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# taz.de -- Landpartie in Brandenburg: Ein Paradies für Kuchenfreunde
> Das „Kaffee zum Glück“ im brandenburgischen Schloss Trebnitz backt einen
> weg. Zugleich füllt es die deutsch-polnischen Beziehungen mit Leben.
Bild: Eins nehme ich noch: das „Kaffee zum Glück“ im Schloss Trebnitz
„Najedz się jak głupi, man kann nicht mehr aufhören, wenn man einmal mit
ihm angefangen hat. „Najedz się jak głupi“ ist polnisch und bedeutet:
Friss-dich-dumm-Kuchen. Der Name bringt es an den Tag!
Woher wir den sagenhaften Kuchen kennen? Er belegt eine Seite im Backbuch
des „Kaffee zum Glück“ in Schloss Trebnitz, unweit von Neuhardenberg
gelegen, rund 60 Kilometer östlich von Berlin. Eier, Mandarinen, weißen und
roten Tortenguss, Schlagsahne – er ist schon eine rechte Kalorienbombe.
Zumal es ja nicht bei einem Stück bleibt. „Der ist so lecker, da isst man
einfach immer weiter“, erzählt Iwona Westfalewska von der Hotelfachschule
Kostrzyn.
Dass das Rezept in dem schönen Buch gelandet ist, hat mit dem
Projektcharakter des Cafés zu tun. Hier backen und servieren Menschen, die
(sich) ausprobieren. Das Kaffee zum Glück ist eine Schülerfirma und auch
permanente Fortbildungsveranstaltung. Seit 2012 öffnet es samstags wie
sonntags und zu besonderen Anlässen die Backstube. Das Besondere: Hier
lernen Jugendliche aus Deutschland und Polen gemeinsam, ein Café als
Mini-Unternehmen nachhaltig zu betreiben. Sogar das Logo haben sie selbst
entworfen. Schon 200 Jugendliche haben im Kaffee zum Glück gearbeitet, rund
30 sind es pro Jahr.
Das Friss-dich-dumm-Rezept aber stammt von einem ansässigen Koch in Rente.
Denn manchmal finden sich die Trebnitzer ein, um mit den Jugendlichen
gemeinsam zu backen und ihr Wissen weiterzugeben.
Halt, Stop! Erst das Vergnügen – und dann das Vergnügen! Schloss Trebnitz
ist ein großes Areal, hier finden internationale Jugendbegegnungen statt,
Konzerte und auch Aufführungen. Auf dem „Campus Schloss Trebnitz“ soll
regionales Engagement mit den Aktivitäten der Institutionen hier verbunden
werden. Internationaler Austausch, außerschulische Bildung, Kunst und
Wissenschaft.
Auf dem Gelände befindet sich auch das Gustav-Seitz-Museum. Gustav Seitz,
1906 in Mannheim geboren, ging nach der Schule auf den Bau. Er
interessierte sich früh für Architektur und Bildhauerei, absolvierte eine
Steinmetz-Ausbildung und nahm Zeichenunterricht. Anschließend studierte er
an der Kunsthochschule.
Seitz wartet mit einer äußerst wechselvollen Ost-West-Biografie auf: Nach
dem Krieg war er sowohl Professor in West-Berlin als auch Mitglied der
Akademie der Künste der DDR. Für das Mahnmal für die Opfer des Faschismus
in Weißwasser/Lausitz erhielt er den Nationalpreis der DDR. Als er den aber
annahm, suspendierte man ihn flugs von der Lehrtätigkeit an der
West-Berliner Hochschule für bildende Künste in Berlin-Charlottenburg;
ebenso verfuhr die Technische Universität mit ihm. 1950 zog er in den
Ostteil Berlins, ab 1958 lebte er dann wiederum in Hamburg.
## Alle Zutaten aus der Region, immer für 2 Euro 50
In Schloss Trebnitz hat man ihm ein kleines Museum mit seinen Plastiken
eingerichtet: „Bitte klingeln, wenn die Tür verschlossen ist“, steht am
Eingang.
