# taz.de -- Urteil gegen Initiator des Ibiza-Videos: Auffällig intensive Ermit… | |
> Julian Hessenthaler, Drahtzieher des Ibiza-Videos, wurde zu einer | |
> Gefängnisstrafe verurteilt. Mit dem Video habe das nichts zu tun, so der | |
> Richter. | |
Bild: Ibiza-Video-Macher Julian Hessenthaler im Landgericht von St. Pölten am … | |
WIEN taz | Dreieinhalb Jahre Haft wegen Kokainhandels. Dieses noch nicht | |
rechtskräftige Urteil eines Schöffengerichts in St. Pölten in | |
Niederösterreich am Mittwoch hätte wohl kaum internationale Schlagzeilen | |
gemacht, wäre der Verurteilte nicht über die Landesgrenzen hinaus bekannt. | |
[1][Julian Hessenthaler hat sich als Drahtzieher] des inzwischen berühmten | |
Ibiza-Videos einen Namen gemacht. Das im Sommer 2017 in einer Villa auf der | |
Baleareninsel aufgenommene Video hat 2019 in [2][Österreich die erste | |
Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP) zu Fall gebracht] und die politische | |
Karriere des Rechtspopulisten Heinz-Christian Strache (FPÖ) beendet. | |
Strache verspricht da einer falschen russischen Oligarchin die halbe | |
Republik, wenn sie ihn durch verdeckte Parteispenden in die Regierung | |
bringe. | |
Hessenthaler wird deswegen von vielen als Held, von anderen als Schurke | |
gesehen. Mit dem Ibiza-Video habe der Strafprozess nichts zu tun, | |
versicherten immer wieder Richter und Staatsanwalt. Verteidiger und | |
Menschenrechtsanwälte wollen das nicht so recht glauben. Für die heimliche | |
Herstellung des enthüllenden Videos kann der Mann nämlich nicht belangt | |
werden. Strache und seine Getreuen haben es aber verstanden, die | |
öffentlichen Wahrnehmung mit dem Spin zu beeinflussen, dass der eigentliche | |
Skandal nicht der Inhalt der Aufnahme, sondern deren Inszenierung sei. | |
Hessenthaler, ein wenig glorioser Detektiv, war vor fast anderthalb Jahren | |
in Deutschland [3][festgenommen und bald darauf an Österreich ausgeliefert | |
worden]. | |
Corpus Delicti und Ursache für die Anklage ist ein Staubsaugerbeutel, der | |
nicht mit Staub, sondern mit Kokain gefüllt war und sich im Keller einer | |
späteren Belastungszeugin fand. Laut Staatsanwaltschaft hat diese Frau eine | |
„Lebensbeichte“ abgelegt und den 41-jährigen Detektiv als Lieferanten | |
belastet. Hessenthaler wurde schuldig gesprochen, 2017 und 2018 insgesamt | |
1,25 Kilo Kokain in Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich zu einem | |
Grammpreis von 40 Euro an einen Bekannten übergeben zu haben. | |
## 17 Beamte in „Soko Tape“ | |
Außerdem wurde ihm Dokumentenfälschung zur Last gelegt, weil er 2019 bei | |
einer Polizeikontrolle in Wien einen gefälschten slowenischen Führerschein | |
vorgewiesen hatte. | |
Schon die sehr lange Untersuchungshaft von 16 Monaten hatte zu Diskussionen | |
in Juristenkreisen geführt. Verteidiger Wolfgang Auer stellte in seinem | |
Schlussplädoyer einen Zusammenhang mit dem Ibiza-Video her: „Das politische | |
System in Österreich ist sehr korruptionsanfällig.“ Man verfolge | |
Whistleblower, um „ein Exempel zu statuieren“. | |
Hessenthaler, der vor der Urteilsverkündung noch einmal zu Wort kam, fand | |
es „bemerkenswert“, dass trotz ressourcenintensiver Ermittlungen sowie | |
eigener Sonderkommission „nicht ein einziger Sachbeweis“ vorliege: „Das i… | |
mehr als ungewöhnlich.“ 17 Beamte einer eigens geschaffenen „Soko Tape“ | |
hatten monatelang geschnüffelt, abgehört, Wohnungen und Büros durchsucht. | |
Kein Standard bei gewöhnlichen Drogenhändlern. | |
Hessentahter sah sich daher als Opfer einer „einseitig ermittelnden Soko | |
und Staatsanwaltschaft“. Bei den angeblichen Fehlern in den Ermittlungen | |
gegen ihn handle es sich nicht um „reine Schlampigkeit, sondern | |
Einseitigkeit“. Beamte hätten der Hauptbelastungszeugin eingeflüstert, was | |
sie zu sagen habe. Die Zeugen hätten ihre Aussagen aneinander angepasst. | |
## Letztes Kapitel nicht geschrieben | |
Mangels Sachbeweisen stützte sich das Gericht ausschließlich auf | |
Zeugenaussagen. Diese, so Verteidiger Auer, enthielten „so viele | |
Widersprüche, dass einfach gar nichts mehr übrig bleibt“. Das sah der | |
Richter anders. Er gab zwar zu, dass bei der Beweisführung einiges „sehr | |
suspekt“ sei, gerade die Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen überzeugte | |
ihn aber, dass sich die Zeugen nicht abgesprochen hätten. | |
Als Belastungszeugen traten Hessenthalers ehemaliger Geschäftspartner | |
Slaven K., dessen Ex-Freundin Katharina H. und Edis S. auf, die einander | |
bei den Vernehmungen gegenseitig der Lüge bezichtigten und sich | |
„Wahnvorstellungen“ vorwarfen. Alle drei gaben außerdem an, vom | |
[4][FPÖ-nahen Betreiber der rechtslastigen Plattform eu-infothek, Gert | |
Schmidt], insgesamt 55.000 Euro für Informationen über Hessenthaler | |
bekommen zu haben. Laut der Wochenzeitung Falter hat Schmidt außerdem | |
Slaven K. 10.000 Euro für einen Anwalt in einem Drogenprozess bezahlt und | |
Edi S. einen Job verschafft. | |
Auch der renommierte Verfassungs- und Menschenrechtsprofessor Manfred Nowak | |
fand jüngst im ORF, es sei naiv, keine Zusammenhänge mit dem Ibiza-Video zu | |
sehen: „Da muss man dann schon objektiv sagen: Okay, was sind die | |
Interessen, die hier eine Rolle spielen, wenn die Staatsanwaltschaft hier | |
viel, viel mehr Augenmerk auf den Herrn Hessenthaler richtet, also auf den | |
Whistleblower, wenn man so will, als auf denjenigen, der sich in diesem | |
Video klar als jemand zu erkennen gegeben hat, der gerne viele Dinge der | |
Republik Österreich – es war ja noch viel mehr – verkaufen würde. Da ging | |
es schon um sehr viel Korruption. Und das kann man nicht völlig voneinander | |
trennen.“ | |
Das letzte Kapitel in der Affäre Hessenthaler ist jedenfalls noch nicht | |
geschrieben. Der Verteidiger hat wegen Verfahrensfehlern | |
Nichtigkeitsbeschwerde angekündigt. Die Causa geht in die nächste Runde. | |
31 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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