| # taz.de -- System Kurz in Österreich und die Folgen: Chefankläger verurteilt | |
| > Verletzung des Amtsgeheimnisses und Falschaussage: Wegen Mitwirkung am | |
| > Filz von Österreichs Ex-Kanzler Kurz wird ein Oberstaatsanwalt | |
| > verurteilt. | |
| Bild: Johann Fuchs während des Verfahrens. Er will in Berufung gehen | |
| Wien taz | Ein Chefankläger auf der Anklagebank ist kein alltägliches Bild. | |
| Johann Fuchs, Oberstaatsanwalt für Wien, Niederösterreich und das | |
| Burgenland, wurde Mittwoch am Straflandesgericht Innsbruck erstinstanzlich | |
| zu einer Geldstrafe von 72.000 Euro verurteilt. Sein Anwalt hat „volle | |
| Berufung“ angekündigt. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig. | |
| Fuchs habe sich, so Richterin Andrea Steffan in ihrem Urteilsspruch, der | |
| Verletzung des Amtsgeheimnisses und der Falschaussage vor einem | |
| parlamentarischen [1][Untersuchungsausschuss] schuldig gemacht. Konkret | |
| geht es darum, dass er im Dezember 2020 seinem ehemaligen Vorgesetzten | |
| Christian Pilnacek per Handy Informationen zu einer Anzeige wegen übler | |
| Nachrede gegen eine Journalistin zugeschickt habe. Pilnacek, dem | |
| Justizministerin Alma Zadić (Grüne) die Fachaufsicht über die | |
| Staatsanwaltschaften entzogen hatte, war zu dem Zeitpunkt nicht mehr | |
| zuständig. | |
| Vor dem sogenannten Ibiza-Untersuchungssausschuss hat Fuchs später | |
| behauptet, sich daran nicht mehr erinnern zu können. Vor Gericht bestritt | |
| er sogar die Weitergabe der vertraulichen Akten. | |
| „Ich glaube Ihnen nicht“, entgegnete die Richterin, die dem Handy von | |
| Pilnacek größeren Glauben schenkte. Dort wurde die entsprechende Nachricht | |
| von den Ermittlungsbehörden sichergestellt. | |
| ## Vorgehen gegen Korruptionsstaatsanwälte | |
| Fuchs und Pilnacek eint die Gegnerschaft zur Wirtschafts- und | |
| Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), von der die fragliche Anzeige, die | |
| übrigens von der WKStA selbst zurückgezogen wurde, stammte. Belegt durch | |
| zahlreiche Chats auf sichergestellten Mobiltelefonen ist eine regelrechte | |
| Kampagne, die die beiden ausheckten, um diese Spezialstaatsanwaltschaft zu | |
| diffamieren. Sie hatte sich nämlich beim Aufdecken und Verfolgen von | |
| mutmaßlichen Korruptionsfällen bei der Regierungspartei ÖVP besonders | |
| effizient und immun gegen politischen Druck gezeigt. | |
| Pilnacek hatte sogar die Observation von unbequemen Oberstaatsanwälten | |
| vorgeschlagen. So spielten der höchste Beamte im Justizministerium und der | |
| oberste Ankläger im Osten Österreichs eine zentrale Rolle im System von | |
| Ex-Kanzler [2][Sebastian Kurz] (ÖVP), der die Justiz unter Kontrolle | |
| bringen wollte. Gegen ihn wird in mehreren Strafsachen ermittelt. | |
| Kurz hatte gegenüber der Presse in der WKStA ein „linkes Netzwerk“ geortet, | |
| das darauf aus sei, ihn und seine Getreuen zu Fall zu bringen. Wiewohl sich | |
| in letzter Zeit Korruptionsaffären in der konservativen ÖVP gehäuft haben, | |
| ermittelt die WKStA mit nicht weniger Akribie auch gegen Politiker anderer | |
| politischer Couleur. | |
| Bemerkenswert ist nicht nur die Verurteilung eines Chefanklägers, für die | |
| es zumindest in der Nachkriegszeit keinen Präzedenzfall gibt, sondern auch, | |
| dass Pilnacek in derselben Causa vor einigen Monaten freigesprochen wurde. | |
| Ihm hatte eine Wiener Richterin zwar Verrat eines Amtsgeheimnisses | |
| nachgewiesen, doch seien weder öffentliche noch private Interessen verletzt | |
| worden. Viele Juristen hatten daher auch am Mittwoch in Innsbruck einen | |
| Freispruch erwartet. | |
| Pilnacek war am letzten Prozesstag als einziger Zeuge geladen, verweigerte | |
| aber die Aussage. Wohl um seinen Vertrauten nicht zu belasten, was die | |
| Richterin entsprechend interpretierte. Mit der Verurteilung zu 360 | |
| Tagessätzen, was beim Gehalt von Fuchs einer Summe von 72.000 Euro | |
| entspricht, schöpfte sie aber das mögliche Strafmaß bei Weitem nicht aus. | |
| Maximal drei Jahre Freiheitsstrafe sieht das Strafgesetz vor. Die | |
| Geldstrafe entspricht sechs Monaten. | |
| Damit müsste der Verurteilte nicht einmal seines Postens enthoben werden, | |
| selbst wenn das Berufungsgericht die Strafe bestätigt. Eine Suspendierung | |
| durch die Justizministerin hatte der Oberste Gerichtshof aufgehoben. | |
| 11 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralf Leonhard | |
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