So geruhsam geht es auch hinter dem Haupthaus zu. Schloss Trebnitz hat
einen wunderbaren, 27 Hektar großen Schlosspark, mit Teich, uralten großen
Bäumen, Bibern und Fledermäusen. Georg Friedrich von Ziethen, ab 1707 Chef
auf dem Schloss, war Pflanzenliebhaber und richtete das Areal mit seltenen,
auch exotischen Gewächsen wie dem südafrikanischen Honigstrauch her.
Damit der Park auch weiterhin so aussieht, wie er aussieht, bemühen sich
seit einigen Jahren die „Parkhelden“ – engagierte Bürgerinnen und Bürger
aus der Umgebung – um das Areal. Es soll ein offener Ort sein und wartet
mit einem Naturlehrpfad auf. So schön ist es hier, dass das Schloss einen
Parkkalender herausgibt.
So! Wir haben unsere Runde beendet, kommen wieder beim Gebäude mit Hofladen
und Kaffee an. Dem statten wir jetzt einen längeren Besuch ab: Statt dem
Friss-dich-dumm-und-rund-Kuchen – man will ja nicht neben dem Irrsinn auch
noch Diabetes bekommen – wählen wir aber den Käsekuchen mit
Mürbeteig-Unter- und Johannisbeergelee-Aufbau beziehungsweise die
Toffifee-Nusstorte – alle Zutaten aus der Region und immer für 2 Euro 50!
Allerdings, ach Mensch: Eine Garantie, dass es dann nur bei einem Stück
bleibt, hat man da auch nicht. Ich nehm noch eins! – Ich auch!
Für das Kaffee zum Glück kooperiert Schloss Trebnitz mit verschiedenen
Einrichtungen: mit einem Waisenhaus im polnischen Lubsko etwa, mit dem
Internationalen Bund und der Förderschule Seelow, der Kleeblattschule. So
kommt auch der Name zustande: Das Kleeblatt steht bekanntlich für Glück.
Und von Schülern der Kleeblattschule wurde das „Kaffee“ gegründet. Die
Hotelfachschule Kostrzyn wiederum nimmt es als Projektlabor für ihre
Absolventen. Der Friss-dich-dumm-Kuchen hat viele Paten. Jedes Jahr wird
neu gefragt, wer mitmachen will. Und wenn die Schüler von weit herkommen –
aus Kostrzyn oder aus Lubsko – dann fahren Lehrerinnen, Tanten Onkels oder
Eltern.
In Kursen wird geübt, wie man richtig serviert und korrekte Latte
zubereitet – auf Polnisch und auf Deutsch, erzählt Beata Rauch, die das
Projekt betreut: „Mit Barista-Workshop, Servierkurs und Buchhaltung.“
Geleitet werden die Kurse dann von Ehemaligen.
Die 18-jährige Alicia hat das Programm schon durchlaufen: „Ich komme an den
Wochenenden, backe hier den Kuchen. Mir macht es Spaß, mich auf meinen
zukünftigen Beruf vorzubereiten.“ Und ihre Kollegin Ola kann sich
vorstellen, in Kostrzyn eine Zweigstelle zum Glück zu eröffnen. „Wir denken
über ein eigenes Café nach“, sagt sie. Bis es aber soweit ist, bleiben wir
noch ein wenig im zum Glück sitzen; der Najedz się jak głupi ist noch nicht
ganz von der Liste gestrichen! „So eine Einrichtung wie uns gibt es nicht
noch mal“, sagt Rauch.
Ja, ich will doch noch ein Stück! Und danach sagen wir: „Dziekuje bardzo“ …
Danke schön, ihr lieben, tollen Menschen im Schloss-Kaffee zum Glück. „Na
Razie“ – Tschüs, bis zum nächsten Mal!
22 Jul 2022
## AUTOREN
Jürgen Kiontke
## TAGS
Reisen in Europa
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Deutschland
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Kuchen
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Genuss
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