen. Jetzt fordern die
Weinkellereien vehement sogar einen Malbec-Dollar – einen eigenen
Wechselkurs für die vielexportierte argentinische Weinrebe.
Gleich zwei Wechselkurse gibt es für Peso-Dollar-Transaktionen an der
Börse. Dabei werden mit auf Peso nominierten Wertpapieren Aktien gekauft,
die auf Dollar nominiert sind und nach einer mehrtägigen Wartezeit an der
Börse in Buenos Aires oder an der New Yorker Börse verkauft. Daraus
errechnen sich die beiden Umtauschkurse von aktuell 291 Peso
beziehungsweise 304 Peso für einen Dollar. Letzterer wird von Unternehmen
für den Dollartransfer ins Ausland verwendet. Mehr als 100 Millionen Dollar
werden dabei börsentäglich umsetzt. Etwas komplizierter zu erklären ist der
Techno-Dollar, zu dem Technologieunternehmen ihre Produkte im Ausland
verkaufen.
Noch am einfachsten geht es in den klandestinen Wechselstuben zu, in denen
der blaue oder informelle Dollar gehandelt wird. Seit immer mehr
Argentinier*innen mit ihren Einkünften nicht mehr zum Monatsende
kommen und auf die unter den Matratze lagernden Dollarreserven zugreifen
müssen, agieren sie in einer von der Regierung geduldeten Grauzone. Hier
gibt es für den Dollar aktuell 287 Peso. Wer kaufen will, zahlt 291 Peso.
21 Oct 2022
## LINKS
[1] https://www.ambito.com/contenidos/dolar.html
[2] /Hohe-Inflation-in-Argentinien/!5874155
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Argentinien
Katar
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